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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

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aber nicht allein ganz entkraeftet: sondern
fühle auch ununterbrochen die heftigsten
Schmerzen, besonders an den Zeugungsthei-
len, die das mehreste gelitten haben. Dazu
kömmt noch eine Gemuthsunruhe und Schwer-
muth, die Alles übersteigt. Das Bewustseyn
meiner Bestimmung und den göttlichen Absich-
ten so zuwidergehandelt, mich zum Kinder-
zeugen und Erziehen unfaehig und zum Dien-
ste der Welt und zur Beförderung der mensch-
lichen Glückseligkeit unbrauchbar gemacht
zu haben: diess Bewusstseyn peinigt und fol-
tert mich unaufhörlich und weit mehr als al-
ler körperlicher Schmerz. Und oft würde
ich schon in die Versuchung gerathen seyn,
meinem unseligen Leben ein Ende zu ma-
chen: wenn mich nicht noch die Gründe der
Vernunft und die Lehren der wohlthaetigsten
Religion, welche jetzt noch meine einzige
Freundin und mein Schatz ist, zurückgehal-
ten haetten. Wozu noch die Ueberzeugung
kömmt, dass mein Vergehen wenig Moralitaet
habe, indem ich niemals etwas von der Schaed-
lichkeit und der Strafbarkeit dieser Sünden
erfahren; und dass ich übrigens jederzeit
höchst gewissenhaft gelebt und mich der rein-
sten christlichen Tugend beflissen habe.

Inh

aber nicht allein ganz entkræftet: ſondern
fühle auch ununterbrochen die heftigſten
Schmerzen, beſonders an den Zeugungsthei-
len, die das mehreſte gelitten haben. Dazu
kömmt noch eine Gemuthsunruhe und Schwer-
muth, die Alles überſteigt. Das Bewuſtſeyn
meiner Beſtimmung und den göttlichen Abſich-
ten ſo zuwidergehandelt, mich zum Kinder-
zeugen und Erziehen unfæhig und zum Dien-
ſte der Welt und zur Beförderung der menſch-
lichen Glückſeligkeit unbrauchbar gemacht
zu haben: dieſs Bewuſstſeyn peinigt und fol-
tert mich unaufhörlich und weit mehr als al-
ler körperlicher Schmerz. Und oft würde
ich ſchon in die Verſuchung gerathen ſeyn,
meinem unſeligen Leben ein Ende zu ma-
chen: wenn mich nicht noch die Gründe der
Vernunft und die Lehren der wohlthætigſten
Religion, welche jetzt noch meine einzige
Freundin und mein Schatz iſt, zurückgehal-
ten hætten. Wozu noch die Ueberzeugung
kömmt, daſs mein Vergehen wenig Moralitæt
habe, indem ich niemals etwas von der Schæd-
lichkeit und der Strafbarkeit dieſer Sünden
erfahren; und daſs ich übrigens jederzeit
höchſt gewiſſenhaft gelebt und mich der rein-
ſten chriſtlichen Tugend befliſſen habe.

Inh
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[80/0090] aber nicht allein ganz entkræftet: ſondern fühle auch ununterbrochen die heftigſten Schmerzen, beſonders an den Zeugungsthei- len, die das mehreſte gelitten haben. Dazu kömmt noch eine Gemuthsunruhe und Schwer- muth, die Alles überſteigt. Das Bewuſtſeyn meiner Beſtimmung und den göttlichen Abſich- ten ſo zuwidergehandelt, mich zum Kinder- zeugen und Erziehen unfæhig und zum Dien- ſte der Welt und zur Beförderung der menſch- lichen Glückſeligkeit unbrauchbar gemacht zu haben: dieſs Bewuſstſeyn peinigt und fol- tert mich unaufhörlich und weit mehr als al- ler körperlicher Schmerz. Und oft würde ich ſchon in die Verſuchung gerathen ſeyn, meinem unſeligen Leben ein Ende zu ma- chen: wenn mich nicht noch die Gründe der Vernunft und die Lehren der wohlthætigſten Religion, welche jetzt noch meine einzige Freundin und mein Schatz iſt, zurückgehal- ten hætten. Wozu noch die Ueberzeugung kömmt, daſs mein Vergehen wenig Moralitæt habe, indem ich niemals etwas von der Schæd- lichkeit und der Strafbarkeit dieſer Sünden erfahren; und daſs ich übrigens jederzeit höchſt gewiſſenhaft gelebt und mich der rein- ſten chriſtlichen Tugend befliſſen habe. Inh

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Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/90>, abgerufen am 25.04.2024.