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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Anfassen! Von Rubens noch einmahl Petrus und
Paulus. Eine Lukretia von Giordano. Der
Bethlehemitische Knabenmord, Rubens schönstes
Stück ausser der Abnehmung vom Kreuz etc. Man
muß über die Phantasie des grossen Mannes, aber noch
mehr über die Leichtigkeit, womit er alles hinwarf, er-
staunen. Wie die Weiber mit den Soldaten umgehen!
Wie sie sie hernehmen, ihnen in die Haare, ins Gesicht
fallen, sie in den Arm beissen, sie anpacken, wie gereitzte
Tyger! Es fällt in die Augen, daß in der Seele des lie-
benswürdigen Künstlers Gedanken und Bilder sich
drängten, wie Wellen auf Wellen stürzen. Diesem feu-
rigen Stücke gegenüber hängt ein herrliches Frauenbild
von Vandyck, das eben so ruhig, fest und bestimmt
ist, als jenes hinreissend und überwallend.

Nach diesem folgt noch die Gallerie, und erlauben
Sie mir, nur noch einige Stücke auszuzeichnen. Die
Geschichte der Ehebrecherin von Lukas Cranach. Da
bringt ein Pharisäer, ein abscheulicher Bösewicht, mit
einem greulichen abgefeimten Gesicht, so recht wie ein
Erzbonze, schon einen Hut voll Steine, und will eben
auf das arme Weib werfen, und Christus steht so ruhig,
so mitleidig, so menschlich darneben, und winkt nur. Ei-
ne Dido mit dem Askanius und Aeneas von Laires-
se.
Zwei herrliche Dominichinos, nämlich Herku-
les,
wie er spinnt, und ein rasender Herkules. Von
Vandyck seine eigene Frau, ein Karl V. und Correg-
gio
's heilige Familie, die sich gleich vor allen andern aus-
zeichnet.

Unter
Zweiter Theil. D

Anfaſſen! Von Rubens noch einmahl Petrus und
Paulus. Eine Lukretia von Giordano. Der
Bethlehemitiſche Knabenmord, Rubens ſchoͤnſtes
Stuͤck auſſer der Abnehmung vom Kreuz ꝛc. Man
muß uͤber die Phantaſie des groſſen Mannes, aber noch
mehr uͤber die Leichtigkeit, womit er alles hinwarf, er-
ſtaunen. Wie die Weiber mit den Soldaten umgehen!
Wie ſie ſie hernehmen, ihnen in die Haare, ins Geſicht
fallen, ſie in den Arm beiſſen, ſie anpacken, wie gereitzte
Tyger! Es faͤllt in die Augen, daß in der Seele des lie-
benswuͤrdigen Kuͤnſtlers Gedanken und Bilder ſich
draͤngten, wie Wellen auf Wellen ſtuͤrzen. Dieſem feu-
rigen Stuͤcke gegenuͤber haͤngt ein herrliches Frauenbild
von Vandyck, das eben ſo ruhig, feſt und beſtimmt
iſt, als jenes hinreiſſend und uͤberwallend.

Nach dieſem folgt noch die Gallerie, und erlauben
Sie mir, nur noch einige Stuͤcke auszuzeichnen. Die
Geſchichte der Ehebrecherin von Lukas Cranach. Da
bringt ein Phariſaͤer, ein abſcheulicher Boͤſewicht, mit
einem greulichen abgefeimten Geſicht, ſo recht wie ein
Erzbonze, ſchon einen Hut voll Steine, und will eben
auf das arme Weib werfen, und Chriſtus ſteht ſo ruhig,
ſo mitleidig, ſo menſchlich darneben, und winkt nur. Ei-
ne Dido mit dem Aſkanius und Aeneas von Laireſ-
ſe.
Zwei herrliche Dominichinos, naͤmlich Herku-
les,
wie er ſpinnt, und ein raſender Herkules. Von
Vandyck ſeine eigene Frau, ein Karl V. und Correg-
gio
’s heilige Familie, die ſich gleich vor allen andern aus-
zeichnet.

Unter
Zweiter Theil. D
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[49/0087] Anfaſſen! Von Rubens noch einmahl Petrus und Paulus. Eine Lukretia von Giordano. Der Bethlehemitiſche Knabenmord, Rubens ſchoͤnſtes Stuͤck auſſer der Abnehmung vom Kreuz ꝛc. Man muß uͤber die Phantaſie des groſſen Mannes, aber noch mehr uͤber die Leichtigkeit, womit er alles hinwarf, er- ſtaunen. Wie die Weiber mit den Soldaten umgehen! Wie ſie ſie hernehmen, ihnen in die Haare, ins Geſicht fallen, ſie in den Arm beiſſen, ſie anpacken, wie gereitzte Tyger! Es faͤllt in die Augen, daß in der Seele des lie- benswuͤrdigen Kuͤnſtlers Gedanken und Bilder ſich draͤngten, wie Wellen auf Wellen ſtuͤrzen. Dieſem feu- rigen Stuͤcke gegenuͤber haͤngt ein herrliches Frauenbild von Vandyck, das eben ſo ruhig, feſt und beſtimmt iſt, als jenes hinreiſſend und uͤberwallend. Nach dieſem folgt noch die Gallerie, und erlauben Sie mir, nur noch einige Stuͤcke auszuzeichnen. Die Geſchichte der Ehebrecherin von Lukas Cranach. Da bringt ein Phariſaͤer, ein abſcheulicher Boͤſewicht, mit einem greulichen abgefeimten Geſicht, ſo recht wie ein Erzbonze, ſchon einen Hut voll Steine, und will eben auf das arme Weib werfen, und Chriſtus ſteht ſo ruhig, ſo mitleidig, ſo menſchlich darneben, und winkt nur. Ei- ne Dido mit dem Aſkanius und Aeneas von Laireſ- ſe. Zwei herrliche Dominichinos, naͤmlich Herku- les, wie er ſpinnt, und ein raſender Herkules. Von Vandyck ſeine eigene Frau, ein Karl V. und Correg- gio’s heilige Familie, die ſich gleich vor allen andern aus- zeichnet. Unter Zweiter Theil. D

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/87>, abgerufen am 28.03.2024.