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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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nicht irre, verkäuflich ist. Madonna mit dem Kinde, Halb-
figur, etwa zwei Drittheile gemeiner menschlicher Größe. Im
Ausdruck größte Ruhe und Genüglichkeit; in den Formen
viel Wahrheit, Ergebniß antheilvoller Beobachtung; in der
Carnation mehr Impasto, als dem Perugino gewöhnlich war,
schwärzliche Schatten, deren wärmere Ueberzüge die Zeit ver-
zehrt haben könnte, da keine Firnißlage die Oberfläche be-
schützt. In Ansehung dieser Zeichen größerer Selbstständigkeit
darf angenommen werden, daß Raphael das Bild schon auf
eigene Rechnung gemalt habe, wie es denn in vieler Hinsicht
von den angeführten zu seinen Arbeiten in Citta die Castello
den Uebergang bildet.

Diesen letzten geht indeß eine Epoche voran, die sehr
viel Räthselhaftes aufzeigt, deren Erfahrungen, Neigungen,
Maximen oft müssen in der Erinnerung wieder aufgestiegen
seyn, da sie auch in den späteren Jugendarbeiten Raphaels
mehr als einmal sich verjüngt haben.

Wir entsinnen uns aus einer früheren Abhandlung *),
daß Niccolo Alunno zu Fuligno einer kräftigen, bräunlichen
Färbung geneigt war, welche Perugino und Pinturicchio nur
vorübergehend, auch dann nur bedingt, Andrea di Luigi von
Asisi
hingegen ohne Vorbehalt angenommen. Den malerischen
Charakter des Ingegno, über welchen Vasari, und, nach ihm
Lanzi und Fiorillo ganz widerstrebende Dinge melden, suchte
ich nach einem Bilde zu bestimmen, welches damals bey
Herrn Metzger gesehen wurde, nunmehr in den Besitz eines
florentinischen Kunstfreundes, des Herrn von Volkmann, über-
gegangen ist. Von ebenfalls abweichender Auffassung der

*) Th. II. S. 314. ff.

nicht irre, verkaͤuflich iſt. Madonna mit dem Kinde, Halb-
figur, etwa zwei Drittheile gemeiner menſchlicher Groͤße. Im
Ausdruck groͤßte Ruhe und Genuͤglichkeit; in den Formen
viel Wahrheit, Ergebniß antheilvoller Beobachtung; in der
Carnation mehr Impaſto, als dem Perugino gewoͤhnlich war,
ſchwaͤrzliche Schatten, deren waͤrmere Ueberzuͤge die Zeit ver-
zehrt haben koͤnnte, da keine Firnißlage die Oberflaͤche be-
ſchuͤtzt. In Anſehung dieſer Zeichen groͤßerer Selbſtſtaͤndigkeit
darf angenommen werden, daß Raphael das Bild ſchon auf
eigene Rechnung gemalt habe, wie es denn in vieler Hinſicht
von den angefuͤhrten zu ſeinen Arbeiten in Città die Caſtello
den Uebergang bildet.

Dieſen letzten geht indeß eine Epoche voran, die ſehr
viel Raͤthſelhaftes aufzeigt, deren Erfahrungen, Neigungen,
Maximen oft muͤſſen in der Erinnerung wieder aufgeſtiegen
ſeyn, da ſie auch in den ſpaͤteren Jugendarbeiten Raphaels
mehr als einmal ſich verjuͤngt haben.

Wir entſinnen uns aus einer fruͤheren Abhandlung *),
daß Niccolò Alunno zu Fuligno einer kraͤftigen, braͤunlichen
Faͤrbung geneigt war, welche Perugino und Pinturicchio nur
voruͤbergehend, auch dann nur bedingt, Andrea di Luigi von
Aſiſi
hingegen ohne Vorbehalt angenommen. Den maleriſchen
Charakter des Ingegno, uͤber welchen Vaſari, und, nach ihm
Lanzi und Fiorillo ganz widerſtrebende Dinge melden, ſuchte
ich nach einem Bilde zu beſtimmen, welches damals bey
Herrn Metzger geſehen wurde, nunmehr in den Beſitz eines
florentiniſchen Kunſtfreundes, des Herrn von Volkmann, uͤber-
gegangen iſt. Von ebenfalls abweichender Auffaſſung der

*) Th. II. S. 314. ff.
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[29/0051] nicht irre, verkaͤuflich iſt. Madonna mit dem Kinde, Halb- figur, etwa zwei Drittheile gemeiner menſchlicher Groͤße. Im Ausdruck groͤßte Ruhe und Genuͤglichkeit; in den Formen viel Wahrheit, Ergebniß antheilvoller Beobachtung; in der Carnation mehr Impaſto, als dem Perugino gewoͤhnlich war, ſchwaͤrzliche Schatten, deren waͤrmere Ueberzuͤge die Zeit ver- zehrt haben koͤnnte, da keine Firnißlage die Oberflaͤche be- ſchuͤtzt. In Anſehung dieſer Zeichen groͤßerer Selbſtſtaͤndigkeit darf angenommen werden, daß Raphael das Bild ſchon auf eigene Rechnung gemalt habe, wie es denn in vieler Hinſicht von den angefuͤhrten zu ſeinen Arbeiten in Città die Caſtello den Uebergang bildet. Dieſen letzten geht indeß eine Epoche voran, die ſehr viel Raͤthſelhaftes aufzeigt, deren Erfahrungen, Neigungen, Maximen oft muͤſſen in der Erinnerung wieder aufgeſtiegen ſeyn, da ſie auch in den ſpaͤteren Jugendarbeiten Raphaels mehr als einmal ſich verjuͤngt haben. Wir entſinnen uns aus einer fruͤheren Abhandlung *), daß Niccolò Alunno zu Fuligno einer kraͤftigen, braͤunlichen Faͤrbung geneigt war, welche Perugino und Pinturicchio nur voruͤbergehend, auch dann nur bedingt, Andrea di Luigi von Aſiſi hingegen ohne Vorbehalt angenommen. Den maleriſchen Charakter des Ingegno, uͤber welchen Vaſari, und, nach ihm Lanzi und Fiorillo ganz widerſtrebende Dinge melden, ſuchte ich nach einem Bilde zu beſtimmen, welches damals bey Herrn Metzger geſehen wurde, nunmehr in den Beſitz eines florentiniſchen Kunſtfreundes, des Herrn von Volkmann, uͤber- gegangen iſt. Von ebenfalls abweichender Auffaſſung der *) Th. II. S. 314. ff.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/51>, abgerufen am 29.03.2024.