Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

keine nackten Figuren mehr vorstellen? Ei-
nes von beyden müsste ohne Zweifel gesche-
hen, wenn die schaedlichen Wirkungen, die
gegenwaertig nackte Figuren thun, wegfallen
sollen. Denn in der Lage, wie wir itzo sind,
wird gewiss der junge Knabe jede nackte
Schönheit mit wollüstigen Empfindungen
angaffen. Das Bild wird seiner Seele sich
einpraegen, bey dem Anblicke eines schönen
Frauenzimmers, wird dieses Bild sich wieder
darstellen, er wird sich die Kleidung weg-
denken, und unter derselben das Bild, das
ihn entzündete, wieder zu finden glauben.
Ich will aber darüber nichts entscheiden, weil
diess eine Sache betrift, die vor der Hand
doch nicht kann abgeaendert werden. So
viel glaube ich aber, dass der Anblick der
wirklichen Nacktheit, zumal, wenn er öfters
geschieht, weit weniger schade, als wenn
die Einbildungskraft die Nacktheit denkt.
Denn im erstern Falle empfinden wir bloss,
im andern ist die Seele selbst thaetig. Dort

sehen
(I 4)

keine nackten Figuren mehr vorſtellen? Ei-
nes von beyden müſste ohne Zweifel geſche-
hen, wenn die ſchædlichen Wirkungen, die
gegenwærtig nackte Figuren thun, wegfallen
ſollen. Denn in der Lage, wie wir itzo ſind,
wird gewiſs der junge Knabe jede nackte
Schönheit mit wollüſtigen Empfindungen
angaffen. Das Bild wird ſeiner Seele ſich
einprægen, bey dem Anblicke eines ſchönen
Frauenzimmers, wird dieſes Bild ſich wieder
darſtellen, er wird ſich die Kleidung weg-
denken, und unter derſelben das Bild, das
ihn entzündete, wieder zu finden glauben.
Ich will aber darüber nichts entſcheiden, weil
dieſs eine Sache betrift, die vor der Hand
doch nicht kann abgeændert werden. So
viel glaube ich aber, daſs der Anblick der
wirklichen Nacktheit, zumal, wenn er öfters
geſchieht, weit weniger ſchade, als wenn
die Einbildungskraft die Nacktheit denkt.
Denn im erſtern Falle empfinden wir bloſs,
im andern iſt die Seele ſelbſt thætig. Dort

ſehen
(I 4)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0145" n="135"/>
keine nackten Figuren mehr vor&#x017F;tellen? Ei-<lb/>
nes von beyden mü&#x017F;ste ohne Zweifel ge&#x017F;che-<lb/>
hen, wenn die &#x017F;chædlichen Wirkungen, die<lb/>
gegenwærtig nackte Figuren thun, wegfallen<lb/>
&#x017F;ollen. Denn in der Lage, wie wir itzo &#x017F;ind,<lb/>
wird gewi&#x017F;s der junge Knabe jede nackte<lb/>
Schönheit mit wollü&#x017F;tigen Empfindungen<lb/>
angaffen. Das Bild wird &#x017F;einer Seele &#x017F;ich<lb/>
einprægen, bey dem Anblicke eines &#x017F;chönen<lb/>
Frauenzimmers, wird die&#x017F;es Bild &#x017F;ich wieder<lb/>
dar&#x017F;tellen, er wird &#x017F;ich die Kleidung weg-<lb/>
denken, und unter der&#x017F;elben das Bild, das<lb/>
ihn entzündete, wieder zu finden glauben.<lb/>
Ich will aber darüber nichts ent&#x017F;cheiden, weil<lb/>
die&#x017F;s eine Sache betrift, die vor der Hand<lb/>
doch nicht kann abgeændert werden. So<lb/>
viel glaube ich aber, da&#x017F;s der Anblick der<lb/>
wirklichen Nacktheit, zumal, wenn er öfters<lb/>
ge&#x017F;chieht, weit weniger &#x017F;chade, als wenn<lb/>
die Einbildungskraft die Nacktheit denkt.<lb/>
Denn im er&#x017F;tern Falle empfinden wir blo&#x017F;s,<lb/>
im andern i&#x017F;t die Seele &#x017F;elb&#x017F;t thætig. Dort<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(I 4)</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ehen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0145] keine nackten Figuren mehr vorſtellen? Ei- nes von beyden müſste ohne Zweifel geſche- hen, wenn die ſchædlichen Wirkungen, die gegenwærtig nackte Figuren thun, wegfallen ſollen. Denn in der Lage, wie wir itzo ſind, wird gewiſs der junge Knabe jede nackte Schönheit mit wollüſtigen Empfindungen angaffen. Das Bild wird ſeiner Seele ſich einprægen, bey dem Anblicke eines ſchönen Frauenzimmers, wird dieſes Bild ſich wieder darſtellen, er wird ſich die Kleidung weg- denken, und unter derſelben das Bild, das ihn entzündete, wieder zu finden glauben. Ich will aber darüber nichts entſcheiden, weil dieſs eine Sache betrift, die vor der Hand doch nicht kann abgeændert werden. So viel glaube ich aber, daſs der Anblick der wirklichen Nacktheit, zumal, wenn er öfters geſchieht, weit weniger ſchade, als wenn die Einbildungskraft die Nacktheit denkt. Denn im erſtern Falle empfinden wir bloſs, im andern iſt die Seele ſelbſt thætig. Dort ſehen (I 4)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/145
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/145>, abgerufen am 25.04.2024.