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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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solche Gebäude daher nur zu Rom und Ravenna sich erhal-
ten. Endlich scheint auch der Beyname der Kirche eine deutsche
Wurzel zu haben. *)

Demselben Grundrisse begegnen wir in der Kirche S.
Piero in Grado, auf dem Wege von Pisa nach Livorno, de-
ren Andenken sehr weit zurückreicht. **) Diese Kirche war
im Verlaufe des zwölften Jahrhunderts durch ihre Heilig-
thümer zu großem Ansehn, daher, nach der Sitte der Zeit,
durch milde Gaben zu vielem Reichthum gelangt. ***) Hier-
aus erklären sich die Spuren gleichzeitiger Erneuerungen des
Dachstuhles, des Kranzes und anderer Stellen der Mauer-
flächen. Mit Ausnahme dieser späteren Ergänzungen, viel-
leicht auch der ganzen Westseite des Gebäudes, welche Mor-
rona
nicht ohne Grund für einen Zusatz hält, +) ist alles
Uebrige so alterthümlich, daß nichts entgegensteht, es den letz-

*) Sie erhielt diesen Beynamen von einem nahegelegenen Ab-
zug von Unreinigkeiten. Es mag ihm daher das Wort: Kehren, Keh-
richt, zum Grunde liegen, wenn es überhaupt erweislich, in diesem
Sinne, altgermanisch ist. -- Die Crusca hat bisher dessen Wurzel nicht
ausfindig gemacht. Der Abzug selbst mag übrigens der Rest einer an-
tiken Cloaca gewesen seyn, da in der Nähe viel altes Pflaster von Zeit
zu Zeit aufgedeckt wurde.
**) Brunetti cod. dipl. Tosc. T. I. p. 269. wird S. Piero mit
den sieben Pinien schon im Jahre 763 erwähnt; mit den Pinien aber
mußte auch der Beyname absterben und einem neuen Raum geben,
welcher auf eine spätere Erweiterung der Kirche, gegen den Arno hin,
gegründet scheint.
***) Morrona, Pisa illustrata, To. III. c. XIX. §. 6. (Ed. sec.
p. 393.)
+) Ders. ebendas. Doch kann dieser Theil nach seinen techni-
schen Merkmalen nicht wohl so neu seyn, als jener Specialforscher ohne
bestimmte Gründe annimmt.

ſolche Gebaͤude daher nur zu Rom und Ravenna ſich erhal-
ten. Endlich ſcheint auch der Beyname der Kirche eine deutſche
Wurzel zu haben. *)

Demſelben Grundriſſe begegnen wir in der Kirche S.
Piero in Grado, auf dem Wege von Piſa nach Livorno, de-
ren Andenken ſehr weit zuruͤckreicht. **) Dieſe Kirche war
im Verlaufe des zwoͤlften Jahrhunderts durch ihre Heilig-
thuͤmer zu großem Anſehn, daher, nach der Sitte der Zeit,
durch milde Gaben zu vielem Reichthum gelangt. ***) Hier-
aus erklaͤren ſich die Spuren gleichzeitiger Erneuerungen des
Dachſtuhles, des Kranzes und anderer Stellen der Mauer-
flaͤchen. Mit Ausnahme dieſer ſpaͤteren Ergaͤnzungen, viel-
leicht auch der ganzen Weſtſeite des Gebaͤudes, welche Mor-
rona
nicht ohne Grund fuͤr einen Zuſatz haͤlt, †) iſt alles
Uebrige ſo alterthuͤmlich, daß nichts entgegenſteht, es den letz-

*) Sie erhielt dieſen Beynamen von einem nahegelegenen Ab-
zug von Unreinigkeiten. Es mag ihm daher das Wort: Kehren, Keh-
richt, zum Grunde liegen, wenn es überhaupt erweislich, in dieſem
Sinne, altgermaniſch iſt. — Die Crusca hat bisher deſſen Wurzel nicht
ausfindig gemacht. Der Abzug ſelbſt mag übrigens der Reſt einer an-
tiken Cloaca geweſen ſeyn, da in der Nähe viel altes Pflaſter von Zeit
zu Zeit aufgedeckt wurde.
**) Brunetti cod. dipl. Tosc. T. I. p. 269. wird S. Piero mit
den ſieben Pinien ſchon im Jahre 763 erwähnt; mit den Pinien aber
mußte auch der Beyname abſterben und einem neuen Raum geben,
welcher auf eine ſpätere Erweiterung der Kirche, gegen den Arno hin,
gegründet ſcheint.
***) Morrona, Pisa illustrata, To. III. c. XIX. §. 6. (Ed. sec.
p. 393.)
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ſchen Merkmalen nicht wohl ſo neu ſeyn, als jener Specialforſcher ohne
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[182/0204] ſolche Gebaͤude daher nur zu Rom und Ravenna ſich erhal- ten. Endlich ſcheint auch der Beyname der Kirche eine deutſche Wurzel zu haben. *) Demſelben Grundriſſe begegnen wir in der Kirche S. Piero in Grado, auf dem Wege von Piſa nach Livorno, de- ren Andenken ſehr weit zuruͤckreicht. **) Dieſe Kirche war im Verlaufe des zwoͤlften Jahrhunderts durch ihre Heilig- thuͤmer zu großem Anſehn, daher, nach der Sitte der Zeit, durch milde Gaben zu vielem Reichthum gelangt. ***) Hier- aus erklaͤren ſich die Spuren gleichzeitiger Erneuerungen des Dachſtuhles, des Kranzes und anderer Stellen der Mauer- flaͤchen. Mit Ausnahme dieſer ſpaͤteren Ergaͤnzungen, viel- leicht auch der ganzen Weſtſeite des Gebaͤudes, welche Mor- rona nicht ohne Grund fuͤr einen Zuſatz haͤlt, †) iſt alles Uebrige ſo alterthuͤmlich, daß nichts entgegenſteht, es den letz- *) Sie erhielt dieſen Beynamen von einem nahegelegenen Ab- zug von Unreinigkeiten. Es mag ihm daher das Wort: Kehren, Keh- richt, zum Grunde liegen, wenn es überhaupt erweislich, in dieſem Sinne, altgermaniſch iſt. — Die Crusca hat bisher deſſen Wurzel nicht ausfindig gemacht. Der Abzug ſelbſt mag übrigens der Reſt einer an- tiken Cloaca geweſen ſeyn, da in der Nähe viel altes Pflaſter von Zeit zu Zeit aufgedeckt wurde. **) Brunetti cod. dipl. Tosc. T. I. p. 269. wird S. Piero mit den ſieben Pinien ſchon im Jahre 763 erwähnt; mit den Pinien aber mußte auch der Beyname abſterben und einem neuen Raum geben, welcher auf eine ſpätere Erweiterung der Kirche, gegen den Arno hin, gegründet ſcheint. ***) Morrona, Pisa illustrata, To. III. c. XIX. §. 6. (Ed. sec. p. 393.) †) Derſ. ebendaſ. Doch kann dieſer Theil nach ſeinen techni- ſchen Merkmalen nicht wohl ſo neu ſeyn, als jener Specialforſcher ohne beſtimmte Gründe annimmt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/204>, abgerufen am 28.03.2024.