Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

ihre eigne Natur, ohne alle aeusserliche Ver-
anlassung, dazu verleitet? oder ist der Grund
davon allemal in aeusserlichen Veranlassungen
zu suchen?

Es würde mich sehr niederschlagen,
wenn ich mich auberzeugen könnte, dass die
Natur selbst dazu verleite. Die Hofnung,
etwas zur Hemmung dieses Uebels beyzutra-
gen, die mich, bey Ausfertigung dieser Schrift,
staerkt, würde ersterben, weil ich Kaempfe
gegen die Natur für bedenklich und fast im-
mer für vergeblich halte. Ich leugne es da-
her so lange, bis man mir hinlaengliche
Gründe anführt, mich vom Gegentheil zu
überzeugen.

Die Gründe sind da, wird man mir
sagen, die Erfahrung bezeuget es. Beobach-
te ein- bis vierjaehrige Kinder, die noch kei-
ner Verführung ausgesetzt waren, noch
nicht durch Lesung unzüchtiger Bücher ihr
Gehirn erhitzten, und ihre Einbildungskraft

ver-
(F 4)

ihre eigne Natur, ohne alle æuſſerliche Ver-
anlaſſung, dazu verleitet? oder iſt der Grund
davon allemal in æuſſerlichen Veranlaſſungen
zu ſuchen?

Es würde mich ſehr niederſchlagen,
wenn ich mich ûberzeugen könnte, daſs die
Natur ſelbſt dazu verleite. Die Hofnung,
etwas zur Hemmung dieſes Uebels beyzutra-
gen, die mich, bey Ausfertigung dieſer Schrift,
ſtærkt, würde erſterben, weil ich Kæmpfe
gegen die Natur für bedenklich und faſt im-
mer für vergeblich halte. Ich leugne es da-
her ſo lange, bis man mir hinlængliche
Gründe anführt, mich vom Gegentheil zu
überzeugen.

Die Gründe ſind da, wird man mir
ſagen, die Erfahrung bezeuget es. Beobach-
te ein- bis vierjæhrige Kinder, die noch kei-
ner Verführung ausgeſetzt waren, noch
nicht durch Leſung unzüchtiger Bücher ihr
Gehirn erhitzten, und ihre Einbildungskraft

ver-
(F 4)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="87"/>
ihre eigne Natur, ohne alle æu&#x017F;&#x017F;erliche Ver-<lb/>
anla&#x017F;&#x017F;ung, dazu verleitet? oder i&#x017F;t der Grund<lb/>
davon allemal in æu&#x017F;&#x017F;erlichen Veranla&#x017F;&#x017F;ungen<lb/>
zu &#x017F;uchen?</p><lb/>
          <p>Es würde mich &#x017F;ehr nieder&#x017F;chlagen,<lb/>
wenn ich mich ûberzeugen könnte, da&#x017F;s die<lb/>
Natur &#x017F;elb&#x017F;t dazu verleite. Die Hofnung,<lb/>
etwas zur Hemmung die&#x017F;es Uebels beyzutra-<lb/>
gen, die mich, bey Ausfertigung die&#x017F;er Schrift,<lb/>
&#x017F;tærkt, würde er&#x017F;terben, weil ich Kæmpfe<lb/>
gegen die Natur für bedenklich und fa&#x017F;t im-<lb/>
mer für vergeblich halte. Ich leugne es da-<lb/>
her &#x017F;o lange, bis man mir hinlængliche<lb/>
Gründe anführt, mich vom Gegentheil zu<lb/>
überzeugen.</p><lb/>
          <p>Die Gründe &#x017F;ind da, wird man mir<lb/>
&#x017F;agen, die Erfahrung bezeuget es. Beobach-<lb/>
te ein- bis vierjæhrige Kinder, die noch kei-<lb/>
ner Verführung ausge&#x017F;etzt waren, noch<lb/>
nicht durch Le&#x017F;ung unzüchtiger Bücher ihr<lb/>
Gehirn erhitzten, und ihre Einbildungskraft<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(F 4)</fw><fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0097] ihre eigne Natur, ohne alle æuſſerliche Ver- anlaſſung, dazu verleitet? oder iſt der Grund davon allemal in æuſſerlichen Veranlaſſungen zu ſuchen? Es würde mich ſehr niederſchlagen, wenn ich mich ûberzeugen könnte, daſs die Natur ſelbſt dazu verleite. Die Hofnung, etwas zur Hemmung dieſes Uebels beyzutra- gen, die mich, bey Ausfertigung dieſer Schrift, ſtærkt, würde erſterben, weil ich Kæmpfe gegen die Natur für bedenklich und faſt im- mer für vergeblich halte. Ich leugne es da- her ſo lange, bis man mir hinlængliche Gründe anführt, mich vom Gegentheil zu überzeugen. Die Gründe ſind da, wird man mir ſagen, die Erfahrung bezeuget es. Beobach- te ein- bis vierjæhrige Kinder, die noch kei- ner Verführung ausgeſetzt waren, noch nicht durch Leſung unzüchtiger Bücher ihr Gehirn erhitzten, und ihre Einbildungskraft ver- (F 4)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/97
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/97>, abgerufen am 16.04.2024.