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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
leicht nur das Mittel für andere, auch nichtjuristische Zwecke
seyn mag (f). Diese Thatsachen heißen Willenserklä-
rungen
oder Rechtsgeschäfte.

b) Oder als unmittelbar gerichtet auf andere, nicht-
juristische Zwecke, so daß die juristische Wirkung entwe-
der als untergeordnet im Bewußtseyn zurücktritt (g), oder
entschieden nicht gewollt wird (h).

Die Willenserklärungen endlich erscheinen wieder auf
zweyerley Weise:

1) Als einseitiger Wille des Betheiligten, wohin als
wichtigster Fall der letzte Wille gehört, der jedoch nur im
besonderen Theile des Rechtssystems, nämlich im Erbrecht,
seine rechte Stelle findet.

2) Als übereinstimmender Wille des Betheiligten mit

(f) Wer ein Haus kauft, tritt
mit Bewußtseyn in ein Rechts-
verhältniß ein, welches ihm so-
wohl Rechte als Verbindlichkei-
ten giebt, aber dieses Verhältniß
soll ihm doch nur als Mittel die-
nen, um das Haus sicher und nach
Gutdünken bewohnen zu können,
oder durch Vermiethung, vielleicht
auch durch neuen Verkauf, Geld
zu gewinnen.
(g) Wer auf der Jagd ein
Wild erregt, der will das Ver-
gnügen der Jagd genießen, dane-
ben auch das Wild verzehren oder
verkaufen; des Eigenthumser-
werbs durch Occupation wird er
sich dabey weniger bewußt wer-
den. -- Wer das baufällige Haus
eines abwesenden Freundes durch
schleunige Anstalten gegen Ein-
sturz sichert, der will Schaden ab-
wenden, ohne dabey besonders an
den Quasicontract negotiorum
gestio
zu denken, oder den fünf-
ten Titel des dritten Buchs der
Digesten nachzuschlagen.
(h) Wer mich bestiehlt, hat ge-
wiß nicht die Absicht mein Schuld-
ner ex delicto zu werden. Darum
wird diese Thatsache, die in Be-
ziehung auf mich zufällig (Note e),
in Beziehung auf ihn eine freye
Handlung ist, dennoch auch in die-
ser letzten Beziehung nicht ein
Rechtsgeschäft genannt.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
leicht nur das Mittel für andere, auch nichtjuriſtiſche Zwecke
ſeyn mag (f). Dieſe Thatſachen heißen Willenserklä-
rungen
oder Rechtsgeſchäfte.

b) Oder als unmittelbar gerichtet auf andere, nicht-
juriſtiſche Zwecke, ſo daß die juriſtiſche Wirkung entwe-
der als untergeordnet im Bewußtſeyn zurücktritt (g), oder
entſchieden nicht gewollt wird (h).

Die Willenserklärungen endlich erſcheinen wieder auf
zweyerley Weiſe:

1) Als einſeitiger Wille des Betheiligten, wohin als
wichtigſter Fall der letzte Wille gehört, der jedoch nur im
beſonderen Theile des Rechtsſyſtems, nämlich im Erbrecht,
ſeine rechte Stelle findet.

2) Als übereinſtimmender Wille des Betheiligten mit

(f) Wer ein Haus kauft, tritt
mit Bewußtſeyn in ein Rechts-
verhältniß ein, welches ihm ſo-
wohl Rechte als Verbindlichkei-
ten giebt, aber dieſes Verhältniß
ſoll ihm doch nur als Mittel die-
nen, um das Haus ſicher und nach
Gutdünken bewohnen zu können,
oder durch Vermiethung, vielleicht
auch durch neuen Verkauf, Geld
zu gewinnen.
(g) Wer auf der Jagd ein
Wild erregt, der will das Ver-
gnügen der Jagd genießen, dane-
ben auch das Wild verzehren oder
verkaufen; des Eigenthumser-
werbs durch Occupation wird er
ſich dabey weniger bewußt wer-
den. — Wer das baufällige Haus
eines abweſenden Freundes durch
ſchleunige Anſtalten gegen Ein-
ſturz ſichert, der will Schaden ab-
wenden, ohne dabey beſonders an
den Quaſicontract negotiorum
gestio
zu denken, oder den fünf-
ten Titel des dritten Buchs der
Digeſten nachzuſchlagen.
(h) Wer mich beſtiehlt, hat ge-
wiß nicht die Abſicht mein Schuld-
ner ex delicto zu werden. Darum
wird dieſe Thatſache, die in Be-
ziehung auf mich zufällig (Note e),
in Beziehung auf ihn eine freye
Handlung iſt, dennoch auch in die-
ſer letzten Beziehung nicht ein
Rechtsgeſchäft genannt.
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[6/0018] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. leicht nur das Mittel für andere, auch nichtjuriſtiſche Zwecke ſeyn mag (f). Dieſe Thatſachen heißen Willenserklä- rungen oder Rechtsgeſchäfte. b) Oder als unmittelbar gerichtet auf andere, nicht- juriſtiſche Zwecke, ſo daß die juriſtiſche Wirkung entwe- der als untergeordnet im Bewußtſeyn zurücktritt (g), oder entſchieden nicht gewollt wird (h). Die Willenserklärungen endlich erſcheinen wieder auf zweyerley Weiſe: 1) Als einſeitiger Wille des Betheiligten, wohin als wichtigſter Fall der letzte Wille gehört, der jedoch nur im beſonderen Theile des Rechtsſyſtems, nämlich im Erbrecht, ſeine rechte Stelle findet. 2) Als übereinſtimmender Wille des Betheiligten mit (f) Wer ein Haus kauft, tritt mit Bewußtſeyn in ein Rechts- verhältniß ein, welches ihm ſo- wohl Rechte als Verbindlichkei- ten giebt, aber dieſes Verhältniß ſoll ihm doch nur als Mittel die- nen, um das Haus ſicher und nach Gutdünken bewohnen zu können, oder durch Vermiethung, vielleicht auch durch neuen Verkauf, Geld zu gewinnen. (g) Wer auf der Jagd ein Wild erregt, der will das Ver- gnügen der Jagd genießen, dane- ben auch das Wild verzehren oder verkaufen; des Eigenthumser- werbs durch Occupation wird er ſich dabey weniger bewußt wer- den. — Wer das baufällige Haus eines abweſenden Freundes durch ſchleunige Anſtalten gegen Ein- ſturz ſichert, der will Schaden ab- wenden, ohne dabey beſonders an den Quaſicontract negotiorum gestio zu denken, oder den fünf- ten Titel des dritten Buchs der Digeſten nachzuſchlagen. (h) Wer mich beſtiehlt, hat ge- wiß nicht die Abſicht mein Schuld- ner ex delicto zu werden. Darum wird dieſe Thatſache, die in Be- ziehung auf mich zufällig (Note e), in Beziehung auf ihn eine freye Handlung iſt, dennoch auch in die- ſer letzten Beziehung nicht ein Rechtsgeſchäft genannt.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/18>, abgerufen am 16.04.2024.