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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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§. 105. Successionen.

Damit nun eine solche juristische Succession, das heißt
die blos subjective Umwandlung eines Rechtsverhältnisses,
angenommen werden könne, wird vorausgesetzt die fort-
dauernde Identität dieses Rechtsverhältnisses selbst. Zur
Annahme dieser Identität aber genügt keinesweges schon
die gleiche Gattung des Rechts, bezogen auf den gleichen
Gegenstand. Wenn z. B. Zwey Personen in verschiedenen
Zeitpunkten Eigenthum an demselben Grundstück haben, so
ist dieser Umstand allein nicht hinreichend, unter Beiden
eine Succession anzunehmen; vielmehr muß zur Rechtfer-
tigung dieser Annahme zwischen beiden Rechtsverhältnissen
eine solche innere Verbindung wahrzunehmen seyn, wo-
durch sie als ein einziges, nur in verschiedenen Personen
fortdauerndes, Rechtsverhältniß erscheinen. Die Grund-
lage einer solchen Verbindung ist der Umstand, daß das
spätere Recht, der Zeit nach, unmittelbar auf das frühere
folgt; denn wenn z. B. eine Sache von einem Eigenthü-
mer derelinquirt, und nach einiger Zeit von einem Andern
occupirt wird, so besteht unter denselben schon wegen des
gänzlich trennenden Zwischenzustandes der Herrenlosigkeit
keine Succession (a). Allein auch jener Anschluß in der
Zeit ist noch nicht hinreichend; ein solcher findet sich unter
andern bey jedem Übergang des Eigenthums durch Usu-

(a) Man könnte einwenden, je-
der Erbe sey ja Successor des Ver-
storbenen, und doch könne zwi-
schen dem Tod und dem Antritt
der Erbschaft eine lange Zwischen-
zeit gewesen seyn, in welcher das
Vermögen keinen wirklichen Herrn
hatte. Allein mit dem Antritt der
Erbschaft wird stets durch eine
Rechtsfiction das Recht des Er-
ben auf den Augenblick des Todes
zurück bezogen. S. o. § 102. b.
§. 105. Succeſſionen.

Damit nun eine ſolche juriſtiſche Succeſſion, das heißt
die blos ſubjective Umwandlung eines Rechtsverhältniſſes,
angenommen werden könne, wird vorausgeſetzt die fort-
dauernde Identität dieſes Rechtsverhältniſſes ſelbſt. Zur
Annahme dieſer Identität aber genügt keinesweges ſchon
die gleiche Gattung des Rechts, bezogen auf den gleichen
Gegenſtand. Wenn z. B. Zwey Perſonen in verſchiedenen
Zeitpunkten Eigenthum an demſelben Grundſtück haben, ſo
iſt dieſer Umſtand allein nicht hinreichend, unter Beiden
eine Succeſſion anzunehmen; vielmehr muß zur Rechtfer-
tigung dieſer Annahme zwiſchen beiden Rechtsverhältniſſen
eine ſolche innere Verbindung wahrzunehmen ſeyn, wo-
durch ſie als ein einziges, nur in verſchiedenen Perſonen
fortdauerndes, Rechtsverhältniß erſcheinen. Die Grund-
lage einer ſolchen Verbindung iſt der Umſtand, daß das
ſpätere Recht, der Zeit nach, unmittelbar auf das frühere
folgt; denn wenn z. B. eine Sache von einem Eigenthü-
mer derelinquirt, und nach einiger Zeit von einem Andern
occupirt wird, ſo beſteht unter denſelben ſchon wegen des
gänzlich trennenden Zwiſchenzuſtandes der Herrenloſigkeit
keine Succeſſion (a). Allein auch jener Anſchluß in der
Zeit iſt noch nicht hinreichend; ein ſolcher findet ſich unter
andern bey jedem Übergang des Eigenthums durch Uſu-

(a) Man könnte einwenden, je-
der Erbe ſey ja Succeſſor des Ver-
ſtorbenen, und doch könne zwi-
ſchen dem Tod und dem Antritt
der Erbſchaft eine lange Zwiſchen-
zeit geweſen ſeyn, in welcher das
Vermögen keinen wirklichen Herrn
hatte. Allein mit dem Antritt der
Erbſchaft wird ſtets durch eine
Rechtsfiction das Recht des Er-
ben auf den Augenblick des Todes
zurück bezogen. S. o. § 102. b.
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[9/0021] §. 105. Succeſſionen. Damit nun eine ſolche juriſtiſche Succeſſion, das heißt die blos ſubjective Umwandlung eines Rechtsverhältniſſes, angenommen werden könne, wird vorausgeſetzt die fort- dauernde Identität dieſes Rechtsverhältniſſes ſelbſt. Zur Annahme dieſer Identität aber genügt keinesweges ſchon die gleiche Gattung des Rechts, bezogen auf den gleichen Gegenſtand. Wenn z. B. Zwey Perſonen in verſchiedenen Zeitpunkten Eigenthum an demſelben Grundſtück haben, ſo iſt dieſer Umſtand allein nicht hinreichend, unter Beiden eine Succeſſion anzunehmen; vielmehr muß zur Rechtfer- tigung dieſer Annahme zwiſchen beiden Rechtsverhältniſſen eine ſolche innere Verbindung wahrzunehmen ſeyn, wo- durch ſie als ein einziges, nur in verſchiedenen Perſonen fortdauerndes, Rechtsverhältniß erſcheinen. Die Grund- lage einer ſolchen Verbindung iſt der Umſtand, daß das ſpätere Recht, der Zeit nach, unmittelbar auf das frühere folgt; denn wenn z. B. eine Sache von einem Eigenthü- mer derelinquirt, und nach einiger Zeit von einem Andern occupirt wird, ſo beſteht unter denſelben ſchon wegen des gänzlich trennenden Zwiſchenzuſtandes der Herrenloſigkeit keine Succeſſion (a). Allein auch jener Anſchluß in der Zeit iſt noch nicht hinreichend; ein ſolcher findet ſich unter andern bey jedem Übergang des Eigenthums durch Uſu- (a) Man könnte einwenden, je- der Erbe ſey ja Succeſſor des Ver- ſtorbenen, und doch könne zwi- ſchen dem Tod und dem Antritt der Erbſchaft eine lange Zwiſchen- zeit geweſen ſeyn, in welcher das Vermögen keinen wirklichen Herrn hatte. Allein mit dem Antritt der Erbſchaft wird ſtets durch eine Rechtsfiction das Recht des Er- ben auf den Augenblick des Todes zurück bezogen. S. o. § 102. b.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/21>, abgerufen am 29.03.2024.