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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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von Brunfels bis auf Caspar Bauhin.
unbrauchbar. In dieser Richtung also hatten die Verfasser der
Kräuterbücher an den antiken Schriftstellern durchaus keine nach-
ahmungswerthen Vorbilder. Indem man aber die Medicinal-
Pflanzen der griechischen Aerzte wiederzuerkennen suchte 1), war
man genöthigt, die verschiedensten Pflanzen Deutschlands zu
vergleichen und so die sinnliche Auffassung der Formverschieden-
heiten zu üben und zu verfeinern; dieses dem medicinischen
Bedürfnisse entsprungene Verfahren leitete die Aufmerksamkeit
ganz auf das Einzelne, worauf es auch im rein wissenschaftlichen
Interesse zunächst ankam; es war damit weit mehr gewonnen,
als wenn sich diese Männer an die philosophischen Schriften des
Aristoteles 2) und Theophrastos 3) gehalten hätten; denn
diese hatten ihre philosophisch botanischen Ansichten auf sehr schwachen
Grund gebaut; ihnen war kaum eine Pflanze in allen ihren
Theilen genau bekannt; sehr Vieles wußten sie nur vom Hören-
sagen, nicht selten waren Kräuterhändler die Quellen ihres Wissens
gewesen. Aus diesem kümmerlichen Beobachtungsmaterial, aus
allerlei überkommenem Volksglauben hatte Aristoteles seine
Ansichten über das Wesen der Pflanzen aufgebaut und wenn

1) Neben den im Text genannten Kräuterbüchern, die wir als botanisch
wissenschaftliche bezeichnen dürfen, bildete sich im Interesse der Medicin oder
doch des medicinischen Aberglaubens eine ziemlich reichhaltige Literatur über
die sogen. signatura plantarum im 16. und 17. Jahrhundert aus. Man
glaubte nemlich aus gewissen äußeren Merkmalen, aus Aehnlichkeiten ge-
wisser Pflanzentheile mit menschlichen Organen u. dgl. errathen zu können, welche
Pflanzen und welche Theile derselben als Heilmittel zu verwenden seien.
Pritzel macht 24 Schriften namhaft, welche von 1550-1697 darüber
erschienen sind. Nebenbei nahmen auch die Kräuterbücher von der signatura
Notiz und noch bei Ray findet sich dieselbe kritisch behandelt.
2) Die auf uns gekommenen Fragmente aristotelischer Botanik findet
man nach Wimmer's Ausgabe übersetzt in E. Meyer's Gesch. d. Bot. I.
p.
94. ff.
3) Ueber Theophrastos Eresios geb. auf Lesbos 371, gest. 286
v. Chr. berichtet ausführlich E. Meyer Gesch. d. Bot. Schon 1483 er-
schien eine von Theodor Gaza besorgte Ausgabe seiner Bücher de historia
et de causis pl.
(Vergl. Pritzel thesaurus lit. bot.)
Sachs, Geschichte der Botanik. 2

von Brunfels bis auf Caspar Bauhin.
unbrauchbar. In dieſer Richtung alſo hatten die Verfaſſer der
Kräuterbücher an den antiken Schriftſtellern durchaus keine nach-
ahmungswerthen Vorbilder. Indem man aber die Medicinal-
Pflanzen der griechiſchen Aerzte wiederzuerkennen ſuchte 1), war
man genöthigt, die verſchiedenſten Pflanzen Deutſchlands zu
vergleichen und ſo die ſinnliche Auffaſſung der Formverſchieden-
heiten zu üben und zu verfeinern; dieſes dem mediciniſchen
Bedürfniſſe entſprungene Verfahren leitete die Aufmerkſamkeit
ganz auf das Einzelne, worauf es auch im rein wiſſenſchaftlichen
Intereſſe zunächſt ankam; es war damit weit mehr gewonnen,
als wenn ſich dieſe Männer an die philoſophiſchen Schriften des
Ariſtoteles 2) und Theophraſtos 3) gehalten hätten; denn
dieſe hatten ihre philoſophiſch botaniſchen Anſichten auf ſehr ſchwachen
Grund gebaut; ihnen war kaum eine Pflanze in allen ihren
Theilen genau bekannt; ſehr Vieles wußten ſie nur vom Hören-
ſagen, nicht ſelten waren Kräuterhändler die Quellen ihres Wiſſens
geweſen. Aus dieſem kümmerlichen Beobachtungsmaterial, aus
allerlei überkommenem Volksglauben hatte Ariſtoteles ſeine
Anſichten über das Weſen der Pflanzen aufgebaut und wenn

