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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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von Brunfels bis auf Caspar Bauhin.
werden für jede einzelne Pflanze ganze Reihen von Namen an-
geführt; dazu kam, daß die Botaniker des 16. Jahrhunderts, wo
nur irgend möglich, die Namen des Dioscorides und anderer
antiken Schriftsteller auf bestimmte, in Mitteleuropa gefundene
Pflanzen anwenden wollten; bei der oft ganz mangelnden ge-
wöhnlich aber durchaus ungenügenden Beschreibung, welche Dios-
corides, Theophrast und Plinius ihren Pflanzennamen
beigegeben hatten, war es nicht nur für die Wissenschaft des
16. Jahrhunderts, sondern ist es auch noch für die des 19.
Jahrhunderts eine sehr schwierige Aufgabe, die Pflanzen jener
antiken Schriftsteller wiederzuerkennen; so entstand eine derartige
Verwirrung der Namen, daß der Leser eines botanischen Werkes
niemals sicher sein konnte, ob die Pflanze des einen Autors auch
dieselbe sei wie die gleichnamige Pflanze eines anderen. Jeder
Pflanzenbeschreibung pflegte daher schon damals eine kritische
Auseinandersetzung darüber beigegeben zu werden, in wiefern
der gebrauchte Name mit dem anderer Autoren übereinstimme
oder nicht. Diesen Zustand der Unsicherheit wollte Caspar
Bauhin
durch seinen Pinax beseitigen, indem er für alle ihm
bekannten Pflanzenarten die von früheren Autoren für dieselben
gebrauchten Namen nachwies, so daß man mit Hilfe dieses Bu-
ches noch jetzt im Stande ist, sich über die Nomenklatur des 16.
Jahrhunderts zu orientiren; der Pinax ist mit einem Wort das
erste und für jene Zeit vollkommen erschöpfende Synonymenwerk,
welches für historische Studien betreffs einzelner Pflanzenarten
noch jetzt geradezu unentbehrlich ist, gewiß kein kleines Lob, wel-
ches einem Werke selbst nach 250 Jahren noch gespendet wer-
den kann.

Bei dieser Tendenz des Pinax wäre es erlaubt, ja sogar
zweckmäßig gewesen, die Pflanzen in alphabetischer Reihenfolge
anzuführen; desto mehr überrascht es gerade hier, eine sorgfältige
Anordnung nach natürlichen Verwandtschaften befolgt zu sehen;
gerade dies beweist, was auch durch den Prodromus bestätigt
wird, daß Bauhin einen sehr großen Werth auf die Anordnung
nach natürlichen Verwandtschaften legte. Auch in diesem Punkte

von Brunfels bis auf Caspar Bauhin.
werden für jede einzelne Pflanze ganze Reihen von Namen an-
geführt; dazu kam, daß die Botaniker des 16. Jahrhunderts, wo
nur irgend möglich, die Namen des Dioscorides und anderer
antiken Schriftſteller auf beſtimmte, in Mitteleuropa gefundene
Pflanzen anwenden wollten; bei der oft ganz mangelnden ge-
wöhnlich aber durchaus ungenügenden Beſchreibung, welche Dios-
corides, Theophraſt und Plinius ihren Pflanzennamen
beigegeben hatten, war es nicht nur für die Wiſſenſchaft des
16. Jahrhunderts, ſondern iſt es auch noch für die des 19.
Jahrhunderts eine ſehr ſchwierige Aufgabe, die Pflanzen jener
antiken Schriftſteller wiederzuerkennen; ſo entſtand eine derartige
Verwirrung der Namen, daß der Leſer eines botaniſchen Werkes
niemals ſicher ſein konnte, ob die Pflanze des einen Autors auch
dieſelbe ſei wie die gleichnamige Pflanze eines anderen. Jeder
Pflanzenbeſchreibung pflegte daher ſchon damals eine kritiſche
Auseinanderſetzung darüber beigegeben zu werden, in wiefern
der gebrauchte Name mit dem anderer Autoren übereinſtimme
oder nicht. Dieſen Zuſtand der Unſicherheit wollte Caspar
Bauhin
durch ſeinen Pinax beſeitigen, indem er für alle ihm
bekannten Pflanzenarten die von früheren Autoren für dieſelben
gebrauchten Namen nachwies, ſo daß man mit Hilfe dieſes Bu-
ches noch jetzt im Stande iſt, ſich über die Nomenklatur des 16.
Jahrhunderts zu orientiren; der Pinax iſt mit einem Wort das
erſte und für jene Zeit vollkommen erſchöpfende Synonymenwerk,
welches für hiſtoriſche Studien betreffs einzelner Pflanzenarten
noch jetzt geradezu unentbehrlich iſt, gewiß kein kleines Lob, wel-
ches einem Werke ſelbſt nach 250 Jahren noch geſpendet wer-
den kann.

