Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Die erste Geistliche Lection
und bekennet/ daß das Urtheil deß ewigen Todts auß folgenden Ursa-
chen über ihn ergangen seye. Dahe ich/ sagte er/ durch vorherge-
gangener Leibs-Schwachheit schier zum End meines Lebens gelan-
get/ kame der höllische Versucher zu mir/ und fragte mich/ was
ich glaubete? diesem gabe ich zur Antwort/ daß ich daß jenige glaub-
te/ welches in dem Apostolischen Symbolo oder Kenzeichen ge-
schrieben stehet. Hierauff begehrte er alsobald/ ich mögte ihm eini-
ge von den schwäresten und dunckeleristen Artickulen außlegen: Die-
sem Begehren nun ein Gnügen zu leisten/ hab ich das gemeldte A-
postoliche Symbolum durch das Symbolum oder Kenzeichen deß H.
Athanasii zu erklähren mich unterstanden: mit dieser meiner Erkläh-
rung aber ware er nicht zu frieden/ sondern sagte; es ist nicht also/
wie du vermeinest: dann daß jenige/ so den Vatter angehet/ ist
theils wahr und kundbahr/ und theils übel zu verstehen und unwahr;
dann der Vatter zwar ewig ist; nicht aber ist er allezeit gewesen ein
Vatter/ gleich wie er gewesen ist GOTT: sondern erst-
lich ist er gewesen GOTT/ und folgends worden ein Vat-
ter. Hierüber hab ich überlaut geschriehen und mir vorbehalten/
daß diese ein Ketzerische und zugleich Teuffelische Lehr seye. Der
höllische Satan aber antwortete/ und sagte/ man müsse nicht mit
Ruffen/ sondern mit vernünfftlichen Beweistthumben die Warheit
zu ergründen sich bemühen. Derhalben hab ich auff meinen Verstand
und Gelehrheit mich gar zu viel verlassend/ mit demselben von der al-
lerheiligsten Dreyfaltigkeit zu disputiren angefangen: er aber mit al-
lerhand Fangstricken und klugen Erfindungen wohl versehen/ hat mir
so verwirrte Argumenten oder Bewährungen vorgebracht/ daß ich
auch allgemach zu zweiffeln angefangen/ und endlich in diesen
groben Fehler gerathen bin/ daß ich glaubete/ und darfür hielte/ der
Sohn so wohl als der H. Geist seyen kein GOtt. Bin also in sol-
cher Verleitung gestorben und dem Richter-Stuhl GOttes vorge-
stelt/ woselbsten ich als ein Ketzer den Sträich der ewigen Verdam-
nuß von dem gerechten Richter empfangen hab. Diesem nach ist der un-
glückseelige Mensch verschwunden. Ein wenig hernach ist auch der an-
dere tödtlich erkräncket/ zu welchem dann ebenfalls der lose Betrieger
kommen/ und ihn gefraget/ was er glaubete? worauff er geantwor-
tet: Er glaube was die Christ-Catholische Kirch glaubet. Was

glaubt

Die erſte Geiſtliche Lection
und bekennet/ daß das Urtheil deß ewigen Todts auß folgenden Urſa-
chen uͤber ihn ergangen ſeye. Dahe ich/ ſagte er/ durch vorherge-
gangener Leibs-Schwachheit ſchier zum End meines Lebens gelan-
get/ kame der hoͤlliſche Verſucher zu mir/ und fragte mich/ was
ich glaubete? dieſem gabe ich zur Antwort/ daß ich daß jenige glaub-
te/ welches in dem Apoſtoliſchen Symbolo oder Kenzeichen ge-
ſchrieben ſtehet. Hierauff begehrte er alſobald/ ich moͤgte ihm eini-
ge von den ſchwaͤreſten und dunckeleriſten Artickulen außlegen: Die-
ſem Begehren nun ein Gnuͤgen zu leiſten/ hab ich das gemeldte A-
poſtoliche Symbolum durch das Symbolum oder Kenzeichen deß H.
