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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Die Thore der Stadt werden früh geschlossen, in
jedem Monat zu einer andern Zeit, in Wintermonaten
schon um 7. Uhr, spätestens um halb 10. Uhr, und
dann wird weder Rathsherr noch Burgermeister herein
gelassen.

Für die Freiheit ist ein Theil der Stadt sehr einge-
nommen. Dieser sagt: die Bürgerschaft thue alles,
Burgermeister und Rath sei nur Ceremoniel, andre aber
reden mit mehr Ehrerbietung und glauben sogar, daß es
dem Fremden wichtig sei, wenn sie auf der Gasse ihnen
die Häuser zeigen, wo ein Herr des Naths wohnt. Der
Rath kan keinen Prediger und niemand absetzen, die
Bürgerschaft muß einwilligen.

Die Lebensart der Stadt ist eccentrisch. Man ist
von der Gewohnheit, der sich alte Leute noch erinnern
können, um 12. Uhr zu essen, um 10. Uhr zu Bett zu ge-
hen, und um 5. Uhr aufzustehen, abgekommen. Das
thun jetzt nur noch die Handwerksleute und Geringen.
Die Kaufleute und Vornehmen trinken um 7. Uhr Thee
oder Kaffee, um 9. Uhr kömmt Butterbrod und Schnaps,
von 12-2. Uhr ist man an der Börse, um 2. oder halb
3. Uhr ißt man, aber nur eine Stunde, um 5, halb 6.
Uhr trinkt man Kaffee und um halb 9. Uhr geht man zum
Abendessen und sitzt da bis 11. Uhr. Das späte Mit-
tagsessen entsteht von der Börse, und das Nachtessen kan
nicht früher geschehen, weil die Comtoirbedienten die Po-
sten erst besorgen müssen, die zum Theil Nachts um 9.
Uhr abgehen. Ganz Vornehme schlafen von Nachts
um 12. bis Mittags um 11. Uhr, trinken dann Kaffee
um 11. Uhr, essen zu Gast um halb 3. und zechen bis
wieder in die Nacht. So oft der Kaffee getrunken ist,

wird

Die Thore der Stadt werden fruͤh geſchloſſen, in
jedem Monat zu einer andern Zeit, in Wintermonaten
ſchon um 7. Uhr, ſpaͤteſtens um halb 10. Uhr, und
dann wird weder Rathsherr noch Burgermeiſter herein
gelaſſen.

Fuͤr die Freiheit iſt ein Theil der Stadt ſehr einge-
nommen. Dieſer ſagt: die Buͤrgerſchaft thue alles,
Burgermeiſter und Rath ſei nur Ceremoniel, andre aber
reden mit mehr Ehrerbietung und glauben ſogar, daß es
dem Fremden wichtig ſei, wenn ſie auf der Gaſſe ihnen
die Haͤuſer zeigen, wo ein Herr des Naths wohnt. Der
Rath kan keinen Prediger und niemand abſetzen, die
Buͤrgerſchaft muß einwilligen.

Die Lebensart der Stadt iſt eccentriſch. Man iſt
von der Gewohnheit, der ſich alte Leute noch erinnern
koͤnnen, um 12. Uhr zu eſſen, um 10. Uhr zu Bett zu ge-
hen, und um 5. Uhr aufzuſtehen, abgekommen. Das
thun jetzt nur noch die Handwerksleute und Geringen.
Die Kaufleute und Vornehmen trinken um 7. Uhr Thee
oder Kaffee, um 9. Uhr koͤmmt Butterbrod und Schnaps,
von 12-2. Uhr iſt man an der Boͤrſe, um 2. oder halb
3. Uhr ißt man, aber nur eine Stunde, um 5, halb 6.
Uhr trinkt man Kaffee und um halb 9. Uhr geht man zum
Abendeſſen und ſitzt da bis 11. Uhr. Das ſpaͤte Mit-
tagseſſen entſteht von der Boͤrſe, und das Nachteſſen kan
nicht fruͤher geſchehen, weil die Comtoirbedienten die Po-
ſten erſt beſorgen muͤſſen, die zum Theil Nachts um 9.
Uhr abgehen. Ganz Vornehme ſchlafen von Nachts
um 12. bis Mittags um 11. Uhr, trinken dann Kaffee
um 11. Uhr, eſſen zu Gaſt um halb 3. und zechen bis
wieder in die Nacht. So oft der Kaffee getrunken iſt,

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[668/0706] Die Thore der Stadt werden fruͤh geſchloſſen, in jedem Monat zu einer andern Zeit, in Wintermonaten ſchon um 7. Uhr, ſpaͤteſtens um halb 10. Uhr, und dann wird weder Rathsherr noch Burgermeiſter herein gelaſſen. Fuͤr die Freiheit iſt ein Theil der Stadt ſehr einge- nommen. Dieſer ſagt: die Buͤrgerſchaft thue alles, Burgermeiſter und Rath ſei nur Ceremoniel, andre aber reden mit mehr Ehrerbietung und glauben ſogar, daß es dem Fremden wichtig ſei, wenn ſie auf der Gaſſe ihnen die Haͤuſer zeigen, wo ein Herr des Naths wohnt. Der Rath kan keinen Prediger und niemand abſetzen, die Buͤrgerſchaft muß einwilligen. Die Lebensart der Stadt iſt eccentriſch. Man iſt von der Gewohnheit, der ſich alte Leute noch erinnern koͤnnen, um 12. Uhr zu eſſen, um 10. Uhr zu Bett zu ge- hen, und um 5. Uhr aufzuſtehen, abgekommen. Das thun jetzt nur noch die Handwerksleute und Geringen. Die Kaufleute und Vornehmen trinken um 7. Uhr Thee oder Kaffee, um 9. Uhr koͤmmt Butterbrod und Schnaps, von 12-2. Uhr iſt man an der Boͤrſe, um 2. oder halb 3. Uhr ißt man, aber nur eine Stunde, um 5, halb 6. Uhr trinkt man Kaffee und um halb 9. Uhr geht man zum Abendeſſen und ſitzt da bis 11. Uhr. Das ſpaͤte Mit- tagseſſen entſteht von der Boͤrſe, und das Nachteſſen kan nicht fruͤher geſchehen, weil die Comtoirbedienten die Po- ſten erſt beſorgen muͤſſen, die zum Theil Nachts um 9. Uhr abgehen. Ganz Vornehme ſchlafen von Nachts um 12. bis Mittags um 11. Uhr, trinken dann Kaffee um 11. Uhr, eſſen zu Gaſt um halb 3. und zechen bis wieder in die Nacht. So oft der Kaffee getrunken iſt, wird

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/706>, abgerufen am 28.03.2024.