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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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nun weiter keine Forderungen mehr an sie machen wolle.
Nur eine Viertelstunde vom Thor liegt Altona, eine ar-
tige Stadt, diese schon unter Dänischer Hoheit steht.
Der König von Preussen hat dem Handel der Stadt
auch Schaden gethan. Die Kaufleute sagen, er schade
sich und seinen Unterthanen zugleich, denn der Handel
müsse Freiheit haben. Der neueste Befehl ist, daß
keine Hamburgische und Holländische Heringe mehr
nach dem Königreiche geführt werden sollen.

Gegen das Betteln auf der Strasse, das ehemals
hier gewaltig stark war, sind Arbeitshäuser angelegt, und
Vögte bestellt. Aber viele hundert Mädchen sollen im-
mer ohne Dienst herumlaufen, und ihr vorher Erworbe-
nes verzehren, weil Domestiken hier sehr eigensinnig sind,
viel Lohn bekommen, aber sich selbst Kaffee etc. halten und
aufkündigen können, wenn sie wollen. In vielen Häu-
sern sind alle halbe Jahre andre Mädchen. Die Haus-
frauen beschweren sich selbst darüber.

Jetzt hält die Republik nur 1500. Soldaten, ehe-
mals 2000, aber das Geld fehlt. Dazu kommen noch
40-50. Dragoner mit schönen Pferden. Die Kleidung
ist roth mit blauen Aufschlägen, weissen Beinkleidern
und blechernen Mützen. Der Generalmajor von Loo
ist ein vortreflicher Mann, und eine schöne Person. Um
9. Uhr ist Wachparade. Es stehen wohl 300. immer
Schildwache. Die Hauptwache ist 30. Mann stark.
Ein gemeiner Mann bekömmt monatlich 2. Thaler. Der
Offizier 8, 10, 12 etc. Thaler. Das Exerzitium ist das
Kaiserliche, geht aber lahm. Im Mai müssen sie auch
im freien Felde exerziren, abfeuern, Bomben werfen.
Man sieht viele alte, kleine Leute darunter. Die auf

die
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nun weiter keine Forderungen mehr an ſie machen wolle.
Nur eine Viertelſtunde vom Thor liegt Altona, eine ar-
tige Stadt, dieſe ſchon unter Daͤniſcher Hoheit ſteht.
Der Koͤnig von Preuſſen hat dem Handel der Stadt
auch Schaden gethan. Die Kaufleute ſagen, er ſchade
ſich und ſeinen Unterthanen zugleich, denn der Handel
muͤſſe Freiheit haben. Der neueſte Befehl iſt, daß
keine Hamburgiſche und Hollaͤndiſche Heringe mehr
nach dem Koͤnigreiche gefuͤhrt werden ſollen.

Gegen das Betteln auf der Straſſe, das ehemals
hier gewaltig ſtark war, ſind Arbeitshaͤuſer angelegt, und
Voͤgte beſtellt. Aber viele hundert Maͤdchen ſollen im-
mer ohne Dienſt herumlaufen, und ihr vorher Erworbe-
nes verzehren, weil Domeſtiken hier ſehr eigenſinnig ſind,
viel Lohn bekommen, aber ſich ſelbſt Kaffee ꝛc. halten und
aufkuͤndigen koͤnnen, wenn ſie wollen. In vielen Haͤu-
ſern ſind alle halbe Jahre andre Maͤdchen. Die Haus-
frauen beſchweren ſich ſelbſt daruͤber.

Jetzt haͤlt die Republik nur 1500. Soldaten, ehe-
mals 2000, aber das Geld fehlt. Dazu kommen noch
40-50. Dragoner mit ſchoͤnen Pferden. Die Kleidung
iſt roth mit blauen Aufſchlaͤgen, weiſſen Beinkleidern
und blechernen Muͤtzen. Der Generalmajor von Loo
iſt ein vortreflicher Mann, und eine ſchoͤne Perſon. Um
9. Uhr iſt Wachparade. Es ſtehen wohl 300. immer
Schildwache. Die Hauptwache iſt 30. Mann ſtark.
Ein gemeiner Mann bekoͤmmt monatlich 2. Thaler. Der
Offizier 8, 10, 12 ꝛc. Thaler. Das Exerzitium iſt das
Kaiſerliche, geht aber lahm. Im Mai muͤſſen ſie auch
im freien Felde exerziren, abfeuern, Bomben werfen.
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[677/0715] nun weiter keine Forderungen mehr an ſie machen wolle. Nur eine Viertelſtunde vom Thor liegt Altona, eine ar- tige Stadt, dieſe ſchon unter Daͤniſcher Hoheit ſteht. Der Koͤnig von Preuſſen hat dem Handel der Stadt auch Schaden gethan. Die Kaufleute ſagen, er ſchade ſich und ſeinen Unterthanen zugleich, denn der Handel muͤſſe Freiheit haben. Der neueſte Befehl iſt, daß keine Hamburgiſche und Hollaͤndiſche Heringe mehr nach dem Koͤnigreiche gefuͤhrt werden ſollen. Gegen das Betteln auf der Straſſe, das ehemals hier gewaltig ſtark war, ſind Arbeitshaͤuſer angelegt, und Voͤgte beſtellt. Aber viele hundert Maͤdchen ſollen im- mer ohne Dienſt herumlaufen, und ihr vorher Erworbe- nes verzehren, weil Domeſtiken hier ſehr eigenſinnig ſind, viel Lohn bekommen, aber ſich ſelbſt Kaffee ꝛc. halten und aufkuͤndigen koͤnnen, wenn ſie wollen. In vielen Haͤu- ſern ſind alle halbe Jahre andre Maͤdchen. Die Haus- frauen beſchweren ſich ſelbſt daruͤber. Jetzt haͤlt die Republik nur 1500. Soldaten, ehe- mals 2000, aber das Geld fehlt. Dazu kommen noch 40-50. Dragoner mit ſchoͤnen Pferden. Die Kleidung iſt roth mit blauen Aufſchlaͤgen, weiſſen Beinkleidern und blechernen Muͤtzen. Der Generalmajor von Loo iſt ein vortreflicher Mann, und eine ſchoͤne Perſon. Um 9. Uhr iſt Wachparade. Es ſtehen wohl 300. immer Schildwache. Die Hauptwache iſt 30. Mann ſtark. Ein gemeiner Mann bekoͤmmt monatlich 2. Thaler. Der Offizier 8, 10, 12 ꝛc. Thaler. Das Exerzitium iſt das Kaiſerliche, geht aber lahm. Im Mai muͤſſen ſie auch im freien Felde exerziren, abfeuern, Bomben werfen. Man ſieht viele alte, kleine Leute darunter. Die auf die U u 3

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 677. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/715>, abgerufen am 29.03.2024.