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Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zwei Gläser, welche in Israel geduldet werden. Der Fremde hob sein Glas gegen mich: Auf Ihre Gesundheit!

Er meinte es aufrichtig, denn er leerte das große Glas auf einen Zug. Ein Trinker war er nicht, dazu hatte er den Wein zu wenig gekostet, an die Zunge genommen, an dem Gaumen emporgeschnalzt.

Der Jude sah ihm zu und sprach schüchtern: Das ist eine Ehre, daß der Herr Wohlthäter wieder einmal bei mir einsprechen. Und wie gut aussehen; immer noch ganz am Fleck! Moschku versuchte sich bei dieser Bemerkung die Haltung eines Löwen zu geben, und dazu schien es ihm unentbehrlich, seine mürben Arme wie die zerbrochenen Henkel einer Vase von Pompeji auseinander zu spreizen und wie in der Tretmühle die Füße abwechselnd zu heben und wieder aufzustampfen.

Nun, und wie befinden sich die gnädige Frau Wohlthäterin und die lieben Kinder?

Gut! Gut! Mein Bojar schenkte sich das zweite Glas ein und trank es aus, aber Alles mit niedergeschlagenen Augen, wie beschämt. Und als der Jude längst fort war, blickte er schüchtern nach mir herüber und war über und über roth. Lange war er stille, rauchte so vor sich hin, schenkte mir ein; endlich sagte er ganz leise: Ich muß Ihnen ziemlich lächerlich erscheinen. Sie denken gewiß, der alte Esel hat Weib und Kinder zu Hause und will mich da von seinen

zwei Gläser, welche in Israel geduldet werden. Der Fremde hob sein Glas gegen mich: Auf Ihre Gesundheit!

Er meinte es aufrichtig, denn er leerte das große Glas auf einen Zug. Ein Trinker war er nicht, dazu hatte er den Wein zu wenig gekostet, an die Zunge genommen, an dem Gaumen emporgeschnalzt.

Der Jude sah ihm zu und sprach schüchtern: Das ist eine Ehre, daß der Herr Wohlthäter wieder einmal bei mir einsprechen. Und wie gut aussehen; immer noch ganz am Fleck! Moschku versuchte sich bei dieser Bemerkung die Haltung eines Löwen zu geben, und dazu schien es ihm unentbehrlich, seine mürben Arme wie die zerbrochenen Henkel einer Vase von Pompeji auseinander zu spreizen und wie in der Tretmühle die Füße abwechselnd zu heben und wieder aufzustampfen.

Nun, und wie befinden sich die gnädige Frau Wohlthäterin und die lieben Kinder?

Gut! Gut! Mein Bojar schenkte sich das zweite Glas ein und trank es aus, aber Alles mit niedergeschlagenen Augen, wie beschämt. Und als der Jude längst fort war, blickte er schüchtern nach mir herüber und war über und über roth. Lange war er stille, rauchte so vor sich hin, schenkte mir ein; endlich sagte er ganz leise: Ich muß Ihnen ziemlich lächerlich erscheinen. Sie denken gewiß, der alte Esel hat Weib und Kinder zu Hause und will mich da von seinen

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[0022] zwei Gläser, welche in Israel geduldet werden. Der Fremde hob sein Glas gegen mich: Auf Ihre Gesundheit! Er meinte es aufrichtig, denn er leerte das große Glas auf einen Zug. Ein Trinker war er nicht, dazu hatte er den Wein zu wenig gekostet, an die Zunge genommen, an dem Gaumen emporgeschnalzt. Der Jude sah ihm zu und sprach schüchtern: Das ist eine Ehre, daß der Herr Wohlthäter wieder einmal bei mir einsprechen. Und wie gut aussehen; immer noch ganz am Fleck! Moschku versuchte sich bei dieser Bemerkung die Haltung eines Löwen zu geben, und dazu schien es ihm unentbehrlich, seine mürben Arme wie die zerbrochenen Henkel einer Vase von Pompeji auseinander zu spreizen und wie in der Tretmühle die Füße abwechselnd zu heben und wieder aufzustampfen. Nun, und wie befinden sich die gnädige Frau Wohlthäterin und die lieben Kinder? Gut! Gut! Mein Bojar schenkte sich das zweite Glas ein und trank es aus, aber Alles mit niedergeschlagenen Augen, wie beschämt. Und als der Jude längst fort war, blickte er schüchtern nach mir herüber und war über und über roth. Lange war er stille, rauchte so vor sich hin, schenkte mir ein; endlich sagte er ganz leise: Ich muß Ihnen ziemlich lächerlich erscheinen. Sie denken gewiß, der alte Esel hat Weib und Kinder zu Hause und will mich da von seinen

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/22>, abgerufen am 29.03.2024.