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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 225. Vertheidigung. Einleitung. Duplex actio.
lichen Vertrags von der Acceptilation und Novation ist
im heutigen Recht entschieden verschwunden.

Dagegen ist der praktische Character der Vertheidigung
dritter Klasse von dem der beiden ersten Klassen nicht blos
historisch, sondern in seinem innern Wesen verschieden.
Der durchgreifende Unterschied aber besteht darin, daß in
den Fällen der dritten Klasse zwey verschiedene, selbststän-
dige Rechte zu berücksichtigen sind, deren jedes wieder
seine eigene Schicksale haben kann. So kann das jus in
re,
welches eine Exception gegen die Vindication begrün-
dete, wieder verloren werden; die exceptio rei judicatae
gegen eine Schuldklage kann durch Vertrag entkräftet wer-
den (i). Wenn dagegen einer Vindication die Veräußerung
des Eigenthums, oder einer Schuldklage die Zahlung der
Schuld entgegengesetzt wird, so kann die vernichtende Kraft
dieser Rechtsgeschäfte unmöglich durch spätere Ereignisse,
z. B. Verträge, geschwächt worden seyn, da überhaupt
Nichts mehr vorhanden war, das einer späteren Entwick-
lung empfänglich gewesen wäre. Es könnte in diesen Fäl-
len höchstens ein neues Eigenthum, oder eine neue Schuld-
forderung erworben werden, welche Rechte jedoch mit den
früheren gleichartigen Rechten des Klägers keinen inneren
Zusammenhang haben würden (k). Es ist wohl zu be-

(i) Für solche Fälle gilt der
Ausdruck der L. 95 § 2 de solut.
(46. 3) "incipit obligatio civi-
lis auxilium exceptionis amit-
tere." -- L 27 § 2 de pactis
(2. 14) "Pactus ne peteret, po-
stea convenit ut peteret: prius
pactum per posterius elide-
tur .... et ideo replicatione
exceptio elidetur."
(k) L. 27 § 2 de pactis (2.
14.). ... "Sed si pactum con-

§. 225. Vertheidigung. Einleitung. Duplex actio.
lichen Vertrags von der Acceptilation und Novation iſt
im heutigen Recht entſchieden verſchwunden.

Dagegen iſt der praktiſche Character der Vertheidigung
dritter Klaſſe von dem der beiden erſten Klaſſen nicht blos
hiſtoriſch, ſondern in ſeinem innern Weſen verſchieden.
Der durchgreifende Unterſchied aber beſteht darin, daß in
den Fällen der dritten Klaſſe zwey verſchiedene, ſelbſtſtän-
dige Rechte zu berückſichtigen ſind, deren jedes wieder
ſeine eigene Schickſale haben kann. So kann das jus in
re,
welches eine Exception gegen die Vindication begrün-
dete, wieder verloren werden; die exceptio rei judicatae
gegen eine Schuldklage kann durch Vertrag entkräftet wer-
den (i). Wenn dagegen einer Vindication die Veräußerung
des Eigenthums, oder einer Schuldklage die Zahlung der
Schuld entgegengeſetzt wird, ſo kann die vernichtende Kraft
dieſer Rechtsgeſchäfte unmöglich durch ſpätere Ereigniſſe,
z. B. Verträge, geſchwächt worden ſeyn, da überhaupt
Nichts mehr vorhanden war, das einer ſpäteren Entwick-
lung empfänglich geweſen wäre. Es könnte in dieſen Fäl-
len höchſtens ein neues Eigenthum, oder eine neue Schuld-
forderung erworben werden, welche Rechte jedoch mit den
früheren gleichartigen Rechten des Klägers keinen inneren
Zuſammenhang haben würden (k). Es iſt wohl zu be-

(i) Für ſolche Fälle gilt der
Ausdruck der L. 95 § 2 de solut.
(46. 3) „incipit obligatio civi-
lis auxilium exceptionis amit-
tere.” — L 27 § 2 de pactis
(2. 14) „Pactus ne peteret, po-
stea convenit ut peteret: prius
pactum per posterius elide-
tur .... et ideo replicatione
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[157/0171] §. 225. Vertheidigung. Einleitung. Duplex actio. lichen Vertrags von der Acceptilation und Novation iſt im heutigen Recht entſchieden verſchwunden. Dagegen iſt der praktiſche Character der Vertheidigung dritter Klaſſe von dem der beiden erſten Klaſſen nicht blos hiſtoriſch, ſondern in ſeinem innern Weſen verſchieden. Der durchgreifende Unterſchied aber beſteht darin, daß in den Fällen der dritten Klaſſe zwey verſchiedene, ſelbſtſtän- dige Rechte zu berückſichtigen ſind, deren jedes wieder ſeine eigene Schickſale haben kann. So kann das jus in re, welches eine Exception gegen die Vindication begrün- dete, wieder verloren werden; die exceptio rei judicatae gegen eine Schuldklage kann durch Vertrag entkräftet wer- den (i). Wenn dagegen einer Vindication die Veräußerung des Eigenthums, oder einer Schuldklage die Zahlung der Schuld entgegengeſetzt wird, ſo kann die vernichtende Kraft dieſer Rechtsgeſchäfte unmöglich durch ſpätere Ereigniſſe, z. B. Verträge, geſchwächt worden ſeyn, da überhaupt Nichts mehr vorhanden war, das einer ſpäteren Entwick- lung empfänglich geweſen wäre. Es könnte in dieſen Fäl- len höchſtens ein neues Eigenthum, oder eine neue Schuld- forderung erworben werden, welche Rechte jedoch mit den früheren gleichartigen Rechten des Klägers keinen inneren Zuſammenhang haben würden (k). Es iſt wohl zu be- (i) Für ſolche Fälle gilt der Ausdruck der L. 95 § 2 de solut. (46. 3) „incipit obligatio civi- lis auxilium exceptionis amit- tere.” — L 27 § 2 de pactis (2. 14) „Pactus ne peteret, po- stea convenit ut peteret: prius pactum per posterius elide- tur .... et ideo replicatione exceptio elidetur.” (k) L. 27 § 2 de pactis (2. 14.). … „Sed si pactum con-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/171>, abgerufen am 16.04.2024.