Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

griechischer Baukundigen, von welchem Vasari unbestimmte
Gerüchte vernommen hatte, erst seit dem eilften Jahrhunderte
Statt gefunden haben. In der That betrifft die Notiz, welche
er mittheilt, nur eben diesen Zeitpunkt, ist, was er daran reiht,
offenbar nichts anderes als eine schnell in ihm aufsteigende
Conjectur, welche er, nach seiner Manier, mit dem Sicheren,
oder doch Wahrscheinlichen verknüpft, als wenn dieses gleich
wohl begründet wäre.

Griechischen Ursprung giebt Vasari in der Strenge nur
zween, gleich wichtigen, doch sehr verschiedenen Gebäuden:
dem Dome zu Pisa und der Marcuskirche zu Venedig. Die
allgemeinen, die besondern Gründe für die griechische Abkunft
dieser beiden Kirchen sind so verschieden, als ihre Anlage,
wir werden daher die Untersuchung trennen müssen.

Wer den Dom zu Pisa, oder auch nur dessen zahlreiche
Abbildungen in Kupferwerken mit Aufmerksamkeit sich ange-
sehen, wird erkannt haben, daß er nach dem Plane der Ba-
siliken erbaut sey, welcher bekanntlich seit dem vierten Jahr-
hunderte bey den Italienern stets sich in Gunst erhalten hat.
Abweichend erscheint darin allein jene über der Durchschnei-
dung der Schiffe angebrachte Kuppel, welche allerdings dem
pisanischen Dome, wie so viel anderen Kirchen des eilften und
folgenden Jahrhunderts, bey erstem Blicke eine gewisse Aehn-
lichkeit mit dem äußeren Ansehn byzantinischer des vorgerück-
ten Mittelalters zu geben scheint. Ein frühes Beyspiel die-
ser Anlage gewährt die Kirche S. Nazario e Celso zu Ra-
venna
, welche Galla Placidia erbaut haben soll. *) Es ist
daher denkbar, daß sie aus localen, aus italienischen Tradi-

*) S. d'Agincourt, T. I. pl. XV.; oder mon. Ravenn.

griechiſcher Baukundigen, von welchem Vaſari unbeſtimmte
Geruͤchte vernommen hatte, erſt ſeit dem eilften Jahrhunderte
Statt gefunden haben. In der That betrifft die Notiz, welche
er mittheilt, nur eben dieſen Zeitpunkt, iſt, was er daran reiht,
offenbar nichts anderes als eine ſchnell in ihm aufſteigende
Conjectur, welche er, nach ſeiner Manier, mit dem Sicheren,
oder doch Wahrſcheinlichen verknuͤpft, als wenn dieſes gleich
wohl begruͤndet waͤre.

Griechiſchen Urſprung giebt Vaſari in der Strenge nur
zween, gleich wichtigen, doch ſehr verſchiedenen Gebaͤuden:
dem Dome zu Piſa und der Marcuskirche zu Venedig. Die
allgemeinen, die beſondern Gruͤnde fuͤr die griechiſche Abkunft
dieſer beiden Kirchen ſind ſo verſchieden, als ihre Anlage,
wir werden daher die Unterſuchung trennen muͤſſen.

Wer den Dom zu Piſa, oder auch nur deſſen zahlreiche
Abbildungen in Kupferwerken mit Aufmerkſamkeit ſich ange-
ſehen, wird erkannt haben, daß er nach dem Plane der Ba-
ſiliken erbaut ſey, welcher bekanntlich ſeit dem vierten Jahr-
hunderte bey den Italienern ſtets ſich in Gunſt erhalten hat.
Abweichend erſcheint darin allein jene uͤber der Durchſchnei-
dung der Schiffe angebrachte Kuppel, welche allerdings dem
piſaniſchen Dome, wie ſo viel anderen Kirchen des eilften und
folgenden Jahrhunderts, bey erſtem Blicke eine gewiſſe Aehn-
lichkeit mit dem aͤußeren Anſehn byzantiniſcher des vorgeruͤck-
ten Mittelalters zu geben ſcheint. Ein fruͤhes Beyſpiel die-
ſer Anlage gewaͤhrt die Kirche S. Nazario e Celſo zu Ra-
venna
, welche Galla Placidia erbaut haben ſoll. *) Es iſt
daher denkbar, daß ſie aus localen, aus italieniſchen Tradi-

