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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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den, oder Fenster daran zu befestigen. Diese und ähnliche
Formen der christlich-römischen Architectur erhielten sich bey
den modernen Griechen, so weit meine Kunde reicht, um ein
Jahrhundert länger, als bey den Italienern; was die Ver-
muthung ausschließt, daß die Seltsamkeiten der italienischen
Gebäude des zwölften Jahrhunderts auf irgend eine Weise
neugriechischen Vorbildern nachgeahmt seyn. Liegt nun ohne-
hin deren Ursprung in den meisten Fällen klar zu Tage, so
sehe ich nicht, weßhalb man sich bemüht, sie auf der Grund-
lage bloßer Vermuthungen aus einer weiten und bisher nicht
umständlich bekannten Entfernung abzuleiten.

Die historische Redlichkeit erfordert, hier den Umstand
nicht zu übergehen, daß in den Umränderungen der griechi-
schen Miniaturen und Emailarbeiten nicht selten einige Hin-
neigung zu jener dem Orient eigenthümlichen Flächenverzie-
rung sich verräth. Die Morgenländer werden bis auf den
heutigen Tag in der Kunst, durch wechselnde Farben die Fläche,
ohne sie aufzuheben, zierlich zu unterbrechen, als Muster an-
gesehn und in Teppichen, Zeugen, eingelegten Arbeiten, nach-
geahmt. Indeß kann diese Manier, ihrem Princip nach, durch-
aus nicht in die körperliche, runde Darstellung übergehn, wird
daher auf die eigentliche Bauverzierung zu keiner Zeit einge-
wirkt haben, wovon zudem kein Beyspiel bekannt ist.

Wie bedingt an sich selbst, wie beschränkt auf einzelne
geographische Puncte der Einfluß der byzantinischen Architec-
tur auf die italienische gewesen sey, erhellt auch daraus, daß
jene allgemein verbreitete, ernstliche Nachahmung neugriechischer
Typen und Manieren der Malerey nicht früher eingetreten ist,
als im Verlaufe des dreyzehnten Jahrhunderts. Wäre schon
im eilften Jahrhundert, als der Zeit, in welcher ein, freylich

den, oder Fenſter daran zu befeſtigen. Dieſe und aͤhnliche
Formen der chriſtlich-roͤmiſchen Architectur erhielten ſich bey
den modernen Griechen, ſo weit meine Kunde reicht, um ein
Jahrhundert laͤnger, als bey den Italienern; was die Ver-
muthung ausſchließt, daß die Seltſamkeiten der italieniſchen
Gebaͤude des zwoͤlften Jahrhunderts auf irgend eine Weiſe
neugriechiſchen Vorbildern nachgeahmt ſeyn. Liegt nun ohne-
hin deren Urſprung in den meiſten Faͤllen klar zu Tage, ſo
ſehe ich nicht, weßhalb man ſich bemuͤht, ſie auf der Grund-
lage bloßer Vermuthungen aus einer weiten und bisher nicht
umſtaͤndlich bekannten Entfernung abzuleiten.

Die hiſtoriſche Redlichkeit erfordert, hier den Umſtand
nicht zu uͤbergehen, daß in den Umraͤnderungen der griechi-
ſchen Miniaturen und Emailarbeiten nicht ſelten einige Hin-
neigung zu jener dem Orient eigenthuͤmlichen Flaͤchenverzie-
rung ſich verraͤth. Die Morgenlaͤnder werden bis auf den
heutigen Tag in der Kunſt, durch wechſelnde Farben die Flaͤche,
ohne ſie aufzuheben, zierlich zu unterbrechen, als Muſter an-
geſehn und in Teppichen, Zeugen, eingelegten Arbeiten, nach-
geahmt. Indeß kann dieſe Manier, ihrem Princip nach, durch-
aus nicht in die koͤrperliche, runde Darſtellung uͤbergehn, wird
daher auf die eigentliche Bauverzierung zu keiner Zeit einge-
wirkt haben, wovon zudem kein Beyſpiel bekannt iſt.

Wie bedingt an ſich ſelbſt, wie beſchraͤnkt auf einzelne
geographiſche Puncte der Einfluß der byzantiniſchen Architec-
tur auf die italieniſche geweſen ſey, erhellt auch daraus, daß
jene allgemein verbreitete, ernſtliche Nachahmung neugriechiſcher
Typen und Manieren der Malerey nicht fruͤher eingetreten iſt,
als im Verlaufe des dreyzehnten Jahrhunderts. Waͤre ſchon
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[215/0237] den, oder Fenſter daran zu befeſtigen. Dieſe und aͤhnliche Formen der chriſtlich-roͤmiſchen Architectur erhielten ſich bey den modernen Griechen, ſo weit meine Kunde reicht, um ein Jahrhundert laͤnger, als bey den Italienern; was die Ver- muthung ausſchließt, daß die Seltſamkeiten der italieniſchen Gebaͤude des zwoͤlften Jahrhunderts auf irgend eine Weiſe neugriechiſchen Vorbildern nachgeahmt ſeyn. Liegt nun ohne- hin deren Urſprung in den meiſten Faͤllen klar zu Tage, ſo ſehe ich nicht, weßhalb man ſich bemuͤht, ſie auf der Grund- lage bloßer Vermuthungen aus einer weiten und bisher nicht umſtaͤndlich bekannten Entfernung abzuleiten. Die hiſtoriſche Redlichkeit erfordert, hier den Umſtand nicht zu uͤbergehen, daß in den Umraͤnderungen der griechi- ſchen Miniaturen und Emailarbeiten nicht ſelten einige Hin- neigung zu jener dem Orient eigenthuͤmlichen Flaͤchenverzie- rung ſich verraͤth. Die Morgenlaͤnder werden bis auf den heutigen Tag in der Kunſt, durch wechſelnde Farben die Flaͤche, ohne ſie aufzuheben, zierlich zu unterbrechen, als Muſter an- geſehn und in Teppichen, Zeugen, eingelegten Arbeiten, nach- geahmt. Indeß kann dieſe Manier, ihrem Princip nach, durch- aus nicht in die koͤrperliche, runde Darſtellung uͤbergehn, wird daher auf die eigentliche Bauverzierung zu keiner Zeit einge- wirkt haben, wovon zudem kein Beyſpiel bekannt iſt. Wie bedingt an ſich ſelbſt, wie beſchraͤnkt auf einzelne geographiſche Puncte der Einfluß der byzantiniſchen Architec- tur auf die italieniſche geweſen ſey, erhellt auch daraus, daß jene allgemein verbreitete, ernſtliche Nachahmung neugriechiſcher Typen und Manieren der Malerey nicht fruͤher eingetreten iſt, als im Verlaufe des dreyzehnten Jahrhunderts. Waͤre ſchon im eilften Jahrhundert, als der Zeit, in welcher ein, freylich

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/237>, abgerufen am 19.04.2024.