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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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des großartig, wohl auch des unbedingt Schönen. Davon
war auch Georg Vasari, der Wortführer dieser Schule, ganz
durchdrungen. Mit bedeutungsvoller Zurückhaltung (er mochte
das noch frische Andenken Raphaels scheuen) deutet er nun
an zwey Stellen an, daß Raphael, was nach seiner Ansicht an
ihm das Beste war, früher dem Carton von Pisa, später der
Decke in der sixtinischen Capelle sich abgelauscht habe. Der
Theorie nach blieb also dem Raphael schon damals kaum ein
eigenthümliches Verdienst.

Nachdem in der Folge die Schule des Buonarota, in
immer schwächerer Wiederholung übereinkömmlicher Formen,
bis zum Ohnmächtigen sich erschöpft hatte, daher nun auch
andere Verdienste ersten Ranges zu billiger Anerkennung ge-
langten, ward im Tizian, bald auch im Coreggio, ebenfalls
irgend ein absolut Schönes entdeckt und wiederum, zugleich
mit jener michelangelesken Großartigkeit der Umrisse als Maaß-
stab an Raphaels Werke angelegt *). Als endlich, in noch
späterer Zeit, die Kunst ihre Praxis fast aufgegeben hatte,
nur mit ihrer Theorie noch beschäftigt schien, sollten Raphaels
Malereyen, um die Probe zu halten, sogar bildnerische Schön-
heiten darlegen, wurden sie daher mit bestimmten antiken Sta-
tuen, in welchen man nunmehr endlich das Aechte, unbedingt
Schöne entdeckt zu haben glaubte, ganz im Einzelnen ver-
glichen **).

Freylich nun konnte man dem glanzvollen Localton des
Tizian, den kräftigen Gegensätzen des coreggesken Helldunkels,

*) S. Lettere sulla pittura etc. Roma 1754. To. I. p. 82. ff.
Briefe Annibale's an seinen Oheim Ludwig Caracci.
**) Weimarische Kunstfreunde.

des großartig, wohl auch des unbedingt Schoͤnen. Davon
war auch Georg Vaſari, der Wortfuͤhrer dieſer Schule, ganz
durchdrungen. Mit bedeutungsvoller Zuruͤckhaltung (er mochte
das noch friſche Andenken Raphaels ſcheuen) deutet er nun
an zwey Stellen an, daß Raphael, was nach ſeiner Anſicht an
ihm das Beſte war, fruͤher dem Carton von Piſa, ſpaͤter der
Decke in der ſixtiniſchen Capelle ſich abgelauſcht habe. Der
Theorie nach blieb alſo dem Raphael ſchon damals kaum ein
eigenthuͤmliches Verdienſt.

Nachdem in der Folge die Schule des Buonarota, in
immer ſchwaͤcherer Wiederholung uͤbereinkoͤmmlicher Formen,
bis zum Ohnmaͤchtigen ſich erſchoͤpft hatte, daher nun auch
andere Verdienſte erſten Ranges zu billiger Anerkennung ge-
langten, ward im Tizian, bald auch im Coreggio, ebenfalls
irgend ein abſolut Schoͤnes entdeckt und wiederum, zugleich
mit jener michelangelesken Großartigkeit der Umriſſe als Maaß-
ſtab an Raphaels Werke angelegt *). Als endlich, in noch
ſpaͤterer Zeit, die Kunſt ihre Praxis faſt aufgegeben hatte,
nur mit ihrer Theorie noch beſchaͤftigt ſchien, ſollten Raphaels
Malereyen, um die Probe zu halten, ſogar bildneriſche Schoͤn-
heiten darlegen, wurden ſie daher mit beſtimmten antiken Sta-
tuen, in welchen man nunmehr endlich das Aechte, unbedingt
Schoͤne entdeckt zu haben glaubte, ganz im Einzelnen ver-
glichen **).

Freylich nun konnte man dem glanzvollen Localton des
Tizian, den kraͤftigen Gegenſaͤtzen des coreggesken Helldunkels,

*) S. Lettere sulla pittura etc. Roma 1754. To. I. p. 82. ff.
Briefe Annibale’s an ſeinen Oheim Ludwig Caracci.
**) Weimariſche Kunſtfreunde.
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[11/0033] des großartig, wohl auch des unbedingt Schoͤnen. Davon war auch Georg Vaſari, der Wortfuͤhrer dieſer Schule, ganz durchdrungen. Mit bedeutungsvoller Zuruͤckhaltung (er mochte das noch friſche Andenken Raphaels ſcheuen) deutet er nun an zwey Stellen an, daß Raphael, was nach ſeiner Anſicht an ihm das Beſte war, fruͤher dem Carton von Piſa, ſpaͤter der Decke in der ſixtiniſchen Capelle ſich abgelauſcht habe. Der Theorie nach blieb alſo dem Raphael ſchon damals kaum ein eigenthuͤmliches Verdienſt. Nachdem in der Folge die Schule des Buonarota, in immer ſchwaͤcherer Wiederholung uͤbereinkoͤmmlicher Formen, bis zum Ohnmaͤchtigen ſich erſchoͤpft hatte, daher nun auch andere Verdienſte erſten Ranges zu billiger Anerkennung ge- langten, ward im Tizian, bald auch im Coreggio, ebenfalls irgend ein abſolut Schoͤnes entdeckt und wiederum, zugleich mit jener michelangelesken Großartigkeit der Umriſſe als Maaß- ſtab an Raphaels Werke angelegt *). Als endlich, in noch ſpaͤterer Zeit, die Kunſt ihre Praxis faſt aufgegeben hatte, nur mit ihrer Theorie noch beſchaͤftigt ſchien, ſollten Raphaels Malereyen, um die Probe zu halten, ſogar bildneriſche Schoͤn- heiten darlegen, wurden ſie daher mit beſtimmten antiken Sta- tuen, in welchen man nunmehr endlich das Aechte, unbedingt Schoͤne entdeckt zu haben glaubte, ganz im Einzelnen ver- glichen **). Freylich nun konnte man dem glanzvollen Localton des Tizian, den kraͤftigen Gegenſaͤtzen des coreggesken Helldunkels, *) S. Lettere sulla pittura etc. Roma 1754. To. I. p. 82. ff. Briefe Annibale’s an ſeinen Oheim Ludwig Caracci. **) Weimariſche Kunſtfreunde.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/33>, abgerufen am 29.03.2024.