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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] gleichwie er auch dieser/ zu ihrem Manne wieder zu kehren oder einem andern die Ehliche Hand zu geben/ bey Leibsstraffe verbotten hat. Coesonia, die vierte/ wiewol sie weder schön noch jung war/ auch schon drey Töchter von einem andern hatte/ liebte er gantz unsinnig/ vielleicht darum/ weil sie so geil und frech/ wie er/ gewesen. Sie muste immer um ihn seyn/ und bisweilen in kriegerischer Tracht mit ihm reiten. Er pflage sie auch/ seinen Freunden/ zuweilen nacket zu zeigen. Man glaubte/ daß diese und andere seine Torheiten daher entstünden/ weil Caesonia, um nicht/ wie die zwey vorigen Gemahlinnen/ wieder fortgeschaffet zu werden/ wie gesagt/ ihme einen Liebtrank beygebracht: der aber so übel misgewirket.

Seine Regirung: Kaiser Tiberius, den er selbst soll erstecket haben/ hatte ihn zum Sohn und ReichsErben adoptiret: vielleicht den Nachruhm der Frommkeit auf sich zu bringen/ wann er einen so bösen Nachfolger liesse; oder aus Haß gegen den Römischen Raht/ den er also einem Scharfrichter zu übergeben die war anfangs tugendhaft. vermeinte. Gleichwol zeigte er sich im Anfang tugendhaft/ und nachdem er Kaiser Tiberio offentlich eine Leich-Lobrede gehalten/ erweckte er von sich eine grosse Hoffnung. Er nannte sich einen Sohn des Senats/ minderte und milderte Zinß und Steuer/ und bezahlte Kaiser Tiberii und der Liviae Legata mit eignem Geld. Jederman liebte ihn ohne das/ wegen seines dapfren Vatters/ sonderlich die Kriegsleute/ weil er bey ihnen erzogen worden/ die ihn den Frommen/ den Bästen/ und einen Sohn des Kriegslagers und Vatter des Kriegsheers nennten. Er war auch ein Liebhaber und Förderer der Studien: massen er zu Lyon in Franckreich ein Streit-Fest der Griech- und Latinischen Redner angestellet/ da die Uberwundene den Uberwindern zu Lobreden und zu schencken/ die aber/ welche gar übel bestunden/ ihre Gemäche selber von den Schreibtafeln abwischen und ablecken musten/ wann sie nicht mit Ruhten gestrichen oder in den Fluß wolten geworfen werden.

Seine Verartung. Er hat aber bald alle gute Art verlohren/ und ist ein wildes Wunderthier von einem Fürsten worden/ indem er/ als ein Schwein in allen Laster-Unflat Verschwenderey. sich gewelzet. Der Verschwendung ergabe er sich dermassen/ daß er in köstlichen Salben und Wassern gebadet/ in Essig zerschmolzene Perlen getrunken/ den Gästen güldene Brode und Speisen vorgesetzet/ darzu sagend: Man müste entweder vielgebig/ oder kein Kaiser seyn. Er übertraffe demnach alle Verschwender/ warf etliche Tage güldne Münzen aus dem Palast unter den Pöbel/ und ließ Schiffe von Cedern bauen/ die Hintertheile mit Edelstein sticken/ bunte Segel aufhängen/ Bäder/ Spazirgänge und Tafelzimmer darein bauen/ auch selbige mit Weinstöcken und anderen Fruchtbäumen bepflanzen: auf welchen er an dem schönen Meer-Ufer von Campanien auf- und abfuhre/ worbey Gesang und Musik aufspielen muste. In Aufbauung der Paläste und Mairhöfe/ suchte er mit grossem Kosten/ meist ohne Vernunft/ etwas hervorzubringen/ das sonst [Spaltenumbruch] unmüglich schiene. Kurz: er war in diesem Laster so unsinnig/ daß er/ ehe sein erstes Regirungsjahr verschienen/ die von Kaiser Tiberio hinterlassen 100 Millionen oder tausend Tonnen Gelds schon durchgejagt hatte.

