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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

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recht oder krum sitzen kann, ohne die gröss-
ten und heftigsten Schmerzen zu empsinden.
Meine Augen sind so blöd und stumpf, dass
ich eine etwas klare Schrift gar nicht lesen,
und bey dem Lesen des grössern Drucks nur
kurze Zeit ausdaucrn kann, am wenigsten
aber des Abends sehen darf. Mattigkeit und
bestaendige Schlafsucht quaelt und belaestigt
mich, und wenn ich des Morgens erwache,
und munter seyn sollte, bin ich schlaftrun-
ken und gelaehmt. Oft entsteht über den
Augenbraunen und Augenliedern ein starkes
Flippern, das ich kaum aushalten kann. Die
Nerven sind erschlaft, und die Lebensgeister
ziemlich eingeschlaefert. Bestaendig habe ich
Hunger, esse auch viel, ohne aber dass es mir
zu Gedeyen geht. Bange Traurigkeit, Un-
zufriedenheit und Schmerzen, wühlt in dem
Innersten meines Herzens. Auch in den
fröhlichsten Gesellschaften bin ich traurig,
missmuthig und Misantrop: denn nur immer
suche ich die Befriedigung meiner Leiden-
schaft, die ich nirgends besser, als in der Ein-
samkeit, oder in dem Umgange mit dem
zweyten Geschlechte, finde. Bey meinen
Arbeiten vermisse ich die Gedult, und die Ge-

daecht-

recht oder krum ſitzen kann, ohne die gröſs-
ten und heftigſten Schmerzen zu empſinden.
Meine Augen ſind ſo blöd und ſtumpf, daſs
ich eine etwas klare Schrift gar nicht leſen,
und bey dem Leſen des gröſsern Drucks nur
kurze Zeit ausdaucrn kann, am wenigſten
aber des Abends ſehen darf. Mattigkeit und
beſtændige Schlafſucht quælt und belæſtigt
mich, und wenn ich des Morgens erwache,
und munter ſeyn ſollte, bin ich ſchlaftrun-
ken und gelæhmt. Oft entſteht über den
Augenbraunen und Augenliedern ein ſtarkes
Flippern, das ich kaum aushalten kann. Die
Nerven ſind erſchlaft, und die Lebensgeiſter
ziemlich eingeſchlæfert. Beſtændig habe ich
Hunger, eſſe auch viel, ohne aber daſs es mir
zu Gedeyen geht. Bange Traurigkeit, Un-
zufriedenheit und Schmerzen, wühlt in dem
Innerſten meines Herzens. Auch in den
fröhlichſten Geſellſchaften bin ich traurig,
miſsmuthig und Miſantrop: denn nur immer
ſuche ich die Befriedigung meiner Leiden-
ſchaft, die ich nirgends beſſer, als in der Ein-
ſamkeit, oder in dem Umgange mit dem
zweyten Geſchlechte, finde. Bey meinen
Arbeiten vermiſse ich die Gedult, und die Ge-

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[60/0070] recht oder krum ſitzen kann, ohne die gröſs- ten und heftigſten Schmerzen zu empſinden. Meine Augen ſind ſo blöd und ſtumpf, daſs ich eine etwas klare Schrift gar nicht leſen, und bey dem Leſen des gröſsern Drucks nur kurze Zeit ausdaucrn kann, am wenigſten aber des Abends ſehen darf. Mattigkeit und beſtændige Schlafſucht quælt und belæſtigt mich, und wenn ich des Morgens erwache, und munter ſeyn ſollte, bin ich ſchlaftrun- ken und gelæhmt. Oft entſteht über den Augenbraunen und Augenliedern ein ſtarkes Flippern, das ich kaum aushalten kann. Die Nerven ſind erſchlaft, und die Lebensgeiſter ziemlich eingeſchlæfert. Beſtændig habe ich Hunger, eſſe auch viel, ohne aber daſs es mir zu Gedeyen geht. Bange Traurigkeit, Un- zufriedenheit und Schmerzen, wühlt in dem Innerſten meines Herzens. Auch in den fröhlichſten Geſellſchaften bin ich traurig, miſsmuthig und Miſantrop: denn nur immer ſuche ich die Befriedigung meiner Leiden- ſchaft, die ich nirgends beſſer, als in der Ein- ſamkeit, oder in dem Umgange mit dem zweyten Geſchlechte, finde. Bey meinen Arbeiten vermiſse ich die Gedult, und die Ge- dæcht-

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Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/70>, abgerufen am 24.04.2024.