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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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schrift des Frieses über der unteren Bogenstellung. *) Va-
sari
scheint sie ganz übersehen zu haben, was verzeihlicher ist,
als sie wissentlich an die Seite zu stellen, wie Morrona ge-
than, weil er das Gegentheil dessen, was sie uns sagt, für
begründeter hielt. **) Ich habe bereits gezeigt, daß bei den
langsam vorrückenden Bauwerken des Mittelalters viele Bau-
meister, bald gemeinschaftlich, bald abwechselnd, angestellt wur-
den. Also hätte er, ohne den Bustetus ganz aufzugeben, doch
immer dem Rainaldus einräumen können, worauf jene In-
schrift ihm Anspruch giebt.

Allein, auch wenn des Buschetto griechische Abkunft,
wenn auch seine Theilnahme am pisanischen Dombau besser
bewiesen wäre, als bisher geschehen ist, so wäre dieses Dat
doch nicht von dem Belang, welchen Vasari und manche
Neuere ihm beyzulegen scheinen. Denn es ist der pisanische
Dom, obwohl ein großer und prachtvoller, der Kraft des
aufblühenden Gemeinwesens angemessener Bau, doch keines-
weges, wie häufig angenommen wird, das erste Symptom
wiederaufstrebender Kunst, das erste Beyspiel einer schon etwas
geregelten Bauart, vielmehr die bloße Nachblüthe zweyer Bau-
schulen, welche seit dem Jahre 1000 in Toscana bereits sehr
viel erreicht hatten. Der Mittelpunkt der ersten war Flo-

*) HOC OPVS TAM MIRVM TAMQVE PRETIOSVM --
RAINALDVS PRVDENS OPERARIVS ET IPSE MAGISTER
CONSTITVIT MIRE SOLERTER ET INGENIOSE.
**) Pisa ill. T. I. p. 158. s. -- Er liest, operator, was falsch
ist, und deutet (p. 160.) magister, gegen alle Beyspiele, auf eine Weise,
daß dem armen Reinhard am Ende nichts übrig bleibt, als: esecutore
delle invenzioni architettoniche,
zu seyn. -- Quatremere, hist. des ar-
chitectes etc.
macht den, Rainaldo, (dem Cicognara folgend) zum
Nachfolger des Buschetto. Gleich willkührlich.

ſchrift des Frieſes uͤber der unteren Bogenſtellung. *) Va-
ſari
ſcheint ſie ganz uͤberſehen zu haben, was verzeihlicher iſt,
als ſie wiſſentlich an die Seite zu ſtellen, wie Morrona ge-
than, weil er das Gegentheil deſſen, was ſie uns ſagt, fuͤr
begruͤndeter hielt. **) Ich habe bereits gezeigt, daß bei den
langſam vorruͤckenden Bauwerken des Mittelalters viele Bau-
meiſter, bald gemeinſchaftlich, bald abwechſelnd, angeſtellt wur-
den. Alſo haͤtte er, ohne den Buſtetus ganz aufzugeben, doch
immer dem Rainaldus einraͤumen koͤnnen, worauf jene In-
ſchrift ihm Anſpruch giebt.

Allein, auch wenn des Buſchetto griechiſche Abkunft,
wenn auch ſeine Theilnahme am piſaniſchen Dombau beſſer
bewieſen waͤre, als bisher geſchehen iſt, ſo waͤre dieſes Dat
doch nicht von dem Belang, welchen Vaſari und manche
Neuere ihm beyzulegen ſcheinen. Denn es iſt der piſaniſche
Dom, obwohl ein großer und prachtvoller, der Kraft des
aufbluͤhenden Gemeinweſens angemeſſener Bau, doch keines-
weges, wie haͤufig angenommen wird, das erſte Symptom
wiederaufſtrebender Kunſt, das erſte Beyſpiel einer ſchon etwas
geregelten Bauart, vielmehr die bloße Nachbluͤthe zweyer Bau-
ſchulen, welche ſeit dem Jahre 1000 in Toscana bereits ſehr
viel erreicht hatten. Der Mittelpunkt der erſten war Flo-

*) HOC OPVS TAM MIRVM TAMQVE PRETIOSVM —
RAINALDVS PRVDENS OPERARIVS ET IPSE MAGISTER
CONSTITVIT MIRE SOLERTER ET INGENIOSE.
**) Pisa ill. T. I. p. 158. s. — Er lieſt, operator, was falſch
iſt, und deutet (p. 160.) magister, gegen alle Beyſpiele, auf eine Weiſe,
daß dem armen Reinhard am Ende nichts übrig bleibt, als: esecutore
delle invenzioni architettoniche,
zu ſeyn. — Quatremère, hist. des ar-
chitectes etc.
macht den, Rainaldo, (dem Cicognara folgend) zum
Nachfolger des Buſchetto. Gleich willkührlich.
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[205/0227] ſchrift des Frieſes uͤber der unteren Bogenſtellung. *) Va- ſari ſcheint ſie ganz uͤberſehen zu haben, was verzeihlicher iſt, als ſie wiſſentlich an die Seite zu ſtellen, wie Morrona ge- than, weil er das Gegentheil deſſen, was ſie uns ſagt, fuͤr begruͤndeter hielt. **) Ich habe bereits gezeigt, daß bei den langſam vorruͤckenden Bauwerken des Mittelalters viele Bau- meiſter, bald gemeinſchaftlich, bald abwechſelnd, angeſtellt wur- den. Alſo haͤtte er, ohne den Buſtetus ganz aufzugeben, doch immer dem Rainaldus einraͤumen koͤnnen, worauf jene In- ſchrift ihm Anſpruch giebt. Allein, auch wenn des Buſchetto griechiſche Abkunft, wenn auch ſeine Theilnahme am piſaniſchen Dombau beſſer bewieſen waͤre, als bisher geſchehen iſt, ſo waͤre dieſes Dat doch nicht von dem Belang, welchen Vaſari und manche Neuere ihm beyzulegen ſcheinen. Denn es iſt der piſaniſche Dom, obwohl ein großer und prachtvoller, der Kraft des aufbluͤhenden Gemeinweſens angemeſſener Bau, doch keines- weges, wie haͤufig angenommen wird, das erſte Symptom wiederaufſtrebender Kunſt, das erſte Beyſpiel einer ſchon etwas geregelten Bauart, vielmehr die bloße Nachbluͤthe zweyer Bau- ſchulen, welche ſeit dem Jahre 1000 in Toscana bereits ſehr viel erreicht hatten. Der Mittelpunkt der erſten war Flo- *) HOC OPVS TAM MIRVM TAMQVE PRETIOSVM — RAINALDVS PRVDENS OPERARIVS ET IPSE MAGISTER CONSTITVIT MIRE SOLERTER ET INGENIOSE. **) Pisa ill. T. I. p. 158. s. — Er lieſt, operator, was falſch iſt, und deutet (p. 160.) magister, gegen alle Beyſpiele, auf eine Weiſe, daß dem armen Reinhard am Ende nichts übrig bleibt, als: esecutore delle invenzioni architettoniche, zu ſeyn. — Quatremère, hist. des ar- chitectes etc. macht den, Rainaldo, (dem Cicognara folgend) zum Nachfolger des Buſchetto. Gleich willkührlich.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/227>, abgerufen am 19.04.2024.