Geitz. Auf Verschwendung muß notwendig der Geitz folgen/ welcher des Prachts und Frasses Rentmeister ist. Kaiser Caligula, nachdem er die Kammer geleeret/ erdachte unerhörte Auflagen/ triebe Kaufmanschaft mit den Aemtern/ steigerte die Zölle/ richtete zu Hof ein Hurhaus an/ und schickte seine Diener auf alle Plätze/ die musten Alte und Junge herzu nötigen/ die Unzucht um Geld zu kaufen. Er hatte sich in dieses ersamlete Gold so gar verliebet/ daß er sich oft nacket darinn herum gewalzet. Von iedem Rechtstritt aller Orten/ forderte er den 40 Pfennig des Gelds/ darum man kriegte: und wurden diejenigen gestraffet/ die mit einander sich gütlich vertrugen. Die Sackträger und Karchzieher/ musten ihm das Achtel von ihrem täglichen Verdienst geben. Die Huren/ ja die Ehweiber/ musten täglich einen Beyschlaff lösen. Er nötigte die Leute/ ihn zum Erben einzusetzen/ und wann sie alsdann nicht bald sturben/ liesse er sie mit Gift hinrichten/ und sagte lachend: Niemand müste sein Testament überleben. Er spielte auch immer um Geld/ und betroge im Spielen/ mit Schwören und Leugnen. Als er einsmals/ einem andern seine Partey anbefehlend/ in den Hof abgetretten/ und daselbst zween Ritter angetroffen/ von denen man ihm sagte/ daß sie sehr reich wären/ hat er sie einstecken und das ihrige einziehen lassen/ und als er zur Spielgesellschaft wiedergekehret/ mit frolocken gesprochen: Er hätte niemals in Spielen einen grössern Zug gethan.

Als Antonia, seine Großmutter/ ihn ermahnte/ sich anders zu verhalten/ gabe er ihr zur Antwort: Jhr müst aber wissen/ daß mir alles gegen allen erlaubt ist. Diesen ruchlosen Lehrsatz Unzucht. hat er auch fleissig geübet/ keinem Edlen Römer seine Frau unbefleckt gelassen/ seine eigne drey Schwestern beschlaffen/ und die zwo überlebende in eine Insel verbannet. Er pflegte auch offentlich zu sagen/ es könne ihm nichts angenehmer seyn/ als wann man unverschämt sey. Seine Schwester Drusillam nahme er ihrem Manne L. Cassio Longino, und behielte sie zur Gemahlin/ zeigte auch große Betrübnis/ als sie gestorben.

Grausamkeit. Weil er ihm alles erlaubet/ als muste auch die Grausamkeit bey ihm sich hervorlegen. Etliche Ratsherren ließe er tödten/ und doch in den Raht beruffen: gabe nachmals vor/ sie hätten sich selbst ermordet. Seine Großmutter Antoniam, als sie ihm einreden dörfen/ und seinen Schweher Sillanum, einen fürtrefflichen Mann/ welchen Kaiser Tiberius sehr wehrt gehalten/ brachte er mit giftigen Schmähworten dahin/ daß sie sich selbst zum Tod förderten. Er ließe auch/ seinen Bruder Tiberium tödten/ wie auch den Macron und dessen Frau Naeviam Enniam, mit der er vor der Regirung gebuhlet/ und durch sie darzu gelanget.

[Spaltenumbruch] gleichwie er auch dieser/ zu ihrem Manne wieder zu kehren oder einem andern die Ehliche Hand zu geben/ bey Leibsstraffe verbotten hat. Coesonia, die vierte/ wiewol sie weder schön noch jung war/ auch schon drey Töchter von einem andern hatte/ liebte er gantz unsinnig/ vielleicht darum/ weil sie so geil und frech/ wie er/ gewesen. Sie muste immer um ihn seyn/ und bisweilen in kriegerischer Tracht mit ihm reiten. Er pflage sie auch/ seinen Freunden/ zuweilen nacket zu zeigen. Man glaubte/ daß diese und andere seine Torheiten daher entstünden/ weil Caesonia, um nicht/ wie die zwey vorigen Gemahlinnen/ wieder fortgeschaffet zu werden/ wie gesagt/ ihme einen Liebtrank beygebracht: der aber so übel misgewirket.

