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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
des Beklagten. Beyspiele: bey der Vindication die Ex-
ception aus einem jus in re (f) oder einem Contract; bey
der publiciana die exceptio dominii (g); bey allen Klagen
die exceptio rei judicatae. -- Die Beweislast trifft den
Beklagten.

Die eigenthümliche Natur dieser drey Klassen möglicher
Vertheidigung wird durch folgende nähere Bestimmungen
vollständiger zur Anschauung kommen.

Die erste Klasse (absolute Verneinung) erscheint nicht
immer in der rein logischen Form der Verneinung. Denn
wenn die Klage selbst als Bedingung ein negatives Ele-
ment in sich schließt, so erscheint die Verneinung desselben in
der logischen Form einer Bejahung, und dennoch trifft
nicht minder den Kläger die Beweislast. So gehört zur
Begründung der condictio indebiti die Behauptung einer
Nichtschuld, und der absolute Widerspruch dagegen ist die
Behauptung einer Schuld; der Kläger aber hat die Nicht-
schuld zu beweisen.

Weit wichtiger aber für die wahre Natur jener ersten
Klasse ist folgender Umstand. Zu den wesentlichen Ele-
menten jeder Klage gehört nur das allgemeine Daseyn
der factischen Bedingungen des bestrittenen Rechts. Die
gehörige, regelmäßige Beschaffenheit dieser Bedingungen
versteht sich dann von selbst, und wenn diese von dem
Beklagten verneint wird, so tritt er damit in dasselbe Ver-

(f) L. 6 § 9 comm. div. (10.3),
L. 1 § 4 de superfic.
(43. 18.).
(g) L. 17 de public. (6. 2.).

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
des Beklagten. Beyſpiele: bey der Vindication die Ex-
ception aus einem jus in re (f) oder einem Contract; bey
der publiciana die exceptio dominii (g); bey allen Klagen
die exceptio rei judicatae. — Die Beweislaſt trifft den
Beklagten.

Die eigenthümliche Natur dieſer drey Klaſſen möglicher
Vertheidigung wird durch folgende nähere Beſtimmungen
vollſtändiger zur Anſchauung kommen.

Die erſte Klaſſe (abſolute Verneinung) erſcheint nicht
immer in der rein logiſchen Form der Verneinung. Denn
wenn die Klage ſelbſt als Bedingung ein negatives Ele-
ment in ſich ſchließt, ſo erſcheint die Verneinung deſſelben in
der logiſchen Form einer Bejahung, und dennoch trifft
nicht minder den Kläger die Beweislaſt. So gehört zur
Begründung der condictio indebiti die Behauptung einer
Nichtſchuld, und der abſolute Widerſpruch dagegen iſt die
Behauptung einer Schuld; der Kläger aber hat die Nicht-
ſchuld zu beweiſen.

Weit wichtiger aber für die wahre Natur jener erſten
Klaſſe iſt folgender Umſtand. Zu den weſentlichen Ele-
menten jeder Klage gehört nur das allgemeine Daſeyn
der factiſchen Bedingungen des beſtrittenen Rechts. Die
gehörige, regelmäßige Beſchaffenheit dieſer Bedingungen
verſteht ſich dann von ſelbſt, und wenn dieſe von dem
Beklagten verneint wird, ſo tritt er damit in daſſelbe Ver-

(f) L. 6 § 9 comm. div. (10.3),
L. 1 § 4 de superfic.
(43. 18.).
(g) L. 17 de public. (6. 2.).
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[154/0168] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. des Beklagten. Beyſpiele: bey der Vindication die Ex- ception aus einem jus in re (f) oder einem Contract; bey der publiciana die exceptio dominii (g); bey allen Klagen die exceptio rei judicatae. — Die Beweislaſt trifft den Beklagten. Die eigenthümliche Natur dieſer drey Klaſſen möglicher Vertheidigung wird durch folgende nähere Beſtimmungen vollſtändiger zur Anſchauung kommen. Die erſte Klaſſe (abſolute Verneinung) erſcheint nicht immer in der rein logiſchen Form der Verneinung. Denn wenn die Klage ſelbſt als Bedingung ein negatives Ele- ment in ſich ſchließt, ſo erſcheint die Verneinung deſſelben in der logiſchen Form einer Bejahung, und dennoch trifft nicht minder den Kläger die Beweislaſt. So gehört zur Begründung der condictio indebiti die Behauptung einer Nichtſchuld, und der abſolute Widerſpruch dagegen iſt die Behauptung einer Schuld; der Kläger aber hat die Nicht- ſchuld zu beweiſen. Weit wichtiger aber für die wahre Natur jener erſten Klaſſe iſt folgender Umſtand. Zu den weſentlichen Ele- menten jeder Klage gehört nur das allgemeine Daſeyn der factiſchen Bedingungen des beſtrittenen Rechts. Die gehörige, regelmäßige Beſchaffenheit dieſer Bedingungen verſteht ſich dann von ſelbſt, und wenn dieſe von dem Beklagten verneint wird, ſo tritt er damit in daſſelbe Ver- (f) L. 6 § 9 comm. div. (10.3), L. 1 § 4 de superfic. (43. 18.). (g) L. 17 de public. (6. 2.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/168>, abgerufen am 24.04.2024.