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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Auch dieses Gebäude ist, dem Grundriß nach, eine Ba-
silika. Der lateinische Ritus gestattete so wenig zu Venedig,
als irgendwo im Occident, griechische Kirchen im Wesent-
lichen
nachzuahmen. Die Unterbrechung der Säulenreihen
durch breite Mauermassen entstand selbst hier nicht etwa aus
der Absicht, vorschriftmäßige Abtheilungen und Sonderungen
hervorzubringen, welche der lateinischen Kirche stets fremd ge-
blieben sind, sondern aus der Nothwendigkeit, der nun ein-
mal beliebten, schwerfälligen und complicirten Construction
des Daches Stützen und Widerlagen zu geben. Neugriechisch,
oder byzantinisch, bleibt denn am Ende eben nur das bezeich-
nete, aus vielen fast gleich hohen Kuppeln zusammengestellte
Dach. Im Inneren der Kirche erscheinen diese Kuppeln flach
und gedrückt. Die Construction der hohen Verdachungskuppeln
der Marcuskirche ist überhaupt wohl neuer, als der Bau der
Kirche, vielleicht dem gegenwärtigen Schmuck der Vorseite
gleichzeitig, und nur in der Absicht, eine gewisse Wirkung her-
vorzubringen, möchte der Grund ihrer ganz unnöthigen Er-
höhung aufzusuchen seyn. Nachahmung fand bekanntlich diese
Art der Dachconstruction nur in dem nahen Padua, auch
hier allein in der Kirche des heil. Anton. Das Widersin-
nige und Verschwenderische einer gedoppelten, unnöthig com-
plicirten Dachconstruction mußte sich dem Verstande aufdrän-
gen; die Wirkung mochte der Erwartung nicht entsprochen
haben. In wiefern übrigens neugriechische, oder heimische
Architecten an dem Entwurfe und an der Leitung des Baues
mehr Theil genommen, dürfte nicht durchhin mit diplomati-
scher Sicherheit auszumachen seyn. Die musivischen Male-
reyen der Kirche sind gewiß, doch ziemlich spät, byzantinisch;
die älteren, schöneren, ganz antiken der Halle, welche die

Kirche

Auch dieſes Gebaͤude iſt, dem Grundriß nach, eine Ba-
ſilika. Der lateiniſche Ritus geſtattete ſo wenig zu Venedig,
als irgendwo im Occident, griechiſche Kirchen im Weſent-
lichen
nachzuahmen. Die Unterbrechung der Saͤulenreihen
durch breite Mauermaſſen entſtand ſelbſt hier nicht etwa aus
der Abſicht, vorſchriftmaͤßige Abtheilungen und Sonderungen
hervorzubringen, welche der lateiniſchen Kirche ſtets fremd ge-
blieben ſind, ſondern aus der Nothwendigkeit, der nun ein-
mal beliebten, ſchwerfaͤlligen und complicirten Conſtruction
des Daches Stuͤtzen und Widerlagen zu geben. Neugriechiſch,
oder byzantiniſch, bleibt denn am Ende eben nur das bezeich-
nete, aus vielen faſt gleich hohen Kuppeln zuſammengeſtellte
Dach. Im Inneren der Kirche erſcheinen dieſe Kuppeln flach
und gedruͤckt. Die Conſtruction der hohen Verdachungskuppeln
der Marcuskirche iſt uͤberhaupt wohl neuer, als der Bau der
Kirche, vielleicht dem gegenwaͤrtigen Schmuck der Vorſeite
gleichzeitig, und nur in der Abſicht, eine gewiſſe Wirkung her-
vorzubringen, moͤchte der Grund ihrer ganz unnoͤthigen Er-
hoͤhung aufzuſuchen ſeyn. Nachahmung fand bekanntlich dieſe
Art der Dachconſtruction nur in dem nahen Padua, auch
hier allein in der Kirche des heil. Anton. Das Widerſin-
nige und Verſchwenderiſche einer gedoppelten, unnoͤthig com-
plicirten Dachconſtruction mußte ſich dem Verſtande aufdraͤn-
gen; die Wirkung mochte der Erwartung nicht entſprochen
haben. In wiefern uͤbrigens neugriechiſche, oder heimiſche
Architecten an dem Entwurfe und an der Leitung des Baues
mehr Theil genommen, duͤrfte nicht durchhin mit diplomati-
ſcher Sicherheit auszumachen ſeyn. Die muſiviſchen Male-
reyen der Kirche ſind gewiß, doch ziemlich ſpaͤt, byzantiniſch;
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[208/0230] Auch dieſes Gebaͤude iſt, dem Grundriß nach, eine Ba- ſilika. Der lateiniſche Ritus geſtattete ſo wenig zu Venedig, als irgendwo im Occident, griechiſche Kirchen im Weſent- lichen nachzuahmen. Die Unterbrechung der Saͤulenreihen durch breite Mauermaſſen entſtand ſelbſt hier nicht etwa aus der Abſicht, vorſchriftmaͤßige Abtheilungen und Sonderungen hervorzubringen, welche der lateiniſchen Kirche ſtets fremd ge- blieben ſind, ſondern aus der Nothwendigkeit, der nun ein- mal beliebten, ſchwerfaͤlligen und complicirten Conſtruction des Daches Stuͤtzen und Widerlagen zu geben. Neugriechiſch, oder byzantiniſch, bleibt denn am Ende eben nur das bezeich- nete, aus vielen faſt gleich hohen Kuppeln zuſammengeſtellte Dach. Im Inneren der Kirche erſcheinen dieſe Kuppeln flach und gedruͤckt. Die Conſtruction der hohen Verdachungskuppeln der Marcuskirche iſt uͤberhaupt wohl neuer, als der Bau der Kirche, vielleicht dem gegenwaͤrtigen Schmuck der Vorſeite gleichzeitig, und nur in der Abſicht, eine gewiſſe Wirkung her- vorzubringen, moͤchte der Grund ihrer ganz unnoͤthigen Er- hoͤhung aufzuſuchen ſeyn. Nachahmung fand bekanntlich dieſe Art der Dachconſtruction nur in dem nahen Padua, auch hier allein in der Kirche des heil. Anton. Das Widerſin- nige und Verſchwenderiſche einer gedoppelten, unnoͤthig com- plicirten Dachconſtruction mußte ſich dem Verſtande aufdraͤn- gen; die Wirkung mochte der Erwartung nicht entſprochen haben. In wiefern uͤbrigens neugriechiſche, oder heimiſche Architecten an dem Entwurfe und an der Leitung des Baues mehr Theil genommen, duͤrfte nicht durchhin mit diplomati- ſcher Sicherheit auszumachen ſeyn. Die muſiviſchen Male- reyen der Kirche ſind gewiß, doch ziemlich ſpaͤt, byzantiniſch; die aͤlteren, ſchoͤneren, ganz antiken der Halle, welche die Kirche

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/230>, abgerufen am 28.03.2024.