1) Neben den im Text genannten Kräuterbüchern, die wir als botaniſch
wiſſenſchaftliche bezeichnen dürfen, bildete ſich im Intereſſe der Medicin oder
doch des mediciniſchen Aberglaubens eine ziemlich reichhaltige Literatur über
die ſogen. signatura plantarum im 16. und 17. Jahrhundert aus. Man
glaubte nemlich aus gewiſſen äußeren Merkmalen, aus Aehnlichkeiten ge-
wiſſer Pflanzentheile mit menſchlichen Organen u. dgl. errathen zu können, welche
Pflanzen und welche Theile derſelben als Heilmittel zu verwenden ſeien.
Pritzel macht 24 Schriften namhaft, welche von 1550–1697 darüber
erſchienen ſind. Nebenbei nahmen auch die Kräuterbücher von der signatura
Notiz und noch bei Ray findet ſich dieſelbe kritiſch behandelt.
2) Die auf uns gekommenen Fragmente ariſtoteliſcher Botanik findet
man nach Wimmer's Ausgabe überſetzt in E. Meyer's Geſch. d. Bot. I.
p.
94. ff.
3) Ueber Theophraſtos Ereſios geb. auf Lesbos 371, geſt. 286
v. Chr. berichtet ausführlich E. Meyer Geſch. d. Bot. Schon 1483 er-
ſchien eine von Theodor Gaza beſorgte Ausgabe ſeiner Bücher de historia
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[17/0029] von Brunfels bis auf Caspar Bauhin. unbrauchbar. In dieſer Richtung alſo hatten die Verfaſſer der Kräuterbücher an den antiken Schriftſtellern durchaus keine nach- ahmungswerthen Vorbilder. Indem man aber die Medicinal- Pflanzen der griechiſchen Aerzte wiederzuerkennen ſuchte 1), war man genöthigt, die verſchiedenſten Pflanzen Deutſchlands zu vergleichen und ſo die ſinnliche Auffaſſung der Formverſchieden- heiten zu üben und zu verfeinern; dieſes dem mediciniſchen Bedürfniſſe entſprungene Verfahren leitete die Aufmerkſamkeit ganz auf das Einzelne, worauf es auch im rein wiſſenſchaftlichen Intereſſe zunächſt ankam; es war damit weit mehr gewonnen, als wenn ſich dieſe Männer an die philoſophiſchen Schriften des Ariſtoteles 2) und Theophraſtos 3) gehalten hätten; denn dieſe hatten ihre philoſophiſch botaniſchen Anſichten auf ſehr ſchwachen Grund gebaut; ihnen war kaum eine Pflanze in allen ihren Theilen genau bekannt; ſehr Vieles wußten ſie nur vom Hören- ſagen, nicht ſelten waren Kräuterhändler die Quellen ihres Wiſſens geweſen. Aus dieſem kümmerlichen Beobachtungsmaterial, aus allerlei überkommenem Volksglauben hatte Ariſtoteles ſeine Anſichten über das Weſen der Pflanzen aufgebaut und wenn 1) Neben den im Text genannten Kräuterbüchern, die wir als botaniſch wiſſenſchaftliche bezeichnen dürfen, bildete ſich im Intereſſe der Medicin oder doch des mediciniſchen Aberglaubens eine ziemlich reichhaltige Literatur über die ſogen. signatura plantarum im 16. und 17. Jahrhundert aus. Man glaubte nemlich aus gewiſſen äußeren Merkmalen, aus Aehnlichkeiten ge- wiſſer Pflanzentheile mit menſchlichen Organen u. dgl. errathen zu können, welche Pflanzen und welche Theile derſelben als Heilmittel zu verwenden ſeien. Pritzel macht 24 Schriften namhaft, welche von 1550–1697 darüber erſchienen ſind. Nebenbei nahmen auch die Kräuterbücher von der signatura Notiz und noch bei Ray findet ſich dieſelbe kritiſch behandelt. 2) Die auf uns gekommenen Fragmente ariſtoteliſcher Botanik findet man nach Wimmer's Ausgabe überſetzt in E. Meyer's Geſch. d. Bot. I. p. 94. ff. 3) Ueber Theophraſtos Ereſios geb. auf Lesbos 371, geſt. 286 v. Chr. berichtet ausführlich E. Meyer Geſch. d. Bot. Schon 1483 er- ſchien eine von Theodor Gaza beſorgte Ausgabe ſeiner Bücher de historia et de causis pl. (Vergl. Pritzel thesaurus lit. bot.) Sachs, Geſchichte der Botanik. 2

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/29>, abgerufen am 29.03.2024.