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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

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Vergnügen findet, das ihn quaelt, und dessen
Schaedlichkeiten (wenigstens zum Theil) kennt,
dennoch aus blosser Leidenschaft thun, mit-
ten unter den Vorwürfen seines Gewissens,
thun konnte. In dieser Stunde haette ich sie-
gen sollen; waere ich bey Verstande gewesen,
so wars möglich, und dann waere ich nicht
dauerhaft böse geworden. Denn das wurde
ich waurklich von dem Tage an. Ich sah ein,
dass ich mich ruinirte, nach vollbrachter
That war ich fast jedesmal innig tief, bis zu
den wehmüthigsten Thraenen gerührt, und
doch, so oft ich den unglücklichen Gegen-
stand meiner Begierde sah, so wallte das
ganze Blut in meinen Adern, und was mich
ewig wundert, ist, dass meine Mitschüler
nichts davon merkten. Die Furcht, von ih-
nen entdeckt zu werden (ich war ihnen sonst
von einigen guten Seiten bekannt, und wirk-
lich in allen andern Staucken gewissenhaft und
gottesfürchtig) kam noch zu meinen übrigen
Qualen hinzu, und dennoch wuchs meine ab.
scheuliche Begierde mit jedem Tage. Nach-
dem ich einigemal das erste mal untergelegen
hatte, so wars mir moralisch unmöglich, die
übrigenmale zu siegen. Oft wenn ich in
der einen Stunde mit Thraenen Gott um Kraft

gebe-
(Von heimlichen Sünden.) (O)

Vergnügen findet, das ihn quælt, und deſſen
Schædlichkeiten (wenigſtens zum Theil) kennt,
dennoch aus bloſser Leidenſchaft thun, mit-
ten unter den Vorwürfen ſeines Gewiſſens,
thun konnte. In dieſer Stunde hætte ich ſie-
gen ſollen; wære ich bey Verſtande geweſen,
ſo wars möglich, und dann wære ich nicht
dauerhaft böſe geworden. Denn das wurde
ich wûrklich von dem Tage an. Ich ſah ein,
daſs ich mich ruinirte, nach vollbrachter
That war ich faſt jedesmal innig tief, bis zu
den wehmüthigſten Thrænen gerührt, und
doch, ſo oft ich den unglücklichen Gegen-
ſtand meiner Begierde ſah, ſo wallte das
ganze Blut in meinen Adern, und was mich
ewig wundert, iſt, daſs meine Mitſchüler
nichts davon merkten. Die Furcht, von ih-
nen entdeckt zu werden (ich war ihnen ſonſt
von einigen guten Seiten bekannt, und wirk-
lich in allen andern Stûcken gewiſſenhaft und
gottesfürchtig) kam noch zu meinen übrigen
Qualen hinzu, und dennoch wuchs meine ab.
ſcheuliche Begierde mit jedem Tage. Nach-
dem ich einigemal das erſte mal untergelegen
hatte, ſo wars mir moraliſch unmöglich, die
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[209/0219] Vergnügen findet, das ihn quælt, und deſſen Schædlichkeiten (wenigſtens zum Theil) kennt, dennoch aus bloſser Leidenſchaft thun, mit- ten unter den Vorwürfen ſeines Gewiſſens, thun konnte. In dieſer Stunde hætte ich ſie- gen ſollen; wære ich bey Verſtande geweſen, ſo wars möglich, und dann wære ich nicht dauerhaft böſe geworden. Denn das wurde ich wûrklich von dem Tage an. Ich ſah ein, daſs ich mich ruinirte, nach vollbrachter That war ich faſt jedesmal innig tief, bis zu den wehmüthigſten Thrænen gerührt, und doch, ſo oft ich den unglücklichen Gegen- ſtand meiner Begierde ſah, ſo wallte das ganze Blut in meinen Adern, und was mich ewig wundert, iſt, daſs meine Mitſchüler nichts davon merkten. Die Furcht, von ih- nen entdeckt zu werden (ich war ihnen ſonſt von einigen guten Seiten bekannt, und wirk- lich in allen andern Stûcken gewiſſenhaft und gottesfürchtig) kam noch zu meinen übrigen Qualen hinzu, und dennoch wuchs meine ab. ſcheuliche Begierde mit jedem Tage. Nach- dem ich einigemal das erſte mal untergelegen hatte, ſo wars mir moraliſch unmöglich, die übrigenmale zu ſiegen. Oft wenn ich in der einen Stunde mit Thrænen Gott um Kraft gebe- (Von heimlichen Sünden.) (O)

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Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/219>, abgerufen am 24.04.2024.