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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 228. Exceptionen. Abweichende Ansichten.
alten Civilrechts verschaffte, soll ein solcher Einfluß gar
nicht vorhanden gewesen seyn (d). Um Dieses annehmen
zu können, muß man den Zustand der Römischen Nation,
viele Jahrhunderte hindurch, entweder höher oder niedri-
ger stellen, als es irgend mit historischer Wahrscheinlich-
keit verträglich ist. Höher, wenn man annehmen wollte,
daß so lange Zeit in Rom fast gar kein unredlicher Eigen-
nutz erschienen wäre, der das Bedürfniß eines solchen
Schutzes fühlbar gemacht hätte, wie er späterhin durch
die doli exceptio und ähnliche Rechtsmittel gewährt wurde.
Niedriger, wenn man annimmt, solche Unredlichkeit wäre,
so wie in unsren Tagen, vorhanden gewesen, die ehrlichen
Leute aber, mit Inbegriff der Obrigkeiten, hätten sie ent-
weder nicht bemerkt, oder hätten keinen Rath gewußt, um
sich und Andere dagegen zu schützen, bis endlich ein Prä-
tor auf die Erfindung der Exceptionen gekommen wäre. --
Das Wahre aber ist wohl Dieses, daß eine Anerkennung
der aequitas, und ein Schutz für dieselbe, zu allen Zeiten,
auch neben den alten Legis actiones, bestand (e). Das
Neue also, welches hierin dem Prätor zugeschrieben wer-
den muß, besteht in zwey Stücken. Erstlich in der, für

(d) Albrecht S. 3. 4. 5.
(e) Wir wissen freylich über
den Prozeß zur Zeit der Legis
actiones
nicht viel mehr, als was
wir neuerlich durch Gajus gelernt
haben, und auch Das ist wenig
genug. Doch hat sich zufällig bey
Plautus eine Spur erhalten, nach
welcher damals für die Zwecke, zu
welchen später die doli exceptio
diente, durch erzwungene Sponsio-
nen gesorgt worden ist, also durch
die Rechtsform, die von jeher bey
den Römern so verbreitet, und für
die verschiedensten Zwecke gebräuch-
lich war. Vgl. Zeitschrift für ge-
schichtliche Rechtswissenschaft B. 10
S. 248.

§. 228. Exceptionen. Abweichende Anſichten.
alten Civilrechts verſchaffte, ſoll ein ſolcher Einfluß gar
nicht vorhanden geweſen ſeyn (d). Um Dieſes annehmen
zu können, muß man den Zuſtand der Römiſchen Nation,
viele Jahrhunderte hindurch, entweder höher oder niedri-
ger ſtellen, als es irgend mit hiſtoriſcher Wahrſcheinlich-
keit verträglich iſt. Höher, wenn man annehmen wollte,
daß ſo lange Zeit in Rom faſt gar kein unredlicher Eigen-
nutz erſchienen wäre, der das Bedürfniß eines ſolchen
Schutzes fühlbar gemacht hätte, wie er ſpäterhin durch
die doli exceptio und ähnliche Rechtsmittel gewährt wurde.
Niedriger, wenn man annimmt, ſolche Unredlichkeit wäre,
ſo wie in unſren Tagen, vorhanden geweſen, die ehrlichen
Leute aber, mit Inbegriff der Obrigkeiten, hätten ſie ent-
weder nicht bemerkt, oder hätten keinen Rath gewußt, um
ſich und Andere dagegen zu ſchützen, bis endlich ein Prä-
tor auf die Erfindung der Exceptionen gekommen wäre. —
Das Wahre aber iſt wohl Dieſes, daß eine Anerkennung
der aequitas, und ein Schutz für dieſelbe, zu allen Zeiten,
auch neben den alten Legis actiones, beſtand (e). Das
Neue alſo, welches hierin dem Prätor zugeſchrieben wer-
den muß, beſteht in zwey Stücken. Erſtlich in der, für

(d) Albrecht S. 3. 4. 5.
(e) Wir wiſſen freylich über
den Prozeß zur Zeit der Legis
actiones
nicht viel mehr, als was
wir neuerlich durch Gajus gelernt
haben, und auch Das iſt wenig
genug. Doch hat ſich zufällig bey
Plautus eine Spur erhalten, nach
welcher damals für die Zwecke, zu
welchen ſpäter die doli exceptio
diente, durch erzwungene Sponſio-
nen geſorgt worden iſt, alſo durch
die Rechtsform, die von jeher bey
den Römern ſo verbreitet, und für
die verſchiedenſten Zwecke gebräuch-
lich war. Vgl. Zeitſchrift für ge-
ſchichtliche Rechtswiſſenſchaft B. 10
S. 248.
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[181/0195] §. 228. Exceptionen. Abweichende Anſichten. alten Civilrechts verſchaffte, ſoll ein ſolcher Einfluß gar nicht vorhanden geweſen ſeyn (d). Um Dieſes annehmen zu können, muß man den Zuſtand der Römiſchen Nation, viele Jahrhunderte hindurch, entweder höher oder niedri- ger ſtellen, als es irgend mit hiſtoriſcher Wahrſcheinlich- keit verträglich iſt. Höher, wenn man annehmen wollte, daß ſo lange Zeit in Rom faſt gar kein unredlicher Eigen- nutz erſchienen wäre, der das Bedürfniß eines ſolchen Schutzes fühlbar gemacht hätte, wie er ſpäterhin durch die doli exceptio und ähnliche Rechtsmittel gewährt wurde. Niedriger, wenn man annimmt, ſolche Unredlichkeit wäre, ſo wie in unſren Tagen, vorhanden geweſen, die ehrlichen Leute aber, mit Inbegriff der Obrigkeiten, hätten ſie ent- weder nicht bemerkt, oder hätten keinen Rath gewußt, um ſich und Andere dagegen zu ſchützen, bis endlich ein Prä- tor auf die Erfindung der Exceptionen gekommen wäre. — Das Wahre aber iſt wohl Dieſes, daß eine Anerkennung der aequitas, und ein Schutz für dieſelbe, zu allen Zeiten, auch neben den alten Legis actiones, beſtand (e). Das Neue alſo, welches hierin dem Prätor zugeſchrieben wer- den muß, beſteht in zwey Stücken. Erſtlich in der, für (d) Albrecht S. 3. 4. 5. (e) Wir wiſſen freylich über den Prozeß zur Zeit der Legis actiones nicht viel mehr, als was wir neuerlich durch Gajus gelernt haben, und auch Das iſt wenig genug. Doch hat ſich zufällig bey Plautus eine Spur erhalten, nach welcher damals für die Zwecke, zu welchen ſpäter die doli exceptio diente, durch erzwungene Sponſio- nen geſorgt worden iſt, alſo durch die Rechtsform, die von jeher bey den Römern ſo verbreitet, und für die verſchiedenſten Zwecke gebräuch- lich war. Vgl. Zeitſchrift für ge- ſchichtliche Rechtswiſſenſchaft B. 10 S. 248.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/195>, abgerufen am 19.04.2024.