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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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dann Lante, endlich im Museo zu Berlin allen Kennern für
eine ungewöhnliche Production Raphaels gilt und seit längerer
Zeit gegolten hat. Unter den Bildern Raphaels, deren Ge-
genstand Vasari nicht umständlich angegeben, könnte es das-
jenige seyn, von dem er, gegen Ende der florentinischen Epoche,
bemerkt: es sey nach Siena gesandt worden *). Es stört
mich nicht, daß man behauptet, das Bild, welches Vasari
hier im Sinne habe, sey die Madonna der königl. französi-
schen Sammlungen, welche den Namen der belle jardiniere
erhalten hat **).

Bilder, welche, gleich der jardiniere, eine gewisse Eigen-
thümlichkeit der Composition haben, pflegt Vasari zu beschrei-
ben; die einfachen, häuslicher Andacht gewidmeten Madonnen
hingegen rasch zu übergehen. Es ist daher wahrscheinlicher,
daß er die Madonna di Casa Colonna gemeint habe, als eine
Zusammenstellung, welche seiner Feder so viele seiner beliebte-
sten Motive darbot, wenn er sie überhaupt kannte, oder dem
Raphael sie beymaß. Auch ist die Madonna Colonna dem
Geschmacke der Sieneser wunderbar, und vielleicht absichtlich

*) Vita di Raf. -- ed intanto fece un quadro che si mando in
Siena, il quale nella partita di Rafaello rimase a Ridolfo del Ghir-
landajo
, perche finisse un panno azurro che vi mancava.
-- Von die-
sem letzten mochte Vasari seine Kunde haben. -- Vita di Ridolfo Ghir-
landajo
,
erwähnt er desselben Vorganges umständlicher; dort nennt er
das Bild: "Quadro d'una Madonna."
**) S. Bottari zur obigen Stelle. Seine Meinung ist auf Anga-
ben und Vermuthungen des Mariette begründet, welche (lett. sulla pitt.)
in dessen Briefen entwickelt sind. Andere mögen richten, wessen Ver-
muthung der Wahrscheinlichkeit näher kommt. -- So viel ich mich ent-
sinne, ist sogar der Name des sienesischen Edelmannes, von dem Bottari
spricht, ganz unbekannt.

dann Lante, endlich im Muſeo zu Berlin allen Kennern fuͤr
eine ungewoͤhnliche Production Raphaels gilt und ſeit laͤngerer
Zeit gegolten hat. Unter den Bildern Raphaels, deren Ge-
genſtand Vaſari nicht umſtaͤndlich angegeben, koͤnnte es das-
jenige ſeyn, von dem er, gegen Ende der florentiniſchen Epoche,
bemerkt: es ſey nach Siena geſandt worden *). Es ſtoͤrt
mich nicht, daß man behauptet, das Bild, welches Vaſari
hier im Sinne habe, ſey die Madonna der koͤnigl. franzoͤſi-
ſchen Sammlungen, welche den Namen der belle jardinière
erhalten hat **).

Bilder, welche, gleich der jardinière, eine gewiſſe Eigen-
thuͤmlichkeit der Compoſition haben, pflegt Vaſari zu beſchrei-
ben; die einfachen, haͤuslicher Andacht gewidmeten Madonnen
hingegen raſch zu uͤbergehen. Es iſt daher wahrſcheinlicher,
daß er die Madonna di Caſa Colonna gemeint habe, als eine
Zuſammenſtellung, welche ſeiner Feder ſo viele ſeiner beliebte-
ſten Motive darbot, wenn er ſie uͤberhaupt kannte, oder dem
Raphael ſie beymaß. Auch iſt die Madonna Colonna dem
Geſchmacke der Sieneſer wunderbar, und vielleicht abſichtlich

*) Vita di Raf. — ed intanto fece un quadro che si mandò in
Siena, il quale nella partita di Rafaello rimase a Ridolfo del Ghir-
landajo
, perchè finisse un panno azurro che vi mancava.
— Von die-
ſem letzten mochte Vaſari ſeine Kunde haben. — Vita di Ridolfo Ghir-
landajo
,
erwähnt er deſſelben Vorganges umſtändlicher; dort nennt er
das Bild: „Quadro d’una Madonna.“
**) S. Bottari zur obigen Stelle. Seine Meinung iſt auf Anga-
ben und Vermuthungen des Mariette begründet, welche (lett. sulla pitt.)
in deſſen Briefen entwickelt ſind. Andere mögen richten, weſſen Ver-
muthung der Wahrſcheinlichkeit näher kommt. — So viel ich mich ent-
ſinne, iſt ſogar der Name des ſieneſiſchen Edelmannes, von dem Bottari
ſpricht, ganz unbekannt.
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[54/0076] dann Lante, endlich im Muſeo zu Berlin allen Kennern fuͤr eine ungewoͤhnliche Production Raphaels gilt und ſeit laͤngerer Zeit gegolten hat. Unter den Bildern Raphaels, deren Ge- genſtand Vaſari nicht umſtaͤndlich angegeben, koͤnnte es das- jenige ſeyn, von dem er, gegen Ende der florentiniſchen Epoche, bemerkt: es ſey nach Siena geſandt worden *). Es ſtoͤrt mich nicht, daß man behauptet, das Bild, welches Vaſari hier im Sinne habe, ſey die Madonna der koͤnigl. franzoͤſi- ſchen Sammlungen, welche den Namen der belle jardinière erhalten hat **). Bilder, welche, gleich der jardinière, eine gewiſſe Eigen- thuͤmlichkeit der Compoſition haben, pflegt Vaſari zu beſchrei- ben; die einfachen, haͤuslicher Andacht gewidmeten Madonnen hingegen raſch zu uͤbergehen. Es iſt daher wahrſcheinlicher, daß er die Madonna di Caſa Colonna gemeint habe, als eine Zuſammenſtellung, welche ſeiner Feder ſo viele ſeiner beliebte- ſten Motive darbot, wenn er ſie uͤberhaupt kannte, oder dem Raphael ſie beymaß. Auch iſt die Madonna Colonna dem Geſchmacke der Sieneſer wunderbar, und vielleicht abſichtlich *) Vita di Raf. — ed intanto fece un quadro che si mandò in Siena, il quale nella partita di Rafaello rimase a Ridolfo del Ghir- landajo, perchè finisse un panno azurro che vi mancava. — Von die- ſem letzten mochte Vaſari ſeine Kunde haben. — Vita di Ridolfo Ghir- landajo, erwähnt er deſſelben Vorganges umſtändlicher; dort nennt er das Bild: „Quadro d’una Madonna.“ **) S. Bottari zur obigen Stelle. Seine Meinung iſt auf Anga- ben und Vermuthungen des Mariette begründet, welche (lett. sulla pitt.) in deſſen Briefen entwickelt ſind. Andere mögen richten, weſſen Ver- muthung der Wahrſcheinlichkeit näher kommt. — So viel ich mich ent- ſinne, iſt ſogar der Name des ſieneſiſchen Edelmannes, von dem Bottari ſpricht, ganz unbekannt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/76>, abgerufen am 19.04.2024.