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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Karthause unweit Pavia, welches Vasari im Leben des Pe-
rugino
als dessen Arbeit bezeichnet und mit Lobsprüchen über-
häuft, als durchaus raphaelisirt, im Ganzen, wie in den
Theilen, völlig umgegossen.

In dieser frühen Zeit ward die Kunst gewerbsmäßig so-
wohl betrieben, als begünstigt; weßhalb ich nicht bezweifle,
daß jenes schöne Gemälde dem weitberühmten Pietro aufge-
tragen worden; sein hoffnungsvoller Schüler oder Geselle war
höchst wahrscheinlich damals selbst dem Namen nach in der
entfernten Lombardey ganz unbekannt. Da nun auch in der
Anordnung und Farbenwahl einiger Einfluß des Meisters be-
merklich wird, so erkläre ich mir, daß Vasari, welcher nach
vielen Umständen die Karthause zu Pavia nur flüchtig kann
gesehen haben, bey der Kunde von jener Bestellung sich be-
friedigte. Ueberhaupt ist Vasari, den der Umfang seiner Un-
ternehmung von genauer Erforschung des Einzelnen abgeleitet,
nie dahin gelangt, die verschiedenen Epochen des Perugino,
und in dessen späteren Arbeiten die Hand seiner vorzüglich-
sten Gehülfen befriedigend zu unterscheiden.

Bey Aufhebung des Klosters, in seiner Gesammtheit des
größten Wunders der Lombardey, sind die größeren Abthei-
lungen dieses Altarbildes durch Ankauf in das Haus des
Duca Melzi übergegangen; der Karthause blieb, in dem Gie-
belfelde des alten Rahmens, Gott der Vater mit dem Sym-
bol des heiligen Geistes. Dieser Giebelschmuck fand und fin-
det sich noch in einem älteren Altargemälde Raphaels zu
Neapel und in dem alten Rahmen der Grablegung Borghese,
in der Kirche S. Francesco zu Perugia; also war diese, frey-
lich der umbrischen Schule seit lange geläufige, Verzierung
auch dem Raphael ehrwürdig und beliebt.

Karthauſe unweit Pavia, welches Vaſari im Leben des Pe-
rugino
als deſſen Arbeit bezeichnet und mit Lobſpruͤchen uͤber-
haͤuft, als durchaus raphaeliſirt, im Ganzen, wie in den
Theilen, voͤllig umgegoſſen.

In dieſer fruͤhen Zeit ward die Kunſt gewerbsmaͤßig ſo-
wohl betrieben, als beguͤnſtigt; weßhalb ich nicht bezweifle,
daß jenes ſchoͤne Gemaͤlde dem weitberuͤhmten Pietro aufge-
tragen worden; ſein hoffnungsvoller Schuͤler oder Geſelle war
hoͤchſt wahrſcheinlich damals ſelbſt dem Namen nach in der
entfernten Lombardey ganz unbekannt. Da nun auch in der
Anordnung und Farbenwahl einiger Einfluß des Meiſters be-
merklich wird, ſo erklaͤre ich mir, daß Vaſari, welcher nach
vielen Umſtaͤnden die Karthauſe zu Pavia nur fluͤchtig kann
geſehen haben, bey der Kunde von jener Beſtellung ſich be-
friedigte. Ueberhaupt iſt Vaſari, den der Umfang ſeiner Un-
ternehmung von genauer Erforſchung des Einzelnen abgeleitet,
nie dahin gelangt, die verſchiedenen Epochen des Perugino,
und in deſſen ſpaͤteren Arbeiten die Hand ſeiner vorzuͤglich-
ſten Gehuͤlfen befriedigend zu unterſcheiden.

Bey Aufhebung des Kloſters, in ſeiner Geſammtheit des
groͤßten Wunders der Lombardey, ſind die groͤßeren Abthei-
lungen dieſes Altarbildes durch Ankauf in das Haus des
Duca Melzi uͤbergegangen; der Karthauſe blieb, in dem Gie-
belfelde des alten Rahmens, Gott der Vater mit dem Sym-
bol des heiligen Geiſtes. Dieſer Giebelſchmuck fand und fin-
det ſich noch in einem aͤlteren Altargemaͤlde Raphaels zu
Neapel und in dem alten Rahmen der Grablegung Borgheſe,
in der Kirche S. Francesco zu Perugia; alſo war dieſe, frey-
lich der umbriſchen Schule ſeit lange gelaͤufige, Verzierung
auch dem Raphael ehrwuͤrdig und beliebt.

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[27/0049] Karthauſe unweit Pavia, welches Vaſari im Leben des Pe- rugino als deſſen Arbeit bezeichnet und mit Lobſpruͤchen uͤber- haͤuft, als durchaus raphaeliſirt, im Ganzen, wie in den Theilen, voͤllig umgegoſſen. In dieſer fruͤhen Zeit ward die Kunſt gewerbsmaͤßig ſo- wohl betrieben, als beguͤnſtigt; weßhalb ich nicht bezweifle, daß jenes ſchoͤne Gemaͤlde dem weitberuͤhmten Pietro aufge- tragen worden; ſein hoffnungsvoller Schuͤler oder Geſelle war hoͤchſt wahrſcheinlich damals ſelbſt dem Namen nach in der entfernten Lombardey ganz unbekannt. Da nun auch in der Anordnung und Farbenwahl einiger Einfluß des Meiſters be- merklich wird, ſo erklaͤre ich mir, daß Vaſari, welcher nach vielen Umſtaͤnden die Karthauſe zu Pavia nur fluͤchtig kann geſehen haben, bey der Kunde von jener Beſtellung ſich be- friedigte. Ueberhaupt iſt Vaſari, den der Umfang ſeiner Un- ternehmung von genauer Erforſchung des Einzelnen abgeleitet, nie dahin gelangt, die verſchiedenen Epochen des Perugino, und in deſſen ſpaͤteren Arbeiten die Hand ſeiner vorzuͤglich- ſten Gehuͤlfen befriedigend zu unterſcheiden. Bey Aufhebung des Kloſters, in ſeiner Geſammtheit des groͤßten Wunders der Lombardey, ſind die groͤßeren Abthei- lungen dieſes Altarbildes durch Ankauf in das Haus des Duca Melzi uͤbergegangen; der Karthauſe blieb, in dem Gie- belfelde des alten Rahmens, Gott der Vater mit dem Sym- bol des heiligen Geiſtes. Dieſer Giebelſchmuck fand und fin- det ſich noch in einem aͤlteren Altargemaͤlde Raphaels zu Neapel und in dem alten Rahmen der Grablegung Borgheſe, in der Kirche S. Francesco zu Perugia; alſo war dieſe, frey- lich der umbriſchen Schule ſeit lange gelaͤufige, Verzierung auch dem Raphael ehrwuͤrdig und beliebt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/49>, abgerufen am 29.03.2024.