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Sanders, Daniel: Brief an Karl Gutzkow. Altstrelitz, 29. August 1856.

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[ten] Werk urtheilten, das Publikum würde darin nachschlagen
können, "ob angehen mit mir oder mich konstruiert wird;
ob man religios oder religiös sagen muß und so weiter"-
Zu desgleichen hielt man durch meinen "Ton gegen die Grimm" sich
berechtigt; aber noch heute bin ich nicht im Stande, den die
Grimm nicht verletzenden Ton zu finden, wenn ich wahrheits-
gemäß ihre überall, nicht etwa nur vereinzelt, sich
findenden Verstöße besprechen soll, zumal da, wo sie deut-
sche Schriftsteller "berichtigen". Ich wünschte wohl, geehrter
Herr, daß Sie einmal Muße fänden, nun das rathlos schwan-
kende Urtheil der Grimm über biegen und beugen unter
den Zusammensetzungen mit ab, auf, aus und dann unter
den Wörtern selbst durchzulesen, und ich wäre be-
gierig, den Ton zu hören, in welchem Sie nicht bloß
die I 1743 erhaltene Belehrung beurtheilten:

"Man könnte unterscheiden: ich will mein Knie biegen,
von: ich will dein Knie beugen, machen, daß du es biegst; nicht
anders: ich biege meinen Hals, ich beuge deinen Hals"
pp.,
sondern auch ebenda die Berichtigung(!), daß in einer
Stelle bei Claudius: "Wir nehmen das Geheimnis mit gebeug-
ter
[demüthig gesenkter] Stirne an"
es vielmehr "gebogener"
heißen müßte! - Ich will hier keine Beispiele häufen und
ersuche Sie daher nur, in dem letzten Heft den kurzen
Artikel "Dase" zu lesen, worin ohne Weiteres gesagt
wird, daß Luther ein von ihm gebrauchtes und von ihm

[ten] Werk urtheilten, das Publikum würde darin nachschlagen
köñen, „ob angehen mit mir oder mich konstruiert wird;
ob man religios oder religiös sagen muß und so weiter“–
Zu desgleichen hielt man durch meinen „Ton gegen die Grim̃“ sich
berechtigt; aber noch heute bin ich nicht im Stande, den die
Grim̃ nicht verletzenden Ton zu finden, weñ ich wahrheits-
gemäß ihre überall, nicht etwa nur vereinzelt, sich
findenden Verstöße besprechen soll, zumal da, wo sie deut-
sche Schriftsteller „berichtigen“. Ich wünschte wohl, geehrter
Herr, daß Sie einmal Muße fänden, nun das rathlos schwan-
kende Urtheil der Grim̃ über biegen und beugen unter
den Zusammensetzungen mit ab, auf, aus und dañ unter
den Wörtern selbst durchzulesen, und ich wäre be-
gierig, den Ton zu hören, in welchem Sie nicht bloß
die I 1743 erhaltene Belehrung beurtheilten:

„Man könnte unterscheiden: ich will mein Knie biegen,
von: ich will dein Knie beugen, machen, daß du es biegst; nicht
anders: ich biege meinen Hals, ich beuge deinen Hals
pp.,
sondern auch ebenda die Berichtigung(!), daß in einer
Stelle bei Claudius: „Wir nehmen das Geheimnis mit gebeug-
ter
[demüthig gesenkter] Stirne an“
es vielmehr „gebogener
heißen müßte! – Ich will hier keine Beispiele häufen und
ersuche Sie daher nur, in dem letzten Heft den kurzen
Artikel „Dase“ zu lesen, worin ohne Weiteres gesagt
wird, daß Luther ein von ihm gebrauchtes und von ihm

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[[2r]/0003] ten Werk urtheilten, das Publikum würde darin nachschlagen köñen, „ob angehen mit mir oder mich konstruiert wird; ob man religios oder religiös sagen muß u.s.w.“– Zu dgl. hielt man durch meinen „Ton gegen die Grim̃“ sich berechtigt; aber noch heute bin ich nicht im Stande, den die Grim̃ nicht verletzenden Ton zu finden, weñ ich wahrheits- gemäß ihre überall, nicht etwa nur vereinzelt, sich findenden Verstöße besprechen soll, zumal da, wo sie deut- sche Schriftsteller „berichtigen“. Ich wünschte wohl, geehrter Herr, daß Sie einmal Muße fänden, nun das rathlos schwan- kende Urtheil der Grim̃ über biegen u. beugen unter den Zusammensetzungen mit ab, auf, aus u. dañ unter den Wörtern selbst durchzulesen, und ich wäre be- gierig, den Ton zu hören, in welchem Sie nicht bloß die I 1743 erhaltene Belehrung beurtheilten: „Man könnte unterscheiden: ich will mein Knie biegen, von: ich will dein Knie beugen, machen, daß du es biegst; nicht anders: ich biege meinen Hals, ich beuge deinen Hals“ p., sondern auch ebenda die Berichtigung(!), daß in einer Stelle bei Claudius: „Wir nehmen das Geheimnis mit gebeug- ter [demüthig gesenkter] Stirne an“ es vielmehr „gebogener“ heißen müßte! – Ich will hier keine Beispiele häufen und ersuche Sie daher nur, in dem letzten Heft den kurzen Artikel „Dase“ zu lesen, worin ohne Weiteres gesagt wird, daß Luther ein von ihm gebrauchtes und von ihm

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Sebastian Göttel: Herausgeber.
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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Karl Gutzkow. Altstrelitz, 29. August 1856, S. [2r]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_gutzkow_1856/3>, abgerufen am 28.03.2024.