*) S. d’Agincourt, T. I. pl. XV.; oder mon. Ravenn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0224" n="202"/>
griechi&#x017F;cher Baukundigen, von welchem <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> unbe&#x017F;timmte<lb/>
Geru&#x0364;chte vernommen hatte, er&#x017F;t &#x017F;eit dem eilften Jahrhunderte<lb/>
Statt gefunden haben. In der That betrifft die Notiz, welche<lb/>
er mittheilt, nur eben die&#x017F;en Zeitpunkt, i&#x017F;t, was er daran reiht,<lb/>
offenbar nichts anderes als eine &#x017F;chnell in ihm auf&#x017F;teigende<lb/>
Conjectur, welche er, nach &#x017F;einer Manier, mit dem Sicheren,<lb/>
oder doch Wahr&#x017F;cheinlichen verknu&#x0364;pft, als wenn die&#x017F;es gleich<lb/>
wohl begru&#x0364;ndet wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Griechi&#x017F;chen Ur&#x017F;prung giebt <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> in der Strenge nur<lb/>
zween, gleich wichtigen, doch &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedenen Geba&#x0364;uden:<lb/>
dem Dome zu <placeName>Pi&#x017F;a</placeName> und der Marcuskirche zu <placeName>Venedig</placeName>. Die<lb/>
allgemeinen, die be&#x017F;ondern Gru&#x0364;nde fu&#x0364;r die griechi&#x017F;che Abkunft<lb/>
die&#x017F;er beiden Kirchen &#x017F;ind &#x017F;o ver&#x017F;chieden, als ihre Anlage,<lb/>
wir werden daher die Unter&#x017F;uchung trennen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Wer den Dom zu <placeName>Pi&#x017F;a</placeName>, oder auch nur de&#x017F;&#x017F;en zahlreiche<lb/>
Abbildungen in Kupferwerken mit Aufmerk&#x017F;amkeit &#x017F;ich ange-<lb/>
&#x017F;ehen, wird erkannt haben, daß er nach dem Plane der Ba-<lb/>
&#x017F;iliken erbaut &#x017F;ey, welcher bekanntlich &#x017F;eit dem vierten Jahr-<lb/>
hunderte bey den Italienern &#x017F;tets &#x017F;ich in Gun&#x017F;t erhalten hat.<lb/>
Abweichend er&#x017F;cheint darin allein jene u&#x0364;ber der Durch&#x017F;chnei-<lb/>
dung der Schiffe angebrachte Kuppel, welche allerdings dem<lb/>
pi&#x017F;ani&#x017F;chen Dome, wie &#x017F;o viel anderen Kirchen des eilften und<lb/>
folgenden Jahrhunderts, bey er&#x017F;tem Blicke eine gewi&#x017F;&#x017F;e Aehn-<lb/>
lichkeit mit dem a&#x0364;ußeren An&#x017F;ehn byzantini&#x017F;cher des vorgeru&#x0364;ck-<lb/>
ten Mittelalters zu geben &#x017F;cheint. Ein fru&#x0364;hes Bey&#x017F;piel die-<lb/>
&#x017F;er Anlage gewa&#x0364;hrt die Kirche S. Nazario e Cel&#x017F;o zu <placeName>Ra-<lb/>
venna</placeName>, welche <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118689274">Galla Placidia</persName> erbaut haben &#x017F;oll. <note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#aq">d&#x2019;<persName ref="http://d-nb.info/gnd/117670901">Agincourt</persName>, T. I. pl. XV.;</hi> oder <hi rendition="#aq">mon. Ravenn.</hi></note> Es i&#x017F;t<lb/>
daher denkbar, daß &#x017F;ie aus localen, aus italieni&#x017F;chen Tradi-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0224] griechiſcher Baukundigen, von welchem Vaſari unbeſtimmte Geruͤchte vernommen hatte, erſt ſeit dem eilften Jahrhunderte Statt gefunden haben. In der That betrifft die Notiz, welche er mittheilt, nur eben dieſen Zeitpunkt, iſt, was er daran reiht, offenbar nichts anderes als eine ſchnell in ihm aufſteigende Conjectur, welche er, nach ſeiner Manier, mit dem Sicheren, oder doch Wahrſcheinlichen verknuͤpft, als wenn dieſes gleich wohl begruͤndet waͤre. Griechiſchen Urſprung giebt Vaſari in der Strenge nur zween, gleich wichtigen, doch ſehr verſchiedenen Gebaͤuden: dem Dome zu Piſa und der Marcuskirche zu Venedig. Die allgemeinen, die beſondern Gruͤnde fuͤr die griechiſche Abkunft dieſer beiden Kirchen ſind ſo verſchieden, als ihre Anlage, wir werden daher die Unterſuchung trennen muͤſſen. Wer den Dom zu Piſa, oder auch nur deſſen zahlreiche Abbildungen in Kupferwerken mit Aufmerkſamkeit ſich ange- ſehen, wird erkannt haben, daß er nach dem Plane der Ba- ſiliken erbaut ſey, welcher bekanntlich ſeit dem vierten Jahr- hunderte bey den Italienern ſtets ſich in Gunſt erhalten hat. Abweichend erſcheint darin allein jene uͤber der Durchſchnei- dung der Schiffe angebrachte Kuppel, welche allerdings dem piſaniſchen Dome, wie ſo viel anderen Kirchen des eilften und folgenden Jahrhunderts, bey erſtem Blicke eine gewiſſe Aehn- lichkeit mit dem aͤußeren Anſehn byzantiniſcher des vorgeruͤck- ten Mittelalters zu geben ſcheint. Ein fruͤhes Beyſpiel die- ſer Anlage gewaͤhrt die Kirche S. Nazario e Celſo zu Ra- venna, welche Galla Placidia erbaut haben ſoll. *) Es iſt daher denkbar, daß ſie aus localen, aus italieniſchen Tradi- *) S. d’Agincourt, T. I. pl. XV.; oder mon. Ravenn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/224
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/224>, abgerufen am 23.04.2024.