Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

gleich als ob man auf der offenbaren See schwömme.
Ich muthmasse, daß das viele Wasser in diesen Gegen-
den von der Nachbarschaft der Elbe und der Ostsee
entsteht, und mit jenen Wassern einen unterirrdischen
Zusammenhang habe. Denn es sind keine Waldungen
da, die durch ihre Ausdünstungen so viel Regen verur-
sachen können.

In den Sümpfen erzeugt sich nothwendig Torf.
Das kan der Reisende schon an den Rippenstössen merken,
die ihm zu Theil werden. Denn die ganze Heide ist
mit langen, dicken, sich weit ausbreitenden Baumwur-
zeln durchflochten, an denen der Wagen allemahl zurück-
stößt. Die Oberfläche der Sümpfe sieht auch schmutzig
aus, hat eine öhlichte Haut, und überall stehen die Wur-
zeln von den Heidepflanzen.

Ehemals war das alles ein Wald. Die Herzoge
von Celle waren Liebhaber der Parforcejagd. Franz
besonders, -- er ritt so oft und so schnell, daß er, wie
man ihn sezirte, unter den Lenden ein fingerdickes Fell
hatte. In dieser Gegend sind einige Bauerhöfe frei von
allen Abgaben. Die vorigen Herzoge schenkten ihnen
diese Freiheit, wenn sie sich auf der Jagd mit einem
Stück Wild verspätet hatten, nicht mehr nach Hause
konnten, und bei einem Bauer über Nacht bleiben
mußten.

Weil von den Ueberschwe[m]mungen des Wassers auf
der Heide die benachbarten Wiesen grossen Schaden lit-
ten; so hat die Regierung 2. Meilen von Celle einen
grossen breiten Graben mit vielen Kosten ziehen lassen,
wodurch dem Wasser ein Abzug verschaft, und viele
Wiesen trocken gemacht wurden.

Celle.

gleich als ob man auf der offenbaren See ſchwoͤmme.
Ich muthmaſſe, daß das viele Waſſer in dieſen Gegen-
den von der Nachbarſchaft der Elbe und der Oſtſee
entſteht, und mit jenen Waſſern einen unterirrdiſchen
Zuſammenhang habe. Denn es ſind keine Waldungen
da, die durch ihre Ausduͤnſtungen ſo viel Regen verur-
ſachen koͤnnen.

In den Suͤmpfen erzeugt ſich nothwendig Torf.
Das kan der Reiſende ſchon an den Rippenſtoͤſſen merken,
die ihm zu Theil werden. Denn die ganze Heide iſt
mit langen, dicken, ſich weit ausbreitenden Baumwur-
zeln durchflochten, an denen der Wagen allemahl zuruͤck-
ſtoͤßt. Die Oberflaͤche der Suͤmpfe ſieht auch ſchmutzig
aus, hat eine oͤhlichte Haut, und uͤberall ſtehen die Wur-
zeln von den Heidepflanzen.

Ehemals war das alles ein Wald. Die Herzoge
von Celle waren Liebhaber der Parforcejagd. Franz
beſonders, — er ritt ſo oft und ſo ſchnell, daß er, wie
man ihn ſezirte, unter den Lenden ein fingerdickes Fell
hatte. In dieſer Gegend ſind einige Bauerhoͤfe frei von
allen Abgaben. Die vorigen Herzoge ſchenkten ihnen
dieſe Freiheit, wenn ſie ſich auf der Jagd mit einem
Stuͤck Wild verſpaͤtet hatten, nicht mehr nach Hauſe
konnten, und bei einem Bauer uͤber Nacht bleiben
mußten.

Weil von den Ueberſchwe[m]mungen des Waſſers auf
der Heide die benachbarten Wieſen groſſen Schaden lit-
ten; ſo hat die Regierung 2. Meilen von Celle einen
groſſen breiten Graben mit vielen Koſten ziehen laſſen,
wodurch dem Waſſer ein Abzug verſchaft, und viele
Wieſen trocken gemacht wurden.

