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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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In Dillingen selbst merkte ich nichts von der Uni-
versität. Die Studenten waren meist in den Ferien.
Ich sah aber einer Exekution zu, die mir von der Polizei
der Stadt einen schlechten Begriff machte. Ein Dieb,
der Eicheln im Walde vor der Zeit gestohlen hatte, ward
auf dem Markte mit den Füssen in den Block gespannt,
die Hände aber waren so schlecht und nachlässig einge-
zwängt worden, daß er sie losmachen, und mit Steinen
auf die umstehenden Buben werfen konnte. Man er-
laubte ihm dies, so wie die bösen und zornmüthigen Reden,
die der Kerl aussties. Das Gerichtshaus war der Sce-
ne gegenüber, und doch stand keine öffentliche Person da-
bei, die den Dieb in der Furcht erhalten hätte. Natür-
lich machte die Strafe unter diesen Umständen gar keinen
Eindruck auf die Zuschauer, und dieser Akt der strafen-
den Gerechtigkeit verwandelte sich in eine Opera buffa
oder in ein Possenspiel für den Pöbel. Was nützen denn
Strafen, wenn der Richter nicht einmal so viel Klugheit
hat, ihnen ein feierliches Ansehen zu geben, und wenn
dem Missethäter noch gestattet wird, in dem Augenblicke,
da er Strafe leiden soll, seinem Muthwillen auf die al-
lergröbste Art freien Lauf zu lassen?

Auf dieser Strasse traf ich eine eigne Spielart von
Schweinen an, die fast am ganzen Leibe roth, fuchs-
roth, und sehr klein waren. Die Leute sollten die Gat-
tung durch Eber aus andern Gegenden verbessern. Man
sagt auch, daß in Bayern fast alle Schweine die Finnen
hätten. Ueberhaupt sollte sich die Polizei mehr um die-
ses Thier bekümmern, weil es in der Haushaltung des
Bauern unentbehrlich, und doch mehr als irgend ein öko-
nomisches Thier zu Krankheiten geneigt ist.

Der

In Dillingen ſelbſt merkte ich nichts von der Uni-
verſitaͤt. Die Studenten waren meiſt in den Ferien.
Ich ſah aber einer Exekution zu, die mir von der Polizei
der Stadt einen ſchlechten Begriff machte. Ein Dieb,
der Eicheln im Walde vor der Zeit geſtohlen hatte, ward
auf dem Markte mit den Fuͤſſen in den Block geſpannt,
die Haͤnde aber waren ſo ſchlecht und nachlaͤſſig einge-
zwaͤngt worden, daß er ſie losmachen, und mit Steinen
auf die umſtehenden Buben werfen konnte. Man er-
laubte ihm dies, ſo wie die boͤſen und zornmuͤthigen Reden,
die der Kerl ausſties. Das Gerichtshaus war der Sce-
ne gegenuͤber, und doch ſtand keine oͤffentliche Perſon da-
bei, die den Dieb in der Furcht erhalten haͤtte. Natuͤr-
lich machte die Strafe unter dieſen Umſtaͤnden gar keinen
Eindruck auf die Zuſchauer, und dieſer Akt der ſtrafen-
den Gerechtigkeit verwandelte ſich in eine Opera buffa
oder in ein Poſſenſpiel fuͤr den Poͤbel. Was nuͤtzen denn
Strafen, wenn der Richter nicht einmal ſo viel Klugheit
hat, ihnen ein feierliches Anſehen zu geben, und wenn
dem Miſſethaͤter noch geſtattet wird, in dem Augenblicke,
da er Strafe leiden ſoll, ſeinem Muthwillen auf die al-
lergroͤbſte Art freien Lauf zu laſſen?

Auf dieſer Straſſe traf ich eine eigne Spielart von
Schweinen an, die faſt am ganzen Leibe roth, fuchs-
roth, und ſehr klein waren. Die Leute ſollten die Gat-
tung durch Eber aus andern Gegenden verbeſſern. Man
ſagt auch, daß in Bayern faſt alle Schweine die Finnen
haͤtten. Ueberhaupt ſollte ſich die Polizei mehr um die-
ſes Thier bekuͤmmern, weil es in der Haushaltung des
Bauern unentbehrlich, und doch mehr als irgend ein oͤko-
nomiſches Thier zu Krankheiten geneigt iſt.

Der
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[52/0090] In Dillingen ſelbſt merkte ich nichts von der Uni- verſitaͤt. Die Studenten waren meiſt in den Ferien. Ich ſah aber einer Exekution zu, die mir von der Polizei der Stadt einen ſchlechten Begriff machte. Ein Dieb, der Eicheln im Walde vor der Zeit geſtohlen hatte, ward auf dem Markte mit den Fuͤſſen in den Block geſpannt, die Haͤnde aber waren ſo ſchlecht und nachlaͤſſig einge- zwaͤngt worden, daß er ſie losmachen, und mit Steinen auf die umſtehenden Buben werfen konnte. Man er- laubte ihm dies, ſo wie die boͤſen und zornmuͤthigen Reden, die der Kerl ausſties. Das Gerichtshaus war der Sce- ne gegenuͤber, und doch ſtand keine oͤffentliche Perſon da- bei, die den Dieb in der Furcht erhalten haͤtte. Natuͤr- lich machte die Strafe unter dieſen Umſtaͤnden gar keinen Eindruck auf die Zuſchauer, und dieſer Akt der ſtrafen- den Gerechtigkeit verwandelte ſich in eine Opera buffa oder in ein Poſſenſpiel fuͤr den Poͤbel. Was nuͤtzen denn Strafen, wenn der Richter nicht einmal ſo viel Klugheit hat, ihnen ein feierliches Anſehen zu geben, und wenn dem Miſſethaͤter noch geſtattet wird, in dem Augenblicke, da er Strafe leiden ſoll, ſeinem Muthwillen auf die al- lergroͤbſte Art freien Lauf zu laſſen? Auf dieſer Straſſe traf ich eine eigne Spielart von Schweinen an, die faſt am ganzen Leibe roth, fuchs- roth, und ſehr klein waren. Die Leute ſollten die Gat- tung durch Eber aus andern Gegenden verbeſſern. Man ſagt auch, daß in Bayern faſt alle Schweine die Finnen haͤtten. Ueberhaupt ſollte ſich die Polizei mehr um die- ſes Thier bekuͤmmern, weil es in der Haushaltung des Bauern unentbehrlich, und doch mehr als irgend ein oͤko- nomiſches Thier zu Krankheiten geneigt iſt. Der

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/90>, abgerufen am 25.04.2024.