Athanaſii zu erklaͤhren mich unterſtanden: mit dieſer meiner Erklaͤh-
rung aber ware er nicht zu frieden/ ſondern ſagte; es iſt nicht alſo/
wie du vermeineſt: dann daß jenige/ ſo den Vatter angehet/ iſt
theils wahr und kundbahr/ und theils uͤbel zu verſtehen und unwahr;
dann der Vatter zwar ewig iſt; nicht aber iſt er allezeit geweſen ein
Vatter/ gleich wie er geweſen iſt GOTT: ſondern erſt-
lich iſt er geweſen GOTT/ und folgends worden ein Vat-
ter. Hieruͤber hab ich uͤberlaut geſchriehen und mir vorbehalten/
daß dieſe ein Ketzeriſche und zugleich Teuffeliſche Lehr ſeye. Der
hoͤlliſche Satan aber antwortete/ und ſagte/ man muͤſſe nicht mit
Ruffen/ ſondern mit vernuͤnfftlichen Beweiſtthumben die Warheit
zu ergruͤnden ſich bemuͤhen. Derhalben hab ich auff meinen Verſtand
und Gelehrheit mich gar zu viel verlaſſend/ mit demſelben von der al-
lerheiligſten Dreyfaltigkeit zu diſputiren angefangen: er aber mit al-
lerhand Fangſtricken und klugen Erfindungen wohl verſehen/ hat mir
ſo verwirrte Argumenten oder Bewaͤhrungen vorgebracht/ daß ich
auch allgemach zu zweiffeln angefangen/ und endlich in dieſen
groben Fehler gerathen bin/ daß ich glaubete/ und darfuͤr hielte/ der
Sohn ſo wohl als der H. Geiſt ſeyen kein GOtt. Bin alſo in ſol-
cher Verleitung geſtorben und dem Richter-Stuhl GOttes vorge-
ſtelt/ woſelbſten ich als ein Ketzer den Straͤich der ewigen Verdam-
nuß von dem gerechten Richter empfangen hab. Dieſem nach iſt der un-
gluͤckſeelige Menſch verſchwunden. Ein wenig hernach iſt auch der an-
dere toͤdtlich erkraͤncket/ zu welchem dann ebenfalls der loſe Betrieger
kommen/ und ihn gefraget/ was er glaubete? worauff er geantwor-
tet: Er glaube was die Chriſt-Catholiſche Kirch glaubet. Was

glaubt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="4"/><fw place="top" type="header">Die er&#x017F;te Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
und bekennet/ daß das Urtheil deß ewigen Todts auß folgenden Ur&#x017F;a-<lb/>
chen u&#x0364;ber ihn ergangen &#x017F;eye. Dahe ich/ &#x017F;agte er/ durch vorherge-<lb/>
gangener Leibs-Schwachheit &#x017F;chier zum End meines Lebens gelan-<lb/>
get/ kame der ho&#x0364;lli&#x017F;che Ver&#x017F;ucher zu mir/ und fragte mich/ was<lb/>
ich glaubete? die&#x017F;em gabe ich zur Antwort/ daß ich daß jenige glaub-<lb/>
te/ welches in dem Apo&#x017F;toli&#x017F;chen Symbolo oder Kenzeichen ge-<lb/>
&#x017F;chrieben &#x017F;tehet. Hierauff begehrte er al&#x017F;obald/ ich mo&#x0364;gte ihm eini-<lb/>
ge von den &#x017F;chwa&#x0364;re&#x017F;ten und dunckeleri&#x017F;ten Artickulen außlegen: Die-<lb/>
&#x017F;em Begehren nun ein Gnu&#x0364;gen zu lei&#x017F;ten/ hab ich das gemeldte A-<lb/>
po&#x017F;toliche Symbolum durch das Symbolum oder Kenzeichen deß H.<lb/><hi rendition="#aq">Athana&#x017F;ii</hi> zu erkla&#x0364;hren mich unter&#x017F;tanden: mit die&#x017F;er meiner Erkla&#x0364;h-<lb/>
rung aber ware er nicht zu frieden/ &#x017F;ondern &#x017F;agte; es i&#x017F;t nicht al&#x017F;o/<lb/>
wie du vermeine&#x017F;t: dann daß jenige/ &#x017F;o den Vatter angehet/ i&#x017F;t<lb/>
theils wahr und kundbahr/ und theils u&#x0364;bel zu ver&#x017F;tehen und unwahr;<lb/>
dann der Vatter zwar ewig i&#x017F;t; nicht aber i&#x017F;t er allezeit gewe&#x017F;en ein<lb/>
Vatter/ gleich wie er gewe&#x017F;en i&#x017F;t <hi rendition="#g">GOTT:</hi> &#x017F;ondern er&#x017F;t-<lb/>
lich i&#x017F;t er gewe&#x017F;en <hi rendition="#g">GOTT/</hi> und folgends worden ein Vat-<lb/>
ter. Hieru&#x0364;ber hab ich u&#x0364;berlaut ge&#x017F;chriehen und mir vorbehalten/<lb/>
daß die&#x017F;e ein Ketzeri&#x017F;che und zugleich Teuffeli&#x017F;che Lehr &#x017F;eye. Der<lb/>
ho&#x0364;lli&#x017F;che Satan aber antwortete/ und &#x017F;agte/ man mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nicht mit<lb/>
Ruffen/ &#x017F;ondern mit vernu&#x0364;nfftlichen Bewei&#x017F;tthumben die Warheit<lb/>
zu ergru&#x0364;nden &#x017F;ich bemu&#x0364;hen. Derhalben hab ich auff meinen Ver&#x017F;tand<lb/>