Seine Regirung: Kaiser Tiberius, den er selbst soll erstecket haben/ hatte ihn zum Sohn und ReichsErben adoptiret: vielleicht den Nachruhm der Frommkeit auf sich zu bringen/ wann er einen so bösen Nachfolger liesse; oder aus Haß gegen den Römischen Raht/ den er also einem Scharfrichter zu übergeben die war anfangs tugendhaft. vermeinte. Gleichwol zeigte er sich im Anfang tugendhaft/ und nachdem er Kaiser Tiberio offentlich eine Leich-Lobrede gehalten/ erweckte er von sich eine grosse Hoffnung. Er nannte sich einen Sohn des Senats/ minderte und milderte Zinß und Steuer/ und bezahlte Kaiser Tiberii und der Liviae Legata mit eignem Geld. Jederman liebte ihn ohne das/ wegen seines dapfren Vatters/ sonderlich die Kriegsleute/ weil er bey ihnen erzogen worden/ die ihn den Frommen/ den Bästen/ und einen Sohn des Kriegslagers und Vatter des Kriegsheers nennten. Er war auch ein Liebhaber und Förderer der Studien: massen er zu Lyon in Franckreich ein Streit-Fest der Griech- und Latinischen Redner angestellet/ da die Uberwundene den Uberwindern zu Lobreden und zu schencken/ die aber/ welche gar übel bestunden/ ihre Gemäche selber von den Schreibtafeln abwischen und ablecken musten/ wann sie nicht mit Ruhten gestrichen oder in den Fluß wolten geworfen werden.

Seine Verartung. Er hat aber bald alle gute Art verlohren/ und ist ein wildes Wunderthier von einem Fürsten worden/ indem er/ als ein Schwein in allen Laster-Unflat Verschwenderey. sich gewelzet. Der Verschwendung ergabe er sich dermassen/ daß er in köstlichen Salben und Wassern gebadet/ in Essig zerschmolzene Perlen getrunken/ den Gästen güldene Brode und Speisen vorgesetzet/ darzu sagend: Man müste entweder vielgebig/ oder kein Kaiser seyn. Er übertraffe demnach alle Verschwender/ warf etliche Tage güldne Münzen aus dem Palast unter den Pöbel/ und ließ Schiffe von Cedern bauen/ die Hintertheile mit Edelstein sticken/ bunte Segel aufhängen/ Bäder/ Spazirgänge und Tafelzimmer darein bauen/ auch selbige mit Weinstöcken und anderen Fruchtbäumen bepflanzen: auf welchen er an dem schönen Meer-Ufer von Campanien auf- und abfuhre/ worbey Gesang und Musik aufspielen muste. In Aufbauung der Paläste und Mairhöfe/ suchte er mit grossem Kosten/ meist ohne Vernunft/ etwas hervorzubringen/ das sonst [Spaltenumbruch] unmüglich schiene. Kurz: er war in diesem Laster so unsinnig/ daß er/ ehe sein erstes Regirungsjahr verschienen/ die von Kaiser Tiberio hinterlassen 100 Millionen oder tausend Tonnen Gelds schon durchgejagt hatte.

Geitz. Auf Verschwendung muß notwendig der Geitz folgen/ welcher des Prachts und Frasses Rentmeister ist. Kaiser Caligula, nachdem er die Kammer geleeret/ erdachte unerhörte Auflagen/ triebe Kaufmanschaft mit den Aemtern/ steigerte die Zölle/ richtete zu Hof ein Hurhaus an/ und schickte seine Diener auf alle Plätze/ die musten Alte und Junge herzu nötigen/ die Unzucht um Geld zu kaufen. Er hatte sich in dieses ersamlete Gold so gar verliebet/ daß er sich oft nacket darinn herum gewalzet. Von iedem Rechtstritt aller Orten/ forderte er den 40 Pfennig des Gelds/ darum man kriegte: und wurden diejenigen gestraffet/ die mit einander sich gütlich vertrugen. Die Sackträger und Karchzieher/ musten ihm das Achtel von ihrem täglichen Verdienst geben. Die Huren/ ja die Ehweiber/ musten täglich einen Beyschlaff lösen. Er nötigte die Leute/ ihn zum Erben einzusetzen/ und wann sie alsdann nicht bald sturben/ liesse er sie mit Gift hinrichten/ und sagte lachend: Niemand müste sein Testament überleben. Er spielte auch immer um Geld/ und betroge im Spielen/ mit Schwören und Leugnen. Als er einsmals/ einem andern seine Partey anbefehlend/ in den Hof abgetretten/ und daselbst zween Ritter angetroffen/ von denen man ihm sagte/ daß sie sehr reich wären/ hat er sie einstecken und das ihrige einziehen lassen/ und als er zur Spielgesellschaft wiedergekehret/ mit frolocken gesprochen: Er hätte niemals in Spielen einen grössern Zug gethan.

