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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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ches vorzeiten wahrscheinlich dem Frate ist beygemessen wor-
den, da zu München (s. v. Mannlichs Katalog) eine schlechte
und schwere Copie desselben schon seit funfzig Jahren als ein
Werk des Fra Bartolommeo vorgezeigt wird. Verschiedent-
lich haben wir gesehn, wie wenig Werth in productiven Kunst-
zeiten in solche, gewöhnlichere Arbeiten gelegt wurde, wie
leicht man sich entschloß, für andere und im Namen anderer
Künstler zu arbeiten. Die Annahme, daß Raphael dieses
Bildchen, ehe er in Florenz recht bekannt geworden, dem Fra
Bartolommeo
und in dessen Namen gemalt habe, wäre dem-
nach nicht von aller Probabilität entblößt. In solchem Falle
würde Raphael sich bemüht haben, dem Frate ähnlich zu wer-
den, ihm sich anzuschmiegen; wir werden sehn, daß er noch
ungleich später an den Arbeiten dieses Künstlers wiederholt
Theil genommen hat.

Nichts scheint indeß der Madonna Tempi näher zu stehn,
als zwey Bildnisse, Agnolo Doni und dessen Gattin. Sie
wurden vor wenig Jahren zu Florenz bey den Erben dieses
Hauses wiederaufgefunden und glücklich für die Sammlung
des Großherzogl. Palastes Pitti angekauft. Vasari scheint
anzudeuten, daß Raphael diese Bildnisse zu Anfang seiner flo-
rentinischen Laufbahn gemalt habe. "Agnolo Doni, sagt er,
welcher gern Kunstsachen anschaffte, doch mit möglichster
Sparsamkeit des Aufwandes, trug dem Raphael, als er zu
Florenz sich aufhielt, diese Bildnisse auf." Der neue An-
kömmling mochte zu wohlfeileren Preisen arbeiten, oder Va-
sari
es voraussetzen, als er dem Doni diesen Seitenblick zu-
wandte. Was nun Vasari dabey im Sinne geführt haben
möge, so scheint doch das Bildniß des Gatten weniger an-
ziehend, als das Gegenstück. Der Rücken der Gestalt drängt

ches vorzeiten wahrſcheinlich dem Frate iſt beygemeſſen wor-
den, da zu Muͤnchen (ſ. v. Mannlichs Katalog) eine ſchlechte
und ſchwere Copie deſſelben ſchon ſeit funfzig Jahren als ein
Werk des Fra Bartolommeo vorgezeigt wird. Verſchiedent-
lich haben wir geſehn, wie wenig Werth in productiven Kunſt-
zeiten in ſolche, gewoͤhnlichere Arbeiten gelegt wurde, wie
leicht man ſich entſchloß, fuͤr andere und im Namen anderer
Kuͤnſtler zu arbeiten. Die Annahme, daß Raphael dieſes
Bildchen, ehe er in Florenz recht bekannt geworden, dem Fra
Bartolommeo
und in deſſen Namen gemalt habe, waͤre dem-
nach nicht von aller Probabilitaͤt entbloͤßt. In ſolchem Falle
wuͤrde Raphael ſich bemuͤht haben, dem Frate aͤhnlich zu wer-
den, ihm ſich anzuſchmiegen; wir werden ſehn, daß er noch
ungleich ſpaͤter an den Arbeiten dieſes Kuͤnſtlers wiederholt
Theil genommen hat.

Nichts ſcheint indeß der Madonna Tempi naͤher zu ſtehn,
als zwey Bildniſſe, Agnolo Doni und deſſen Gattin. Sie
wurden vor wenig Jahren zu Florenz bey den Erben dieſes
Hauſes wiederaufgefunden und gluͤcklich fuͤr die Sammlung
des Großherzogl. Palaſtes Pitti angekauft. Vaſari ſcheint
anzudeuten, daß Raphael dieſe Bildniſſe zu Anfang ſeiner flo-
rentiniſchen Laufbahn gemalt habe. „Agnolo Doni, ſagt er,
welcher gern Kunſtſachen anſchaffte, doch mit moͤglichſter
Sparſamkeit des Aufwandes, trug dem Raphael, als er zu
Florenz ſich aufhielt, dieſe Bildniſſe auf.“ Der neue An-
koͤmmling mochte zu wohlfeileren Preiſen arbeiten, oder Va-
ſari
es vorausſetzen, als er dem Doni dieſen Seitenblick zu-
wandte. Was nun Vaſari dabey im Sinne gefuͤhrt haben
moͤge, ſo ſcheint doch das Bildniß des Gatten weniger an-
ziehend, als das Gegenſtuͤck. Der Ruͤcken der Geſtalt draͤngt

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[62/0084] ches vorzeiten wahrſcheinlich dem Frate iſt beygemeſſen wor- den, da zu Muͤnchen (ſ. v. Mannlichs Katalog) eine ſchlechte und ſchwere Copie deſſelben ſchon ſeit funfzig Jahren als ein Werk des Fra Bartolommeo vorgezeigt wird. Verſchiedent- lich haben wir geſehn, wie wenig Werth in productiven Kunſt- zeiten in ſolche, gewoͤhnlichere Arbeiten gelegt wurde, wie leicht man ſich entſchloß, fuͤr andere und im Namen anderer Kuͤnſtler zu arbeiten. Die Annahme, daß Raphael dieſes Bildchen, ehe er in Florenz recht bekannt geworden, dem Fra Bartolommeo und in deſſen Namen gemalt habe, waͤre dem- nach nicht von aller Probabilitaͤt entbloͤßt. In ſolchem Falle wuͤrde Raphael ſich bemuͤht haben, dem Frate aͤhnlich zu wer- den, ihm ſich anzuſchmiegen; wir werden ſehn, daß er noch ungleich ſpaͤter an den Arbeiten dieſes Kuͤnſtlers wiederholt Theil genommen hat. Nichts ſcheint indeß der Madonna Tempi naͤher zu ſtehn, als zwey Bildniſſe, Agnolo Doni und deſſen Gattin. Sie wurden vor wenig Jahren zu Florenz bey den Erben dieſes Hauſes wiederaufgefunden und gluͤcklich fuͤr die Sammlung des Großherzogl. Palaſtes Pitti angekauft. Vaſari ſcheint anzudeuten, daß Raphael dieſe Bildniſſe zu Anfang ſeiner flo- rentiniſchen Laufbahn gemalt habe. „Agnolo Doni, ſagt er, welcher gern Kunſtſachen anſchaffte, doch mit moͤglichſter Sparſamkeit des Aufwandes, trug dem Raphael, als er zu Florenz ſich aufhielt, dieſe Bildniſſe auf.“ Der neue An- koͤmmling mochte zu wohlfeileren Preiſen arbeiten, oder Va- ſari es vorausſetzen, als er dem Doni dieſen Seitenblick zu- wandte. Was nun Vaſari dabey im Sinne gefuͤhrt haben moͤge, ſo ſcheint doch das Bildniß des Gatten weniger an- ziehend, als das Gegenſtuͤck. Der Ruͤcken der Geſtalt draͤngt

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/84>, abgerufen am 28.03.2024.