und Gelehrheit mich gar zu viel verla&#x017F;&#x017F;end/ mit dem&#x017F;elben von der al-<lb/>
lerheilig&#x017F;ten Dreyfaltigkeit zu di&#x017F;putiren angefangen: er aber mit al-<lb/>
lerhand Fang&#x017F;tricken und klugen Erfindungen wohl ver&#x017F;ehen/ hat mir<lb/>
&#x017F;o verwirrte Argumenten oder Bewa&#x0364;hrungen vorgebracht/ daß ich<lb/>
auch allgemach zu zweiffeln angefangen/ und endlich in die&#x017F;en<lb/>
groben Fehler gerathen bin/ daß ich glaubete/ und darfu&#x0364;r hielte/ der<lb/>
Sohn &#x017F;o wohl als der H. Gei&#x017F;t &#x017F;eyen kein GOtt. Bin al&#x017F;o in &#x017F;ol-<lb/>
cher Verleitung ge&#x017F;torben und dem Richter-Stuhl GOttes vorge-<lb/>
&#x017F;telt/ wo&#x017F;elb&#x017F;ten ich als ein Ketzer den Stra&#x0364;ich der ewigen Verdam-<lb/>
nuß von dem gerechten Richter empfangen hab. Die&#x017F;em nach i&#x017F;t der un-<lb/>
glu&#x0364;ck&#x017F;eelige Men&#x017F;ch ver&#x017F;chwunden. Ein wenig hernach i&#x017F;t auch der an-<lb/>
dere to&#x0364;dtlich erkra&#x0364;ncket/ zu welchem dann ebenfalls der lo&#x017F;e Betrieger<lb/>
kommen/ und ihn gefraget/ was er glaubete? worauff er geantwor-<lb/>
tet: Er glaube was die Chri&#x017F;t-Catholi&#x017F;che Kirch glaubet. Was<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">glaubt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0032] Die erſte Geiſtliche Lection und bekennet/ daß das Urtheil deß ewigen Todts auß folgenden Urſa- chen uͤber ihn ergangen ſeye. Dahe ich/ ſagte er/ durch vorherge- gangener Leibs-Schwachheit ſchier zum End meines Lebens gelan- get/ kame der hoͤlliſche Verſucher zu mir/ und fragte mich/ was ich glaubete? dieſem gabe ich zur Antwort/ daß ich daß jenige glaub- te/ welches in dem Apoſtoliſchen Symbolo oder Kenzeichen ge- ſchrieben ſtehet. Hierauff begehrte er alſobald/ ich moͤgte ihm eini- ge von den ſchwaͤreſten und dunckeleriſten Artickulen außlegen: Die- ſem Begehren nun ein Gnuͤgen zu leiſten/ hab ich das gemeldte A- poſtoliche Symbolum durch das Symbolum oder Kenzeichen deß H. Athanaſii zu erklaͤhren mich unterſtanden: mit dieſer meiner Erklaͤh- rung aber ware er nicht zu frieden/ ſondern ſagte; es iſt nicht alſo/ wie du vermeineſt: dann daß jenige/ ſo den Vatter angehet/ iſt theils wahr und kundbahr/ und theils uͤbel zu verſtehen und unwahr; dann der Vatter zwar ewig iſt; nicht aber iſt er allezeit geweſen ein Vatter/ gleich wie er geweſen iſt GOTT: ſondern erſt- lich iſt er geweſen GOTT/ und folgends worden ein Vat- ter. Hieruͤber hab ich uͤberlaut geſchriehen und mir vorbehalten/ daß dieſe ein Ketzeriſche und zugleich Teuffeliſche Lehr ſeye. Der hoͤlliſche Satan aber antwortete/ und ſagte/ man muͤſſe nicht mit Ruffen/ ſondern mit vernuͤnfftlichen Beweiſtthumben die Warheit zu ergruͤnden ſich bemuͤhen. Derhalben hab ich auff meinen Verſtand und Gelehrheit mich gar zu viel verlaſſend/ mit demſelben von der al- lerheiligſten Dreyfaltigkeit zu diſputiren angefangen: er aber mit al- lerhand Fangſtricken und klugen Erfindungen wohl verſehen/ hat mir ſo verwirrte Argumenten oder Bewaͤhrungen vorgebracht/ daß ich auch allgemach zu zweiffeln angefangen/ und endlich in dieſen groben Fehler gerathen bin/ daß ich glaubete/ und darfuͤr hielte/ der Sohn ſo wohl als der H. Geiſt ſeyen kein GOtt. Bin alſo in ſol- cher Verleitung geſtorben und dem Richter-Stuhl GOttes vorge- ſtelt/ woſelbſten ich als ein Ketzer den Straͤich der ewigen Verdam- nuß von dem gerechten Richter empfangen hab. Dieſem nach iſt der un- gluͤckſeelige Menſch verſchwunden. Ein wenig hernach iſt auch der an- dere toͤdtlich erkraͤncket/ zu welchem dann ebenfalls der loſe Betrieger kommen/ und ihn gefraget/ was er glaubete? worauff er geantwor- tet: Er glaube was die Chriſt-Catholiſche Kirch glaubet. Was glaubt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/32
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/32>, abgerufen am 28.03.2024.