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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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historischen Begriff, longobardisch, mit dem geographischen,
lombardisch, verwechselt, oder auch, weil man in den
Sitzen der Könige, zu Pavia und Monza, die vorzüglichsten
Leistungen jener Zeit voraussetzt; oder endlich, weil Paul
Warnefried
, dem man in longobardischen Dingen allein zu
folgen liebt, überhaupt nur der königlichen Stiftungen ge-
denkt.

Indeß war die Stellung eines longobardischen Königes
minder beneidenswerth, als jene eines Herzoges von Spo-
leto
, oder von Benevent; hat andererseits Pavia, während
des eilften und zwölften Jahrhunderts, der Epoche des Stei-
gens und der höchsten Blüthe der lombardischen Städte, so
viele Erweiterungen und Aenderungen erfahren, daß man be-
fürchten darf, die Kirchen, deren alte Meldungen als longo-
bardischer Stiftungen erwähnen, seyen schon längst nicht mehr
in ihrer ursprünglichen Form vorhanden, vielmehr umgebaut,
erweitert, ganz oder doch zum Theile erneuert worden. Ue-
berhaupt kann es als Regel angenommen werden, daß sehr
alte, unscheinbare und in engeren Dimensionen angelegte
Denkmale besonders an solchen Stellen vorauszusetzen und
aufzusuchen sind, welche in den nachfolgenden Zeiten keiner
Zunahme des Wohlstandes und der Bevölkerung sich erfreut
haben. Nichts aber ist der Bewahrung der historischen Denk-
male günstiger, als gänzliche Verödung.

Ueber jene Bedenklichkeiten hat die moderne Kunstge-
schichte bisher sich hinaussetzen wollen. Gewiß hat die Auf-
zählung der Angaben des Paul Diaconus, welche überall bis
zum Ueberdruß wiederholt wird, bisher keine ernstliche Unter-
suchung des gegenwärtigen Zustandes jener alten Stiftungen
longobardischer Könige veranlaßt. Die Bilderwerke geben

hiſtoriſchen Begriff, longobardiſch, mit dem geographiſchen,
lombardiſch, verwechſelt, oder auch, weil man in den
Sitzen der Koͤnige, zu Pavia und Monza, die vorzuͤglichſten
Leiſtungen jener Zeit vorausſetzt; oder endlich, weil Paul
Warnefried
, dem man in longobardiſchen Dingen allein zu
folgen liebt, uͤberhaupt nur der koͤniglichen Stiftungen ge-
denkt.

Indeß war die Stellung eines longobardiſchen Koͤniges
minder beneidenswerth, als jene eines Herzoges von Spo-
leto
, oder von Benevent; hat andererſeits Pavia, waͤhrend
des eilften und zwoͤlften Jahrhunderts, der Epoche des Stei-
gens und der hoͤchſten Bluͤthe der lombardiſchen Staͤdte, ſo
viele Erweiterungen und Aenderungen erfahren, daß man be-
fuͤrchten darf, die Kirchen, deren alte Meldungen als longo-
bardiſcher Stiftungen erwaͤhnen, ſeyen ſchon laͤngſt nicht mehr
in ihrer urſpruͤnglichen Form vorhanden, vielmehr umgebaut,
erweitert, ganz oder doch zum Theile erneuert worden. Ue-
berhaupt kann es als Regel angenommen werden, daß ſehr
alte, unſcheinbare und in engeren Dimenſionen angelegte
Denkmale beſonders an ſolchen Stellen vorauszuſetzen und
aufzuſuchen ſind, welche in den nachfolgenden Zeiten keiner
Zunahme des Wohlſtandes und der Bevoͤlkerung ſich erfreut
haben. Nichts aber iſt der Bewahrung der hiſtoriſchen Denk-
male guͤnſtiger, als gaͤnzliche Veroͤdung.

Ueber jene Bedenklichkeiten hat die moderne Kunſtge-
ſchichte bisher ſich hinausſetzen wollen. Gewiß hat die Auf-
zaͤhlung der Angaben des Paul Diaconus, welche uͤberall bis
zum Ueberdruß wiederholt wird, bisher keine ernſtliche Unter-
ſuchung des gegenwaͤrtigen Zuſtandes jener alten Stiftungen
longobardiſcher Koͤnige veranlaßt. Die Bilderwerke geben

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[172/0194] hiſtoriſchen Begriff, longobardiſch, mit dem geographiſchen, lombardiſch, verwechſelt, oder auch, weil man in den Sitzen der Koͤnige, zu Pavia und Monza, die vorzuͤglichſten Leiſtungen jener Zeit vorausſetzt; oder endlich, weil Paul Warnefried, dem man in longobardiſchen Dingen allein zu folgen liebt, uͤberhaupt nur der koͤniglichen Stiftungen ge- denkt. Indeß war die Stellung eines longobardiſchen Koͤniges minder beneidenswerth, als jene eines Herzoges von Spo- leto, oder von Benevent; hat andererſeits Pavia, waͤhrend des eilften und zwoͤlften Jahrhunderts, der Epoche des Stei- gens und der hoͤchſten Bluͤthe der lombardiſchen Staͤdte, ſo viele Erweiterungen und Aenderungen erfahren, daß man be- fuͤrchten darf, die Kirchen, deren alte Meldungen als longo- bardiſcher Stiftungen erwaͤhnen, ſeyen ſchon laͤngſt nicht mehr in ihrer urſpruͤnglichen Form vorhanden, vielmehr umgebaut, erweitert, ganz oder doch zum Theile erneuert worden. Ue- berhaupt kann es als Regel angenommen werden, daß ſehr alte, unſcheinbare und in engeren Dimenſionen angelegte Denkmale beſonders an ſolchen Stellen vorauszuſetzen und aufzuſuchen ſind, welche in den nachfolgenden Zeiten keiner Zunahme des Wohlſtandes und der Bevoͤlkerung ſich erfreut haben. Nichts aber iſt der Bewahrung der hiſtoriſchen Denk- male guͤnſtiger, als gaͤnzliche Veroͤdung. Ueber jene Bedenklichkeiten hat die moderne Kunſtge- ſchichte bisher ſich hinausſetzen wollen. Gewiß hat die Auf- zaͤhlung der Angaben des Paul Diaconus, welche uͤberall bis zum Ueberdruß wiederholt wird, bisher keine ernſtliche Unter- ſuchung des gegenwaͤrtigen Zuſtandes jener alten Stiftungen longobardiſcher Koͤnige veranlaßt. Die Bilderwerke geben

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/194>, abgerufen am 28.03.2024.