Celle.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0691" n="653"/>
gleich als ob man auf der offenbaren See &#x017F;chwo&#x0364;mme.<lb/>
Ich muthma&#x017F;&#x017F;e, daß das viele Wa&#x017F;&#x017F;er in die&#x017F;en Gegen-<lb/>
den von der Nachbar&#x017F;chaft der <hi rendition="#fr">Elbe</hi> und der <hi rendition="#fr">O&#x017F;t&#x017F;ee</hi><lb/>
ent&#x017F;teht, und mit jenen Wa&#x017F;&#x017F;ern einen unterirrdi&#x017F;chen<lb/>
Zu&#x017F;ammenhang habe. Denn es &#x017F;ind keine Waldungen<lb/>
da, die durch ihre Ausdu&#x0364;n&#x017F;tungen &#x017F;o viel Regen verur-<lb/>
&#x017F;achen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>In den Su&#x0364;mpfen erzeugt &#x017F;ich nothwendig Torf.<lb/>
Das kan der Rei&#x017F;ende &#x017F;chon an den Rippen&#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;en merken,<lb/>
die ihm zu Theil werden. Denn die ganze Heide i&#x017F;t<lb/>
mit langen, dicken, &#x017F;ich weit ausbreitenden Baumwur-<lb/>
zeln durchflochten, an denen der Wagen allemahl zuru&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;ßt. Die Oberfla&#x0364;che der Su&#x0364;mpfe &#x017F;ieht auch &#x017F;chmutzig<lb/>
aus, hat eine o&#x0364;hlichte Haut, und u&#x0364;berall &#x017F;tehen die Wur-<lb/>
zeln von den Heidepflanzen.</p><lb/>
            <p>Ehemals war das alles ein Wald. Die Herzoge<lb/>
von <hi rendition="#fr">Celle</hi> waren Liebhaber der Parforcejagd. <hi rendition="#fr">Franz</hi><lb/>
be&#x017F;onders, &#x2014; er ritt &#x017F;o oft und &#x017F;o &#x017F;chnell, daß er, wie<lb/>
man ihn &#x017F;ezirte, unter den Lenden ein fingerdickes Fell<lb/>
hatte. In die&#x017F;er Gegend &#x017F;ind einige Bauerho&#x0364;fe frei von<lb/>
allen Abgaben. Die vorigen Herzoge &#x017F;chenkten ihnen<lb/>
die&#x017F;e Freiheit, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich auf der Jagd mit einem<lb/>
Stu&#x0364;ck Wild ver&#x017F;pa&#x0364;tet hatten, nicht mehr nach Hau&#x017F;e<lb/>
konnten, und bei einem Bauer u&#x0364;ber Nacht bleiben<lb/>
mußten.</p><lb/>
            <p>Weil von den Ueber&#x017F;chwe<supplied>m</supplied>mungen des Wa&#x017F;&#x017F;ers auf<lb/>
der Heide die benachbarten Wie&#x017F;en gro&#x017F;&#x017F;en Schaden lit-<lb/>
ten; &#x017F;o hat die Regierung 2. Meilen von <hi rendition="#fr">Celle</hi> einen<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en breiten Graben mit vielen Ko&#x017F;ten ziehen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wodurch dem Wa&#x017F;&#x017F;er ein Abzug ver&#x017F;chaft, und viele<lb/>
Wie&#x017F;en trocken gemacht wurden.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Celle.</hi> </fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[653/0691] gleich als ob man auf der offenbaren See ſchwoͤmme. Ich muthmaſſe, daß das viele Waſſer in dieſen Gegen- den von der Nachbarſchaft der Elbe und der Oſtſee entſteht, und mit jenen Waſſern einen unterirrdiſchen Zuſammenhang habe. Denn es ſind keine Waldungen da, die durch ihre Ausduͤnſtungen ſo viel Regen verur- ſachen koͤnnen. In den Suͤmpfen erzeugt ſich nothwendig Torf. Das kan der Reiſende ſchon an den Rippenſtoͤſſen merken, die ihm zu Theil werden. Denn die ganze Heide iſt mit langen, dicken, ſich weit ausbreitenden Baumwur- zeln durchflochten, an denen der Wagen allemahl zuruͤck- ſtoͤßt. Die Oberflaͤche der Suͤmpfe ſieht auch ſchmutzig aus, hat eine oͤhlichte Haut, und uͤberall ſtehen die Wur- zeln von den Heidepflanzen. Ehemals war das alles ein Wald. Die Herzoge von Celle waren Liebhaber der Parforcejagd. Franz beſonders, — er ritt ſo oft und ſo ſchnell, daß er, wie man ihn ſezirte, unter den Lenden ein fingerdickes Fell hatte. In dieſer Gegend ſind einige Bauerhoͤfe frei von allen Abgaben. Die vorigen Herzoge ſchenkten ihnen dieſe Freiheit, wenn ſie ſich auf der Jagd mit einem Stuͤck Wild verſpaͤtet hatten, nicht mehr nach Hauſe konnten, und bei einem Bauer uͤber Nacht bleiben mußten. Weil von den Ueberſchwemmungen des Waſſers auf der Heide die benachbarten Wieſen groſſen Schaden lit- ten; ſo hat die Regierung 2. Meilen von Celle einen groſſen breiten Graben mit vielen Koſten ziehen laſſen, wodurch dem Waſſer ein Abzug verſchaft, und viele Wieſen trocken gemacht wurden. Celle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/691
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/691>, abgerufen am 29.03.2024.