Als Antonia, seine Großmutter/ ihn ermahnte/ sich anders zu verhalten/ gabe er ihr zur Antwort: Jhr müst aber wissen/ daß mir alles gegen allen erlaubt ist. Diesen ruchlosen Lehrsatz Unzucht. hat er auch fleissig geübet/ keinem Edlen Römer seine Frau unbefleckt gelassen/ seine eigne drey Schwestern beschlaffen/ und die zwo überlebende in eine Insel verbannet. Er pflegte auch offentlich zu sagen/ es könne ihm nichts angenehmer seyn/ als wann man unverschämt sey. Seine Schwester Drusillam nahme er ihrem Manne L. Cassio Longino, und behielte sie zur Gemahlin/ zeigte auch große Betrübnis/ als sie gestorben.

Grausamkeit. Weil er ihm alles erlaubet/ als muste auch die Grausamkeit bey ihm sich hervorlegen. Etliche Ratsherren ließe er tödten/ und doch in den Raht beruffen: gabe nachmals vor/ sie hätten sich selbst ermordet. Seine Großmutter Antoniam, als sie ihm einreden dörfen/ und seinen Schweher Sillanum, einen fürtrefflichen Mann/ welchen Kaiser Tiberius sehr wehrt gehalten/ brachte er mit giftigen Schmähworten dahin/ daß sie sich selbst zum Tod förderten. Er ließe auch/ seinen Bruder Tiberium tödten/ wie auch den Macron und dessen Frau Naeviam Enniam, mit der er vor der Regirung gebuhlet/ und durch sie darzu gelanget.

