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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
werden könnten. Bey dem ersten Zustand (Puberes und
pubertati proximi) versteht sich die Handlungsfähigkeit
von selbst; bey dem zweyten (qui fari possunt) ist sie als
Erleichterung des Verkehrs nachgelassen worden; bey dem
dritten (Infantia) soll auch diese Erleichterung nicht statt
finden.

Ehe aber dieses Alles historisch bewiesen werden kann,
muß an die schon oben erwähnte Schwierigkeit erinnert
werden, die für das praktische Leben aus der bey jedem
Einzelnen allmäligen, bey verschiedenen Menschen aber sehr
ungleichen, Entwicklung der Sprachfähigkeit hervorgeht.
Hier war eine feste und für Alle gleichförmige Gränze
praktisch sehr wünschenswerth. Nun wurde den Römern
eine uralte Lehre griechischer Philosophie bekannt, welche
der Zahl Sieben geheimnißvolle Kräfte, und den sieben-
jährigen Lebensperioden eine besondere Wichtigkeit beylegte.
Diese Lehre kam jenem praktischen Bedürfniß auf die will-
kommenste Weise entgegen, und so geschah es, daß die
Gränze der Kindheit gerade auf das Ende des siebenten
Jahres allgemein angesetzt wurde, anstatt daß wohl auch
Sechs oder Acht Jahre dafür angenommen werden konn-
ten (h). Nimmt man nun Sieben Jahre an, so folgt

(h) Es darf also nicht so ver-
standen werden, als wäre diese
ganze Lehre von der Infantia erst
durch griechische Philosophie in
das Römische Recht gekommen;
nur die Fixirung auf ein bestimm-
tes Jahr überhaupt, und gerade
auf Sieben Jahre, ist daher ab-
zuleiten. Die Zeugnisse für die
alte Philosophenlehre sind sehr
gründlich zusammengestellt in der
oben (Note e) angeführten Re-
cension S. 669 fg.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
werden könnten. Bey dem erſten Zuſtand (Puberes und
pubertati proximi) verſteht ſich die Handlungsfähigkeit
von ſelbſt; bey dem zweyten (qui fari possunt) iſt ſie als
Erleichterung des Verkehrs nachgelaſſen worden; bey dem
dritten (Infantia) ſoll auch dieſe Erleichterung nicht ſtatt
finden.

Ehe aber dieſes Alles hiſtoriſch bewieſen werden kann,
muß an die ſchon oben erwähnte Schwierigkeit erinnert
werden, die für das praktiſche Leben aus der bey jedem
Einzelnen allmäligen, bey verſchiedenen Menſchen aber ſehr
ungleichen, Entwicklung der Sprachfähigkeit hervorgeht.
Hier war eine feſte und für Alle gleichförmige Gränze
praktiſch ſehr wünſchenswerth. Nun wurde den Römern
eine uralte Lehre griechiſcher Philoſophie bekannt, welche
der Zahl Sieben geheimnißvolle Kräfte, und den ſieben-
jährigen Lebensperioden eine beſondere Wichtigkeit beylegte.
Dieſe Lehre kam jenem praktiſchen Bedürfniß auf die will-
kommenſte Weiſe entgegen, und ſo geſchah es, daß die
Gränze der Kindheit gerade auf das Ende des ſiebenten
Jahres allgemein angeſetzt wurde, anſtatt daß wohl auch
Sechs oder Acht Jahre dafür angenommen werden konn-
ten (h). Nimmt man nun Sieben Jahre an, ſo folgt

(h) Es darf alſo nicht ſo ver-
ſtanden werden, als wäre dieſe
ganze Lehre von der Infantia erſt
durch griechiſche Philoſophie in
das Römiſche Recht gekommen;
nur die Fixirung auf ein beſtimm-
tes Jahr überhaupt, und gerade
auf Sieben Jahre, iſt daher ab-
zuleiten. Die Zeugniſſe für die
alte Philoſophenlehre ſind ſehr
gründlich zuſammengeſtellt in der
oben (Note e) angeführten Re-
cenſion S. 669 fg.
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[32/0044] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. werden könnten. Bey dem erſten Zuſtand (Puberes und pubertati proximi) verſteht ſich die Handlungsfähigkeit von ſelbſt; bey dem zweyten (qui fari possunt) iſt ſie als Erleichterung des Verkehrs nachgelaſſen worden; bey dem dritten (Infantia) ſoll auch dieſe Erleichterung nicht ſtatt finden. Ehe aber dieſes Alles hiſtoriſch bewieſen werden kann, muß an die ſchon oben erwähnte Schwierigkeit erinnert werden, die für das praktiſche Leben aus der bey jedem Einzelnen allmäligen, bey verſchiedenen Menſchen aber ſehr ungleichen, Entwicklung der Sprachfähigkeit hervorgeht. Hier war eine feſte und für Alle gleichförmige Gränze praktiſch ſehr wünſchenswerth. Nun wurde den Römern eine uralte Lehre griechiſcher Philoſophie bekannt, welche der Zahl Sieben geheimnißvolle Kräfte, und den ſieben- jährigen Lebensperioden eine beſondere Wichtigkeit beylegte. Dieſe Lehre kam jenem praktiſchen Bedürfniß auf die will- kommenſte Weiſe entgegen, und ſo geſchah es, daß die Gränze der Kindheit gerade auf das Ende des ſiebenten Jahres allgemein angeſetzt wurde, anſtatt daß wohl auch Sechs oder Acht Jahre dafür angenommen werden konn- ten (h). Nimmt man nun Sieben Jahre an, ſo folgt (h) Es darf alſo nicht ſo ver- ſtanden werden, als wäre dieſe ganze Lehre von der Infantia erſt durch griechiſche Philoſophie in das Römiſche Recht gekommen; nur die Fixirung auf ein beſtimm- tes Jahr überhaupt, und gerade auf Sieben Jahre, iſt daher ab- zuleiten. Die Zeugniſſe für die alte Philoſophenlehre ſind ſehr gründlich zuſammengeſtellt in der oben (Note e) angeführten Re- cenſion S. 669 fg.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/44>, abgerufen am 19.04.2024.