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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

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ich war dies nicht werth, war der Liebe eines
so treuen, eines so redlichen, eines so tugend-
haften Freundes unwürdig. Ja, meiner Un-
wurdigkeit bewusst, hatte ich mir vorgenom-
men, nicht wieder an Dich zu schreiben, um
Dich gegen meine Freundschaft kalt zu ma-
chen, kalt gegen die Freundschaft eines Böse-
wichts, eines Mörders seines eignen Leibes. --

Du wirst Dich entsetzen, Du wirst erstau-
nen. Ja schaudern must du für diesem entsetz-
lichen Bekenntnisse; allein ich will Dir lieber
alles entdecken, als diesen tödtenden Kummer
ohne ihn Dir entdecket zu haben, mit in mein
baldiges Grab nehmen. Vor Dir allein wil
ich mein Herz ausschütten, Dir allein mein
Leiden entdecken; Dir, der manche frohe
Stunde, manche Lustbarkeit mit mir genossen
hat. -- Doch hieran darf ich nicht mehr
denken -- zur wirklichen Entdeckung. Du
must Dich noch zu erinnern wissen, wie Du
mich beym ersten Anblick unsrer Zusammen-
kunft in -- sogleich fragtest: was mir fehle?
ob ich krank sey? oder gewesen sey? Ich Dir
aber antwortete, dass ich vollkommen gesund
sey. Und nach meiner Einbildung war ich es
auch, denn bis izt hatte mir noch nie etwas

ange-
(E 5)

ich war dies nicht werth, war der Liebe eines
ſo treuen, eines ſo redlichen, eines ſo tugend-
haften Freundes unwürdig. Ja, meiner Un-
wurdigkeit bewuſst, hatte ich mir vorgenom-
men, nicht wieder an Dich zu ſchreiben, um
Dich gegen meine Freundſchaft kalt zu ma-
chen, kalt gegen die Freundſchaft eines Böſe-
wichts, eines Mörders ſeines eignen Leibes. —

Du wirſt Dich entſetzen, Du wirſt erſtau-
nen. Ja ſchaudern muſt du für dieſem entſetz-
lichen Bekenntniſſe; allein ich will Dir lieber
alles entdecken, als dieſen tödtenden Kummer
ohne ihn Dir entdecket zu haben, mit in mein
baldiges Grab nehmen. Vor Dir allein wil
ich mein Herz ausſchütten, Dir allein mein
Leiden entdecken; Dir, der manche frohe
Stunde, manche Luſtbarkeit mit mir genoſſen
hat. — Doch hieran darf ich nicht mehr
denken — zur wirklichen Entdeckung. Du
muſt Dich noch zu erinnern wiſſen, wie Du
mich beym erſten Anblick unſrer Zuſammen-
kunft in — ſogleich fragteſt: was mir fehle?
ob ich krank ſey? oder geweſen ſey? Ich Dir
aber antwortete, daſs ich vollkommen geſund
ſey. Und nach meiner Einbildung war ich es
auch, denn bis izt hatte mir noch nie etwas

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(E 5)
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[73/0083] ich war dies nicht werth, war der Liebe eines ſo treuen, eines ſo redlichen, eines ſo tugend- haften Freundes unwürdig. Ja, meiner Un- wurdigkeit bewuſst, hatte ich mir vorgenom- men, nicht wieder an Dich zu ſchreiben, um Dich gegen meine Freundſchaft kalt zu ma- chen, kalt gegen die Freundſchaft eines Böſe- wichts, eines Mörders ſeines eignen Leibes. — Du wirſt Dich entſetzen, Du wirſt erſtau- nen. Ja ſchaudern muſt du für dieſem entſetz- lichen Bekenntniſſe; allein ich will Dir lieber alles entdecken, als dieſen tödtenden Kummer ohne ihn Dir entdecket zu haben, mit in mein baldiges Grab nehmen. Vor Dir allein wil ich mein Herz ausſchütten, Dir allein mein Leiden entdecken; Dir, der manche frohe Stunde, manche Luſtbarkeit mit mir genoſſen hat. — Doch hieran darf ich nicht mehr denken — zur wirklichen Entdeckung. Du muſt Dich noch zu erinnern wiſſen, wie Du mich beym erſten Anblick unſrer Zuſammen- kunft in — ſogleich fragteſt: was mir fehle? ob ich krank ſey? oder geweſen ſey? Ich Dir aber antwortete, daſs ich vollkommen geſund ſey. Und nach meiner Einbildung war ich es auch, denn bis izt hatte mir noch nie etwas ange- (E 5)

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Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/83>, abgerufen am 19.04.2024.