Bei dieſer Tendenz des Pinax wäre es erlaubt, ja ſogar
zweckmäßig geweſen, die Pflanzen in alphabetiſcher Reihenfolge
anzuführen; deſto mehr überraſcht es gerade hier, eine ſorgfältige
Anordnung nach natürlichen Verwandtſchaften befolgt zu ſehen;
gerade dies beweiſt, was auch durch den Prodromus beſtätigt
wird, daß Bauhin einen ſehr großen Werth auf die Anordnung
nach natürlichen Verwandtſchaften legte. Auch in dieſem Punkte

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[37/0049] von Brunfels bis auf Caspar Bauhin. werden für jede einzelne Pflanze ganze Reihen von Namen an- geführt; dazu kam, daß die Botaniker des 16. Jahrhunderts, wo nur irgend möglich, die Namen des Dioscorides und anderer antiken Schriftſteller auf beſtimmte, in Mitteleuropa gefundene Pflanzen anwenden wollten; bei der oft ganz mangelnden ge- wöhnlich aber durchaus ungenügenden Beſchreibung, welche Dios- corides, Theophraſt und Plinius ihren Pflanzennamen beigegeben hatten, war es nicht nur für die Wiſſenſchaft des 16. Jahrhunderts, ſondern iſt es auch noch für die des 19. Jahrhunderts eine ſehr ſchwierige Aufgabe, die Pflanzen jener antiken Schriftſteller wiederzuerkennen; ſo entſtand eine derartige Verwirrung der Namen, daß der Leſer eines botaniſchen Werkes niemals ſicher ſein konnte, ob die Pflanze des einen Autors auch dieſelbe ſei wie die gleichnamige Pflanze eines anderen. Jeder Pflanzenbeſchreibung pflegte daher ſchon damals eine kritiſche Auseinanderſetzung darüber beigegeben zu werden, in wiefern der gebrauchte Name mit dem anderer Autoren übereinſtimme oder nicht. Dieſen Zuſtand der Unſicherheit wollte Caspar Bauhin durch ſeinen Pinax beſeitigen, indem er für alle ihm bekannten Pflanzenarten die von früheren Autoren für dieſelben gebrauchten Namen nachwies, ſo daß man mit Hilfe dieſes Bu- ches noch jetzt im Stande iſt, ſich über die Nomenklatur des 16. Jahrhunderts zu orientiren; der Pinax iſt mit einem Wort das erſte und für jene Zeit vollkommen erſchöpfende Synonymenwerk, welches für hiſtoriſche Studien betreffs einzelner Pflanzenarten noch jetzt geradezu unentbehrlich iſt, gewiß kein kleines Lob, wel- ches einem Werke ſelbſt nach 250 Jahren noch geſpendet wer- den kann. Bei dieſer Tendenz des Pinax wäre es erlaubt, ja ſogar zweckmäßig geweſen, die Pflanzen in alphabetiſcher Reihenfolge anzuführen; deſto mehr überraſcht es gerade hier, eine ſorgfältige Anordnung nach natürlichen Verwandtſchaften befolgt zu ſehen; gerade dies beweiſt, was auch durch den Prodromus beſtätigt wird, daß Bauhin einen ſehr großen Werth auf die Anordnung nach natürlichen Verwandtſchaften legte. Auch in dieſem Punkte

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/49>, abgerufen am 25.04.2024.