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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679.

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Kaiser Flav. Vespasianus. Seine Eltern. Seine Gemahlin. Seine Sitten. Seine Verträglichkeit. Seine Ehren-Aemter. Sein Reichs-Antritt. Vorzeichen seiner Erhöhung. Seine Regirung. Seine Tugenden: die Leutseeligkeit/ Gerechtigkeit/ und Verträglichkeit. Seine Liebe zu Künsten und Kunstliebenden. Seine Geldsucht: die wird entschuldigt. Aufruhr der Juden. Vespasiani Krieg wider dieselben. Vorzeichen seines Todes. Sein Tod. Sein Bildnis/ und seiner Gemahlin. Der Streit. Der Fechter. Philosophus Cathedrarius. Q. Cincinnatus. Biga. Cursor.

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Kais. Flav-Vespasianus. DAs Glück war endlich ermüdet/ die Römer zu plagen/ und bezeugte/ indem es/ nach so vielen Blattern aus dem Geschlecht Augusti , und nach dessen Abgang/ ihnen einen tugendhaften Kaiser gabe/ daß die Tugend nicht angebohren/ sondern erwehlet werde. Seine Eltern.Vespasianus, mit dem Zunamen Flavius, wegen seiner gelben Haare/ war ein Sohn Sabini Flavii: welcher in Asia ein Zoll-Einnehmer gewesen/ und sich so redlich verhalten/ daß man ihm eine Statuam gesetzet und darüber geschrieben: Probo Publicano. Seine Mutter hieße Vespasia Polla, deren Vatter Vespasius Pollio viel herrliche Gebäude geführet/ und dadurch berühmt worden. Von dieser ward er A. C. 10 den 17 Novembr. in einem Samnischen Dorfe gebohren/ und folgends von seiner Großmutter Tertulla erzogen. Er hatte/ in seinem Geburts-Themate, den Steinbock aufsteigend: daher er/ wie Augustus, zu grossen Sachen und Neuerung des Regiments bestimmet ware/ massen die Kaiser-Würde/ nach Abgang der Augustischen Linie/ und dreyer After-Kaisere/ in ihm auf eine neue Familie/ die zwar auch nicht lang währte/ gerahten ist. Er ware starkes und gesundes Leibs: ließe ihm/ zu der Gesundheit Erhaltung/ die Glieder oftreiben/ und hielte iedes Monats einen Fast-Tag.

Seine Gemahlin. Seine Gemahlin ware Flavia Domitilla, Statilii Capellae eines Röm. Ritters Tochter: mit deren er drey Kinder gezeuget/ nämlich Titum, Domitian und eine Tochter. Mutter und Tochter verlohre er/ ehe er Kaiser worden/ nach deren Tod er die Caenis, der Antoniae Freygelassene/ zu sich genommen/ die gar geschickt gewesen/ und ein gut Gedächtnis hatte.

Seine Sitten. Er war ein frommer Herr/ insonderheit der Mässigkeit ergeben/ also daß man ihn deren Fürbild genennet: auch so gar von Kleider-Pracht entfernet/ daß man ihn von einem gemeinen Soldaten nicht wol unterscheiden konte. Nächst deme war er ganz leutseelig in conversation, ließe ihn nicht leicht etwas verdriessen/ und pflage mit iederman freundlich zu scherzen/ an stat sein hohes Ansehen mit Ernst vorzukehren. Als einer von [Spaltenumbruch] seinen lieben Getreuen/ für einen andern/ den er seinen Bruder nennte/ ein gutes Amt ausbitten wolte/ ließe er selbigen vor sich kommen/ forschte von ihm/ was er jenem zu geben versprochen/ nahme solches selber von ihm/ und verliehe ihm das Amt. Wie nun gleich darauf der Hofdiener zu ihm kame/ und wieder fürzubitten begunte/ sagte er zu ihm: Suche du dir nun einen andern Bruder/ dann dieser ist mein Bruder worden.

