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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

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Diese Melancholie wird noch mehr
durch das Gefühl des Elends und durch das
Bewusstseyn, sich dasselbe selbst zugezogen
zu haben genaehrt. Wie aengstlich muss eine
Seele werden, die sich selbst anklagen, die
sich selbst vorwerfen muss: ich habe mich
entmannt, ich habe meine edelsten Anlagen
zerstört, habe die Kraefte geschwaecht, mit
denen ich mein, und meiner Brüder Glück
haette befördern können!

Wenn man dieser Melancholie nicht
frühzeitig vorbauet, sie durch Besserung, An-
strengung und Vertrauen auf Gott, zu maes-
sigen sucht, wie leicht kann sie eine solche
Staerke erreichen, dass sie zur Verzweiflung
führt. Wer es weis, dass er seine Natur zer-
rüttet, und seine Nerven geschwaecht habe,
wie gen[e]igt wird dieser seyn, alle seine kör-
perlichen Schmerzen, alle Krankheiten, die
ihm zustossen, alles Elend, das er in seiner
Nachkommenschaft erblickt, dieser seiner
Ausschweifung zuzuschreiben! und wie

schwer

Dieſe Melancholie wird noch mehr
durch das Gefühl des Elends und durch das
Bewuſstſeyn, ſich daſſelbe ſelbſt zugezogen
zu haben genæhrt. Wie ængſtlich muſs eine
Seele werden, die ſich ſelbſt anklagen, die
ſich ſelbſt vorwerfen muſs: ich habe mich
entmannt, ich habe meine edelſten Anlagen
zerſtört, habe die Kræfte geſchwæcht, mit
denen ich mein, und meiner Brüder Glück
hætte befördern können!

Wenn man dieſer Melancholie nicht
frühzeitig vorbauet, ſie durch Beſſerung, An-
ſtrengung und Vertrauen auf Gott, zu mæſ-
ſigen ſucht, wie leicht kann ſie eine ſolche
Stærke erreichen, daſs ſie zur Verzweiflung
führt. Wer es weis, daſs er ſeine Natur zer-
rüttet, und ſeine Nerven geſchwæcht habe,
wie gen[e]igt wird dieſer ſeyn, alle ſeine kör-
perlichen Schmerzen, alle Krankheiten, die
ihm zuſtoſsen, alles Elend, das er in ſeiner
Nachkommenſchaft erblickt, dieſer ſeiner
Ausſchweifung zuzuſchreiben! und wie

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[54/0064] Dieſe Melancholie wird noch mehr durch das Gefühl des Elends und durch das Bewuſstſeyn, ſich daſſelbe ſelbſt zugezogen zu haben genæhrt. Wie ængſtlich muſs eine Seele werden, die ſich ſelbſt anklagen, die ſich ſelbſt vorwerfen muſs: ich habe mich entmannt, ich habe meine edelſten Anlagen zerſtört, habe die Kræfte geſchwæcht, mit denen ich mein, und meiner Brüder Glück hætte befördern können! Wenn man dieſer Melancholie nicht frühzeitig vorbauet, ſie durch Beſſerung, An- ſtrengung und Vertrauen auf Gott, zu mæſ- ſigen ſucht, wie leicht kann ſie eine ſolche Stærke erreichen, daſs ſie zur Verzweiflung führt. Wer es weis, daſs er ſeine Natur zer- rüttet, und ſeine Nerven geſchwæcht habe, wie geneigt wird dieſer ſeyn, alle ſeine kör- perlichen Schmerzen, alle Krankheiten, die ihm zuſtoſsen, alles Elend, das er in ſeiner Nachkommenſchaft erblickt, dieſer ſeiner Ausſchweifung zuzuſchreiben! und wie ſchwer

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Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/64>, abgerufen am 25.04.2024.