Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

andern, dem die Natur mehrere Kraefte ver-
lich, einen weniger sichtbaren Nachtheil
zuziehen. Schwaechen thut es die Kraefte
aber allemal, welches alsdenn am sicht-
barsten seyn würde, wenn man berech-
nen könnte, wie sich die Summe des Guten,
das ein von Natur starker Mann, der sich
durch diese Ausschweifung dahin reisen liess,
stifret, zu der verhalte, die er waurde gestif-
tet haben, wenn er von Jugend auf seine
Sinnlichkeit beherrscht haette. "Ich ver-
gieng," schreibt mir einer meiner Corre-
spondenten "nach und nach, hatte an nichts
mehr einigen Gefallen, verliess die Univer-
sitaet, und, anstatt meinen Weg in die Welt
zu machen, vergrub ich mich in die Einsam-
keit, wo ich zwar ziemlich gesund lebe, seit-
dem ich alle nur mögliche Gelegenheit zu
Ausschweifungen vermeide, aber ich bin
doch gar nicht der brauchbare Mann gewor-
den, der ich, nach meinen Faehigkeiten,
werden konnte."

Wie viele tausende würden aehnliche

Kla-

andern, dem die Natur mehrere Kræfte ver-
lich, einen weniger ſichtbaren Nachtheil
zuziehen. Schwæchen thut es die Kræfte
aber allemal, welches alsdenn am ſicht-
barſten ſeyn würde, wenn man berech-
nen könnte, wie ſich die Summe des Guten,
das ein von Natur ſtarker Mann, der ſich
durch dieſe Ausſchweifung dahin reiſen lieſs,
ſtifret, zu der verhalte, die er wûrde geſtif-
tet haben, wenn er von Jugend auf ſeine
Sinnlichkeit beherrſcht hætte. “Ich ver-
gieng,” ſchreibt mir einer meiner Corre-
ſpondenten “nach und nach, hatte an nichts
mehr einigen Gefallen, verlieſs die Univer-
ſitæt, und, anſtatt meinen Weg in die Welt
zu machen, vergrub ich mich in die Einſam-
keit, wo ich zwar ziemlich geſund lebe, ſeit-
dem ich alle nur mögliche Gelegenheit zu
Ausſchweifungen vermeide, aber ich bin
doch gar nicht der brauchbare Mann gewor-
den, der ich, nach meinen Fæhigkeiten,
werden konnte.”

Wie viele tauſende würden æhnliche

Kla-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0062" n="52"/>
andern, dem die Natur mehrere Kræfte ver-<lb/>
lich, einen weniger &#x017F;ichtbaren Nachtheil<lb/>
zuziehen. Schwæchen thut es die Kræfte<lb/>
aber allemal, welches alsdenn am &#x017F;icht-<lb/>
bar&#x017F;ten &#x017F;eyn würde, wenn man berech-<lb/>
nen könnte, wie &#x017F;ich die Summe des Guten,<lb/>
das ein von Natur &#x017F;tarker Mann, der &#x017F;ich<lb/>
durch die&#x017F;e Aus&#x017F;chweifung dahin rei&#x017F;en lie&#x017F;s,<lb/>
&#x017F;tifret, zu der verhalte, die er wûrde ge&#x017F;tif-<lb/>
tet haben, wenn er von Jugend auf &#x017F;eine<lb/>
Sinnlichkeit beherr&#x017F;cht hætte. &#x201C;Ich ver-<lb/>
gieng,&#x201D; &#x017F;chreibt mir einer meiner Corre-<lb/>
&#x017F;pondenten &#x201C;nach und nach, hatte an nichts<lb/>
mehr einigen Gefallen, verlie&#x017F;s die Univer-<lb/>
&#x017F;itæt, und, an&#x017F;tatt meinen Weg in die Welt<lb/>
zu machen, vergrub ich mich in die Ein&#x017F;am-<lb/>
keit, wo ich zwar ziemlich ge&#x017F;und lebe, &#x017F;eit-<lb/>
dem ich alle nur mögliche Gelegenheit zu<lb/>
Aus&#x017F;chweifungen vermeide, aber ich bin<lb/>
doch gar nicht der brauchbare Mann gewor-<lb/>
den, der ich, nach meinen Fæhigkeiten,<lb/>
werden konnte.&#x201D;</p><lb/>
            <p>Wie viele tau&#x017F;ende würden æhnliche<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kla-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0062] andern, dem die Natur mehrere Kræfte ver- lich, einen weniger ſichtbaren Nachtheil zuziehen. Schwæchen thut es die Kræfte aber allemal, welches alsdenn am ſicht- barſten ſeyn würde, wenn man berech- nen könnte, wie ſich die Summe des Guten, das ein von Natur ſtarker Mann, der ſich durch dieſe Ausſchweifung dahin reiſen lieſs, ſtifret, zu der verhalte, die er wûrde geſtif- tet haben, wenn er von Jugend auf ſeine Sinnlichkeit beherrſcht hætte. “Ich ver- gieng,” ſchreibt mir einer meiner Corre- ſpondenten “nach und nach, hatte an nichts mehr einigen Gefallen, verlieſs die Univer- ſitæt, und, anſtatt meinen Weg in die Welt zu machen, vergrub ich mich in die Einſam- keit, wo ich zwar ziemlich geſund lebe, ſeit- dem ich alle nur mögliche Gelegenheit zu Ausſchweifungen vermeide, aber ich bin doch gar nicht der brauchbare Mann gewor- den, der ich, nach meinen Fæhigkeiten, werden konnte.” Wie viele tauſende würden æhnliche Kla-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/62
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/62>, abgerufen am 28.03.2024.