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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 231. Concurrenz der Klagen.
eine solche Identität, wodurch die eine Klage auf die an-
dere Einfluß erhält. Der höchst einfache Grundsatz, der
hier zur Anwendung kommt, läßt sich in folgende For-
mel fassen:
Das, was Jemand durch eine Klage bereits erhalten
hat, kann er nicht noch einmal mit einer andern
Klage fordern.

So einfach aber, und so gewiß, wie dieser Grundsatz
hier lautet, war er bey den Römern nicht, und besonders
nicht zu allen Zeiten. Erstlich kann es in vielen Fällen
zweifelhaft seyn, ob der Gegenstand beider Klagen auch
wirklich derselbe ist. Zweytens kam im älteren Römi-
schen Prozeß die Lehre von der Prozeßconsumtion in Be-
tracht, woraus die alte exceptio rei in judicium deductae
und rei judicatae entsprang, und welche in die Concurrenz
der Klagen mit hinein spielte. Durch diese zwey Umstände
entstanden unter den alten Juristen selbst große Contro-
versen (g). Die Compilatoren giengen darauf aus, die
Spuren der untergegangenen Prozeßconsumtion, so wie

handen seyn, daß diese Klagen gar
keine Berührung mit einander ha-
ben. Wenn aber mehrere Klagen
die Entschädigung, für denselben
Verlust, oder die Wiedererlangung
desselben Besitzes, bezwecken, so ha-
ben sie den juristischen Gegen-
stand mit einander gemein. Die-
ser letzte wird in Stellen des R. R.
auf folgende Weise bezeichnet: § 1
J. de duob. reis (3. 16.) "in utra-
que tamen obligatione una res
vertitur." L.
3 § 1 eod. (45. 2.)
"cum una sit obligatio, una et
summa est."
(g) Eine unzweydeutige Spur
dieser Controversen, und der Art,
wie man sich dagegen zu schützen
suchte, findet sich in L. 18 § 3 de
pec. const.
(13. 5.). "Vetus fuit
dubitatio ... Et tutius est di-
cere"
... Hierbey kam gerade die
Prozeßconsumtion in Betracht.
V. 14

§. 231. Concurrenz der Klagen.
eine ſolche Identität, wodurch die eine Klage auf die an-
dere Einfluß erhält. Der höchſt einfache Grundſatz, der
hier zur Anwendung kommt, läßt ſich in folgende For-
mel faſſen:
Das, was Jemand durch eine Klage bereits erhalten
hat, kann er nicht noch einmal mit einer andern
Klage fordern.

So einfach aber, und ſo gewiß, wie dieſer Grundſatz
hier lautet, war er bey den Römern nicht, und beſonders
nicht zu allen Zeiten. Erſtlich kann es in vielen Fällen
zweifelhaft ſeyn, ob der Gegenſtand beider Klagen auch
wirklich derſelbe iſt. Zweytens kam im älteren Römi-
ſchen Prozeß die Lehre von der Prozeßconſumtion in Be-
tracht, woraus die alte exceptio rei in judicium deductae
und rei judicatae entſprang, und welche in die Concurrenz
der Klagen mit hinein ſpielte. Durch dieſe zwey Umſtände
entſtanden unter den alten Juriſten ſelbſt große Contro-
verſen (g). Die Compilatoren giengen darauf aus, die
Spuren der untergegangenen Prozeßconſumtion, ſo wie

handen ſeyn, daß dieſe Klagen gar
keine Berührung mit einander ha-
ben. Wenn aber mehrere Klagen
die Entſchädigung, für denſelben
Verluſt, oder die Wiedererlangung
deſſelben Beſitzes, bezwecken, ſo ha-
ben ſie den juriſtiſchen Gegen-
ſtand mit einander gemein. Die-
ſer letzte wird in Stellen des R. R.
auf folgende Weiſe bezeichnet: § 1
J. de duob. reis (3. 16.) „in utra-
que tamen obligatione una res
vertitur.” L.
3 § 1 eod. (45. 2.)
„cum una sit obligatio, una et
summa est.”
(g) Eine unzweydeutige Spur
dieſer Controverſen, und der Art,
wie man ſich dagegen zu ſchützen
ſuchte, findet ſich in L. 18 § 3 de
pec. const.
(13. 5.). „Vetus fuit
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… Hierbey kam gerade die
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V. 14
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[209/0223] §. 231. Concurrenz der Klagen. eine ſolche Identität, wodurch die eine Klage auf die an- dere Einfluß erhält. Der höchſt einfache Grundſatz, der hier zur Anwendung kommt, läßt ſich in folgende For- mel faſſen: Das, was Jemand durch eine Klage bereits erhalten hat, kann er nicht noch einmal mit einer andern Klage fordern. So einfach aber, und ſo gewiß, wie dieſer Grundſatz hier lautet, war er bey den Römern nicht, und beſonders nicht zu allen Zeiten. Erſtlich kann es in vielen Fällen zweifelhaft ſeyn, ob der Gegenſtand beider Klagen auch wirklich derſelbe iſt. Zweytens kam im älteren Römi- ſchen Prozeß die Lehre von der Prozeßconſumtion in Be- tracht, woraus die alte exceptio rei in judicium deductae und rei judicatae entſprang, und welche in die Concurrenz der Klagen mit hinein ſpielte. Durch dieſe zwey Umſtände entſtanden unter den alten Juriſten ſelbſt große Contro- verſen (g). Die Compilatoren giengen darauf aus, die Spuren der untergegangenen Prozeßconſumtion, ſo wie (f) (g) Eine unzweydeutige Spur dieſer Controverſen, und der Art, wie man ſich dagegen zu ſchützen ſuchte, findet ſich in L. 18 § 3 de pec. const. (13. 5.). „Vetus fuit dubitatio … Et tutius est di- cere” … Hierbey kam gerade die Prozeßconſumtion in Betracht. (f) handen ſeyn, daß dieſe Klagen gar keine Berührung mit einander ha- ben. Wenn aber mehrere Klagen die Entſchädigung, für denſelben Verluſt, oder die Wiedererlangung deſſelben Beſitzes, bezwecken, ſo ha- ben ſie den juriſtiſchen Gegen- ſtand mit einander gemein. Die- ſer letzte wird in Stellen des R. R. auf folgende Weiſe bezeichnet: § 1 J. de duob. reis (3. 16.) „in utra- que tamen obligatione una res vertitur.” L. 3 § 1 eod. (45. 2.) „cum una sit obligatio, una et summa est.” V. 14

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/223>, abgerufen am 20.04.2024.