Seine Verträglichkeit. Er konte auch/ sowol der Feinde/ als der Freunde/ freyes Wesen in Reden und Gebärden/ wol vertragen. Daher/ als-er zu Helvidio Prisco gesagt/ er solte das Rathaus meiden! und jener widersprache/ solang er nicht des Rahts entsezt wäre/ müste er zu Rathaus gehen! verbote er ihm ferner/ er solte im Raht nichts reden. Als der abermals widerredte/ wann man ihn fragte/ so müfte er antworten! sagte er: Wo du redest/ so werde ich dich am Leben straffen. Worauf jener geantwortet: Habe ich dann iemals gesagt/ daß ich unsterblich sey? der Kaiser mag das seine/ ich will das meine thun. Euer Thun ist/ mich tödten: mein Thun ist/ den Tod ohne Zittern vertragen. Als der Cynische Philosophus Demetrius am Weg vor ihm nicht aufstunde/ auch ihn nicht zu grüssen würdigte/ hat er ihn allein mit diesen Worten darum gestraffet: Du unterlässest zwar nichts/ mich dahin zu bewegen/ daß ich dich tödten lasse/ aber es ist meine Gewonheit nicht/ daß ich über Hunde zu Gericht sitze. Er änderte sich auch gar nicht/ als er Kaiser worden/ und war gegen iederman so freundlich/ als er zuvor gethan hatte. Insonderheit zeigte er sich einen solchen/ wann er aus dem Bad gegangen: Daher seine Leute selbige Zeit wol in acht nahmen/ wann sie etwas ausbitten wolten.

Seine Ehren-Aemter. Er truge vor der Kaiser-Würde/ unterschiedliche Ehren-Aemter/ zu Haus und drausen: wie er dann Kriegs-Zahlmeister in Creta, und in Thracia Kriegs-Hauptman gewesen. Kaiser Claudius schickte ihn in Teutschland/ und nachmals in Britannien: da er dreissigmal mit dem Feinde getroffen/ und zwey Provinzen ans Reich gebracht/ auch darauf Consul worden. Er ward auch Statthalter in Africa, da er treulich gehauset/ und ganz arm wiedergekehret: massen er seinen Bruder alle seine Güter verpfändet/ und

Kaiser Flav. Vespasianus. Seine Eltern. Seine Gemahlin. Seine Sitten. Seine Verträglichkeit. Seine Ehren-Aemter. Sein Reichs-Antritt. Vorzeichen seiner Erhöhung. Seine Regirung. Seine Tugenden: die Leutseeligkeit/ Gerechtigkeit/ und Verträglichkeit. Seine Liebe zu Künsten und Kunstliebenden. Seine Geldsucht: die wird entschuldigt. Aufruhr der Juden. Vespasiani Krieg wider dieselben. Vorzeichen seines Todes. Sein Tod. Sein Bildnis/ und seiner Gemahlin. Der Streit. Der Fechter. Philosophus Cathedrarius. Q. Cincinnatus. Biga. Cursor.

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Kais. Flav-Vespasianus. DAs Glück war endlich ermüdet/ die Römer zu plagen/ und bezeugte/ indem es/ nach so vielen Blattern aus dem Geschlecht Augusti , und nach dessen Abgang/ ihnen einen tugendhaften Kaiser gabe/ daß die Tugend nicht angebohren/ sondern erwehlet werde. Seine Eltern.Vespasianus, mit dem Zunamen Flavius, wegen seiner gelben Haare/ war ein Sohn Sabini Flavii: welcher in Asiâ ein Zoll-Einnehmer gewesen/ und sich so redlich verhalten/ daß man ihm eine Statuam gesetzet und darüber geschrieben: Probo Publicano. Seine Mutter hieße Vespasia Polla, deren Vatter Vespasius Pollio viel herrliche Gebäude geführet/ und dadurch berühmt worden. Von dieser ward er A. C. 10 den 17 Novembr. in einem Samnischen Dorfe gebohren/ und folgends von seiner Großmutter Tertulla erzogen. Er hatte/ in seinem Geburts-Themate, den Steinbock aufsteigend: daher er/ wie Augustus, zu grossen Sachen und Neuerung des Regiments bestimmet ware/ massen die Kaiser-Würde/ nach Abgang der Augustischen Linie/ und dreyer After-Kaisere/ in ihm auf eine neue Familie/ die zwar auch nicht lang währte/ gerahten ist. Er ware starkes und gesundes Leibs: ließe ihm/ zu der Gesundheit Erhaltung/ die Glieder oftreiben/ und hielte iedes Monats einen Fast-Tag.