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[[II (Skulptur), S. 37]/0051] gleichwie er auch dieser/ zu ihrem Manne wieder zu kehren oder einem andern die Ehliche Hand zu geben/ bey Leibsstraffe verbotten hat. Coesonia, die vierte/ wiewol sie weder schön noch jung war/ auch schon drey Töchter von einem andern hatte/ liebte er gantz unsinnig/ vielleicht darum/ weil sie so geil und frech/ wie er/ gewesen. Sie muste immer um ihn seyn/ und bisweilen in kriegerischer Tracht mit ihm reiten. Er pflage sie auch/ seinen Freunden/ zuweilen nacket zu zeigen. Man glaubte/ daß diese und andere seine Torheiten daher entstünden/ weil Caesonia, um nicht/ wie die zwey vorigen Gemahlinnen/ wieder fortgeschaffet zu werden/ wie gesagt/ ihme einen Liebtrank beygebracht: der aber so übel misgewirket. Kaiser Tiberius, den er selbst soll erstecket haben/ hatte ihn zum Sohn und ReichsErben adoptiret: vielleicht den Nachruhm der Frommkeit auf sich zu bringen/ wann er einen so bösen Nachfolger liesse; oder aus Haß gegen den Römischen Raht/ den er also einem Scharfrichter zu übergeben vermeinte. Gleichwol zeigte er sich im Anfang tugendhaft/ und nachdem er Kaiser Tiberio offentlich eine Leich-Lobrede gehalten/ erweckte er von sich eine grosse Hoffnung. Er nannte sich einen Sohn des Senats/ minderte und milderte Zinß und Steuer/ und bezahlte Kaiser Tiberii und der Liviae Legata mit eignem Geld. Jederman liebte ihn ohne das/ wegen seines dapfren Vatters/ sonderlich die Kriegsleute/ weil er bey ihnen erzogen worden/ die ihn den Frommen/ den Bästen/ und einen Sohn des Kriegslagers und Vatter des Kriegsheers nennten. Er war auch ein Liebhaber und Förderer der Studien: massen er zu Lyon in Franckreich ein Streit-Fest der Griech- und Latinischen Redner angestellet/ da die Uberwundene den Uberwindern zu Lobreden und zu schencken/ die aber/ welche gar übel bestunden/ ihre Gemäche selber von den Schreibtafeln abwischen und ablecken musten/ wann sie nicht mit Ruhten gestrichen oder in den Fluß wolten geworfen werden. Seine Regirung: die war anfangs tugendhaft. Er hat aber bald alle gute Art verlohren/ und ist ein wildes Wunderthier von einem Fürsten worden/ indem er/ als ein Schwein in allen Laster-Unflat sich gewelzet. Der Verschwendung ergabe er sich dermassen/ daß er in köstlichen Salben und Wassern gebadet/ in Essig zerschmolzene Perlen getrunken/ den Gästen güldene Brode und Speisen vorgesetzet/ darzu sagend: Man müste entweder vielgebig/ oder kein Kaiser seyn. Er übertraffe demnach alle Verschwender/ warf etliche Tage güldne Münzen aus dem Palast unter den Pöbel/ und ließ Schiffe von Cedern bauen/ die Hintertheile mit Edelstein sticken/ bunte Segel aufhängen/ Bäder/ Spazirgänge und Tafelzimmer darein bauen/ auch selbige mit Weinstöcken und anderen Fruchtbäumen bepflanzen: auf welchen er an dem schönen Meer-Ufer von Campanien auf- und abfuhre/ worbey Gesang und Musik aufspielen muste. In Aufbauung der Paläste und Mairhöfe/ suchte er mit grossem Kosten/ meist ohne Vernunft/ etwas hervorzubringen/ das sonst unmüglich schiene. Kurz: er war in diesem Laster so unsinnig/ daß er/ ehe sein erstes Regirungsjahr verschienen/ die von Kaiser Tiberio hinterlassen 100 Millionen oder tausend Tonnen Gelds schon durchgejagt hatte. Seine Verartung. Verschwenderey. Auf Verschwendung muß notwendig der Geitz folgen/ welcher des Prachts und Frasses Rentmeister ist. Kaiser Caligula, nachdem er die Kammer geleeret/ erdachte unerhörte Auflagen/ triebe Kaufmanschaft mit den Aemtern/ steigerte die Zölle/ richtete zu Hof ein Hurhaus an/ und schickte seine Diener auf alle Plätze/ die musten Alte und Junge herzu nötigen/ die Unzucht um Geld zu kaufen. Er hatte sich in dieses ersamlete Gold so gar verliebet/ daß er sich oft nacket darinn herum gewalzet. Von iedem Rechtstritt aller Orten/ forderte er den 40 Pfennig des Gelds/ darum man kriegte: und wurden diejenigen gestraffet/ die mit einander sich gütlich vertrugen. Die Sackträger und Karchzieher/ musten ihm das Achtel von ihrem täglichen Verdienst geben. Die Huren/ ja die Ehweiber/ musten täglich einen Beyschlaff lösen. Er nötigte die Leute/ ihn zum Erben einzusetzen/ und wann sie alsdann nicht bald sturben/ liesse er sie mit Gift hinrichten/ und sagte lachend: Niemand müste sein Testament überleben. Er spielte auch immer um Geld/ und betroge im Spielen/ mit Schwören und Leugnen. Als er einsmals/ einem andern seine Partey anbefehlend/ in den Hof abgetretten/ und daselbst zween Ritter angetroffen/ von denen man ihm sagte/ daß sie sehr reich wären/ hat er sie einstecken und das ihrige einziehen lassen/ und als er zur Spielgesellschaft wiedergekehret/ mit frolocken gesprochen: Er hätte niemals in Spielen einen grössern Zug gethan. Geitz.Als Antonia, seine Großmutter/ ihn ermahnte/ sich anders zu verhalten/ gabe er ihr zur Antwort: Jhr müst aber wissen/ daß mir alles gegen allen erlaubt ist. Diesen ruchlosen Lehrsatz hat er auch fleissig geübet/ keinem Edlen Römer seine Frau unbefleckt gelassen/ seine eigne drey Schwestern beschlaffen/ und die zwo überlebende in eine Insel verbannet. Er pflegte auch offentlich zu sagen/ es könne ihm nichts angenehmer seyn/ als wann man unverschämt sey. Seine Schwester Drusillam nahme er ihrem Manne L. Cassio Longino, und behielte sie zur Gemahlin/ zeigte auch große Betrübnis/ als sie gestorben. Unzucht. Weil er ihm alles erlaubet/ als muste auch die Grausamkeit bey ihm sich hervorlegen. Etliche Ratsherren ließe er tödten/ und doch in den Raht beruffen: gabe nachmals vor/ sie hätten sich selbst ermordet. Seine Großmutter Antoniam, als sie ihm einreden dörfen/ und seinen Schweher Sillanum, einen fürtrefflichen Mann/ welchen Kaiser Tiberius sehr wehrt gehalten/ brachte er mit giftigen Schmähworten dahin/ daß sie sich selbst zum Tod förderten. Er ließe auch/ seinen Bruder Tiberium tödten/ wie auch den Macron und dessen Frau Naeviam Enniam, mit der er vor der Regirung gebuhlet/ und durch sie darzu gelanget. Grausamkeit.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679, S. [II (Skulptur), S. 37]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0202_1679/51>, abgerufen am 29.03.2024.