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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 234. Concurrenz der Klagen. (Fortsetzung.)

Die Richtigkeit der hier aufgestellten Ansicht wird noch
durch folgende Umstände bestätigt.

Einen der Fälle, worin Ulpian seine Meynung aus-
sprach (Note bb), nämlich die furti actio neben der a. servi
corrupti,
hat Justinian selbst, und zwar völlig auf dieselbe
Weise wie Ulpian, entschieden, nämlich dahin daß beide
Klagen unverkürzt nach einander angestellt werden kön-
nen (ee). Damit ist also unverkennbar ausgedrückt, welche
unter den früher streitenden Meynungen Justinian selbst
als die richtige ansah.

Wesentlich dieselbe Frage, wie bey den Privatstrafen,
kommt auch bey den öffentlichen Strafen vor, wenn die-
selbe Handlung das Wesen verschiedener öffentlicher Ver-
brechen in sich vereinigt. Hier nun ist ganz entschieden,
und sogar ohne Spur eines früheren Zweifels, die Regel
aufgestellt, daß alle verwirkte Strafen neben einander an-
gewendet werden sollen (ff). Es würde aber eine augen-
scheinliche Inconsequenz seyn, hierin für die öffentlichen
Strafen eine andere Regel, als für die Privatstrafen,
gelten lassen zu wollen.


man als wahre Regel anzusehen
habe. Wie man sich aber auch
hierüber entscheide, so müßten doch
die in entgegengesetzten einzelnen
Entscheidungen in den Digesten,
als Ausnahmen neben der ange-
nommenen Regel anerkannt wer-
den. -- Dieses Letzte kann ich am
Wenigsten einräumen, da keine
einzige dieser Stellen die Natur
einer Ausnahme an sich trägt, son-
dern vielmehr jede nur dazu be-
stimmt ist, die von ihrem Verfas-
ser angenommene Regel auf einen
einzelnen Fall anzuwenden.
(ee) L. 20 C. de furtis (6. 2),
§ 8 J. de oblig. ex delicto
(4. 1.).
(ff) L. 9 C. de accus. (9. 2.).
Die Stelle ist oben abgedruckt
§ 231. b.
§. 234. Concurrenz der Klagen. (Fortſetzung.)

Die Richtigkeit der hier aufgeſtellten Anſicht wird noch
durch folgende Umſtände beſtätigt.

Einen der Fälle, worin Ulpian ſeine Meynung aus-
ſprach (Note bb), nämlich die furti actio neben der a. servi
corrupti,
hat Juſtinian ſelbſt, und zwar völlig auf dieſelbe
Weiſe wie Ulpian, entſchieden, nämlich dahin daß beide
Klagen unverkürzt nach einander angeſtellt werden kön-
nen (ee). Damit iſt alſo unverkennbar ausgedrückt, welche
unter den früher ſtreitenden Meynungen Juſtinian ſelbſt
als die richtige anſah.

Weſentlich dieſelbe Frage, wie bey den Privatſtrafen,
kommt auch bey den öffentlichen Strafen vor, wenn die-
ſelbe Handlung das Weſen verſchiedener öffentlicher Ver-
brechen in ſich vereinigt. Hier nun iſt ganz entſchieden,
und ſogar ohne Spur eines früheren Zweifels, die Regel
aufgeſtellt, daß alle verwirkte Strafen neben einander an-
gewendet werden ſollen (ff). Es würde aber eine augen-
ſcheinliche Inconſequenz ſeyn, hierin für die öffentlichen
Strafen eine andere Regel, als für die Privatſtrafen,
gelten laſſen zu wollen.


man als wahre Regel anzuſehen
habe. Wie man ſich aber auch
hierüber entſcheide, ſo müßten doch
die in entgegengeſetzten einzelnen
Entſcheidungen in den Digeſten,
als Ausnahmen neben der ange-
nommenen Regel anerkannt wer-
den. — Dieſes Letzte kann ich am
Wenigſten einräumen, da keine
einzige dieſer Stellen die Natur
einer Ausnahme an ſich trägt, ſon-
dern vielmehr jede nur dazu be-
ſtimmt iſt, die von ihrem Verfaſ-
ſer angenommene Regel auf einen
einzelnen Fall anzuwenden.
(ee) L. 20 C. de furtis (6. 2),
§ 8 J. de oblig. ex delicto
(4. 1.).
(ff) L. 9 C. de accus. (9. 2.).
Die Stelle iſt oben abgedruckt
§ 231. b.
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[247/0261] §. 234. Concurrenz der Klagen. (Fortſetzung.) Die Richtigkeit der hier aufgeſtellten Anſicht wird noch durch folgende Umſtände beſtätigt. Einen der Fälle, worin Ulpian ſeine Meynung aus- ſprach (Note bb), nämlich die furti actio neben der a. servi corrupti, hat Juſtinian ſelbſt, und zwar völlig auf dieſelbe Weiſe wie Ulpian, entſchieden, nämlich dahin daß beide Klagen unverkürzt nach einander angeſtellt werden kön- nen (ee). Damit iſt alſo unverkennbar ausgedrückt, welche unter den früher ſtreitenden Meynungen Juſtinian ſelbſt als die richtige anſah. Weſentlich dieſelbe Frage, wie bey den Privatſtrafen, kommt auch bey den öffentlichen Strafen vor, wenn die- ſelbe Handlung das Weſen verſchiedener öffentlicher Ver- brechen in ſich vereinigt. Hier nun iſt ganz entſchieden, und ſogar ohne Spur eines früheren Zweifels, die Regel aufgeſtellt, daß alle verwirkte Strafen neben einander an- gewendet werden ſollen (ff). Es würde aber eine augen- ſcheinliche Inconſequenz ſeyn, hierin für die öffentlichen Strafen eine andere Regel, als für die Privatſtrafen, gelten laſſen zu wollen. (dd) (ee) L. 20 C. de furtis (6. 2), § 8 J. de oblig. ex delicto (4. 1.). (ff) L. 9 C. de accus. (9. 2.). Die Stelle iſt oben abgedruckt § 231. b. (dd) man als wahre Regel anzuſehen habe. Wie man ſich aber auch hierüber entſcheide, ſo müßten doch die in entgegengeſetzten einzelnen Entſcheidungen in den Digeſten, als Ausnahmen neben der ange- nommenen Regel anerkannt wer- den. — Dieſes Letzte kann ich am Wenigſten einräumen, da keine einzige dieſer Stellen die Natur einer Ausnahme an ſich trägt, ſon- dern vielmehr jede nur dazu be- ſtimmt iſt, die von ihrem Verfaſ- ſer angenommene Regel auf einen einzelnen Fall anzuwenden.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/261>, abgerufen am 24.04.2024.