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Sanders, Daniel: Brief an Ernst Ziel. Altstrelitz, 18. Juni 1881.

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einen steigenden, sondern einen sinkenden Spondeus bildet, so werden Sie, glaube
ich, gegen den Pentameter metrisch Nichts mehr einwenden
Holpricht ist der Hexameter zwar, doch wird das Gedicht stets
Bleiben uns Deutschland's Stolz, bleiben die Probe der Kunst.
(Ich sage absichtlich und ausdrücklich: metrisch Nichts mehr einwenden; denn daß ich die zusammentreffenden Zischlaute in "uns Deutschlands Stolz" euphonisch nicht billige,
ist richtig, aber für das Metrische ohne Belang). Wollten Sie nun aber mit
Rücksicht auf die Euphonie lieber ändern:
Bleiben für Deutschland ein Stolz pp.,
so würde ich das metrisch nicht als Verbesserung anzuerkennen im Stande sein,
sondern demn Palimbacchius - - Breve statt des Daktylus als hart bezeichnen.
Dies aber - und nur dies - ist der Punkt, in dem ich für Ihre Behandlung
der Distichen eine strengere Abwägung der Quantität gewünscht habe.

Es wäre mir natürlich lieb, wenn Sie nach dieser Erörterung mir
vollständig zustimmen könnten; aber seien Sie überzeugt, daß für
mich die Beziehungen zwischen uns nicht im geringsten verkürzt werden, wenn
Sie fortfahren, die Quantität von Land in Deutschland pp. dem Accent zu Liebe für mein Ohr
ein wenig zu sehr zu verkürzen. Bin ich doch vollkommen von Ihnen
überzeugt, daß Sie mir es freundlich zu Gute halten, wenn ich in der
Silbenwägung für Ihre Accentgefühl allzustrenge bin.

Jedenfalls wird es Sie freuen, zu hören, daß jetzt von mei-
ner "Verskunst" die 2te und von meinen "Sprachbriefen" die 3te Auflage
erscheint. Wesentliche Änderungen habe ich in beiden Arbeiten nicht vor-
genommen; doch habe ich Auftrag gegeben, daß Ihnen sofort nach dem
Erscheinen der 1. Brief von den "Sprachbriefen" zugehe. Nehmen Sie
die Sendung freundlich auf als ein Zeichen herzlichen Danks für
die freundliche Förderung, die Sie meinen Arbeiten durch Ihre
Empfehlung in der "Gartenlaube" haben zu Theil werden lassen.

In ganz kurzer Zeit wird Ihnen aber auch noch ein anderes
Heft von mir durch den Verleger zugesandt werden, nämlich das 5. Heft
meines "Ergänzungs-Wörterbuches". Ich weiß nicht, ob ich Ihnen früher
schon geschrieben, wie schlimm es mir mit diesem Werk gegangen
dadurch, daß der ursprüngliche Verleger nach dem Erscheinen des

einen steigenden, sondern einen sinkenden Spondeus bildet, so werden Sie, glaube
ich, gegen den Pentameter metrisch Nichts mehr einwenden
Holpricht ist der Hexameter zwar, doch wird das Gedicht stets
Bleiben uns Deutschland's Stolz, bleiben die Probe der Kunst.
(Ich sage absichtlich und ausdrücklich: metrisch Nichts mehr einwenden; deñ daß ich die zusammentreffenden Zischlaute in „uns Deutschlands Stolz“ euphonisch nicht billige,
ist richtig, aber für das Metrische ohne Belang). Wollten Sie nun aber mit
Rücksicht auf die Euphonie lieber ändern:
Bleiben für Deūtschlā̆nd eĭn Stolz pp.,
so würde ich das metrisch nicht als Verbesserung anzuerkennen im Stande sein,
sondern demn Palimbacchius – – ⏑ statt des Daktylus als hart bezeichnen.
Dies aber – und nur dies – ist der Punkt, in dem ich für Ihre Behandlung
der Distichen eine strengere Abwägung der Quantität gewünscht habe.

Es wäre mir natürlich lieb, weñ Sie nach dieser Erörterung mir
vollständig zustim̃en könnten; aber seien Sie überzeugt, daß für
mich die Beziehungen zwischen uns nicht im geringsten verkürzt werden, weñ
Sie fortfahren, die Quantität von Land in Deutschland pp. dem Accent zu Liebe für mein Ohr
ein wenig zu sehr zu verkürzen. Bin ich doch vollkom̃en von Ihnen
überzeugt, daß Sie mir es freundlich zu Gute halten, weñ ich in der
Silbenwägung für Ihre Accentgefühl allzustrenge bin.

Jedenfalls wird es Sie freuen, zu hören, daß jetzt von mei-
ner „Verskunst“ die 2te und von meinen „Sprachbriefen“ die 3te Auflage
erscheint. Wesentliche Änderungen habe ich in beiden Arbeiten nicht vor-
genom̃en; doch habe ich Auftrag gegeben, daß Ihnen sofort nach dem
Erscheinen der 1. Brief von den „Sprachbriefen“ zugehe. Nehmen Sie
die Sendung freundlich auf als ein Zeichen herzlichen Danks für
die freundliche Förderung, die Sie meinen Arbeiten durch Ihre
Empfehlung in der „Gartenlaube“ haben zu Theil werden lassen.

In ganz kurzer Zeit wird Ihnen aber auch noch ein anderes
Heft von mir durch den Verleger zugesandt werden, nämlich das 5. Heft
meines „Ergänzungs-Wörterbuches“. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen früher
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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Ernst Ziel. Altstrelitz, 18. Juni 1881, S. [1v]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_ziel4_1881/2>, abgerufen am 19.04.2024.