Seine Gemahlin. Seine Gemahlin ware Flavia Domitilla, Statilii Capellae eines Röm. Ritters Tochter: mit deren er drey Kinder gezeuget/ nämlich Titum, Domitian und eine Tochter. Mutter und Tochter verlohre er/ ehe er Kaiser worden/ nach deren Tod er die Caenis, der Antoniae Freygelassene/ zu sich genommen/ die gar geschickt gewesen/ und ein gut Gedächtnis hatte.

Seine Sitten. Er war ein frommer Herr/ insonderheit der Mässigkeit ergeben/ also daß man ihn deren Fürbild genennet: auch so gar von Kleider-Pracht entfernet/ daß man ihn von einem gemeinen Soldaten nicht wol unterscheiden konte. Nächst deme war er ganz leutseelig in conversation, ließe ihn nicht leicht etwas verdriessen/ und pflage mit iederman freundlich zu scherzen/ an stat sein hohes Ansehen mit Ernst vorzukehren. Als einer von [Spaltenumbruch] seinen lieben Getreuen/ für einen andern/ den er seinen Bruder nennte/ ein gutes Amt ausbitten wolte/ ließe er selbigen vor sich kommen/ forschte von ihm/ was er jenem zu geben versprochen/ nahme solches selber von ihm/ und verliehe ihm das Amt. Wie nun gleich darauf der Hofdiener zu ihm kame/ und wieder fürzubitten begunte/ sagte er zu ihm: Suche du dir nun einen andern Bruder/ dann dieser ist mein Bruder worden.

Seine Verträglichkeit. Er konte auch/ sowol der Feinde/ als der Freunde/ freyes Wesen in Reden und Gebärden/ wol vertragen. Daher/ als-er zu Helvidio Prisco gesagt/ er solte das Rathaus meiden! und jener widersprache/ solang er nicht des Rahts entsezt wäre/ müste er zu Rathaus gehen! verbote er ihm ferner/ er solte im Raht nichts reden. Als der abermals widerredte/ wann man ihn fragte/ so müfte er antworten! sagte er: Wo du redest/ so werde ich dich am Leben straffen. Worauf jener geantwortet: Habe ich dann iemals gesagt/ daß ich unsterblich sey? der Kaiser mag das seine/ ich will das meine thun. Euer Thun ist/ mich tödten: mein Thun ist/ den Tod ohne Zittern vertragen. Als der Cynische Philosophus Demetrius am Weg vor ihm nicht aufstunde/ auch ihn nicht zu grüssen würdigte/ hat er ihn allein mit diesen Worten darum gestraffet: Du unterlässest zwar nichts/ mich dahin zu bewegen/ daß ich dich tödten lasse/ aber es ist meine Gewonheit nicht/ daß ich über Hunde zu Gericht sitze. Er änderte sich auch gar nicht/ als er Kaiser worden/ und war gegen iederman so freundlich/ als er zuvor gethan hatte. Insonderheit zeigte er sich einen solchen/ wann er aus dem Bad gegangen: Daher seine Leute selbige Zeit wol in acht nahmen/ wann sie etwas ausbitten wolten.

Seine Ehren-Aemter. Er truge vor der Kaiser-Würde/ unterschiedliche Ehren-Aemter/ zu Haus und drausen: wie er dann Kriegs-Zahlmeister in Creta, und in Thraciâ Kriegs-Hauptman gewesen. Kaiser Claudius schickte ihn in Teutschland/ und nachmals in Britannien: da er dreissigmal mit dem Feinde getroffen/ und zwey Provinzen ans Reich gebracht/ auch darauf Consul worden. Er ward auch Statthalter in Africâ, da er treulich gehauset/ und ganz arm wiedergekehret: massen er seinen Bruder alle seine Güter verpfändet/ und

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679, S. [II (Skulptur), S. 57]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0202_1679/83>, abgerufen am 29.03.2024.