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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Vasari, der Stifter der Geschichte und Theorie neuerer Kunst-
bestrebungen, an vielen Stellen seines Werkes von den
Deutschen erfinden und sehr spät nach Italien verbreiten. *)
Hierin folgte er theils begründeten Angaben, theils auch ei-
genen Wahrnehmungen. An einigen anderen Stellen aber
widerspricht er sich selbst, indem er mit einer Vergeßlichkeit,
welche überhaupt seine eigenthümliche Unart ist, die Erfin-
dung derselben Bauart, deren Beyspiele er bereits ganz rich-
tig in das dreizehnte und spätere Jahrhunderte versetzt hatte,
ohne alle historische Begründung, gleich als wenn es längst
ausgemacht wäre, den Ostgothen beymißt. **)

*) S. Vasari, le vite etc. Giunti 1568. 4. vita d'Arnolfo di
Lapo
, und proemio delle vite, p. 77., wo, nach dem eilften Jahrhun-
dert: ne' garbi di quarti acuti, nel girare degli archi secondo l'uso
degli stranieri di que' tempi
. -- Er hatte von der Einwirkung
deutscher Architecten und Steinmetzen auf viele Bauwerke Italiens
Kunde erlangt, welche ich, Thl. II. S. 142. f., um einige urkundlich
bewährte Veyspiele vermehrt habe. -- Vasari proemio, p. 76.: Edi-
fizj, che da noi son chiamati Tedeschi
. -- Diese traditionelle Benen-
nung ist offenbar die ältere. -- Gothisch nannte man die deutsche Bau-
art nicht früher, als nachdem sie (durch Brunelleschi und andere) in
Verachtung gekommen, verdrängt worden war.
**) Das. Introduzione, dell' arch. p. 26. nach den Worten: Ecci
un' altro specie di lavori, che si chiamano Tedeschi
, die vollständige
Definition dessen, was man noch immer gothische Architectur nennt,
und darauf: Questa maniera fu trovata da' Gotthi, che per
aver ruinate le fabbriche antiche e morti gli architetti
(wie Ghiberti)
fecere dopo coloro che rimasero le fabbriche di questa maniera; li
quali girarono le volte di quarti acuti etc.
Vgl. proemio p. 76.
und vita d'Arnolfo, wo verschiedene Werke des zwölften u. folgenden
Th. (nach unserer Art zu reden, theils im vorgothischen, theils im
gothischen Style), als: fatte alla maniera de' Gotthi bezeichnet wer-
den. Aus den folgenden Anm. erhellt, daß. Vas. schon unter Theodo-
dorich
eine bedingte Rückkehr zum Alterthume annahm. Wo ist denn

Vaſari, der Stifter der Geſchichte und Theorie neuerer Kunſt-
beſtrebungen, an vielen Stellen ſeines Werkes von den
Deutſchen erfinden und ſehr ſpaͤt nach Italien verbreiten. *)
Hierin folgte er theils begruͤndeten Angaben, theils auch ei-
genen Wahrnehmungen. An einigen anderen Stellen aber
widerſpricht er ſich ſelbſt, indem er mit einer Vergeßlichkeit,
welche uͤberhaupt ſeine eigenthuͤmliche Unart iſt, die Erfin-
dung derſelben Bauart, deren Beyſpiele er bereits ganz rich-
tig in das dreizehnte und ſpaͤtere Jahrhunderte verſetzt hatte,
ohne alle hiſtoriſche Begruͤndung, gleich als wenn es laͤngſt
ausgemacht waͤre, den Oſtgothen beymißt. **)

*) S. Vasari, le vite etc. Giunti 1568. 4. vita d’Arnolfo di
Lapo
, und proemio delle vite, p. 77., wo, nach dem eilften Jahrhun-
dert: ne’ garbi di quarti acuti, nel girare degli archi secondo l’uso
degli stranieri di que’ tempi
. — Er hatte von der Einwirkung
deutſcher Architecten und Steinmetzen auf viele Bauwerke Italiens
Kunde erlangt, welche ich, Thl. II. S. 142. f., um einige urkundlich
bewährte Veyſpiele vermehrt habe. — Vasari proemio, p. 76.: Edi-
fizj, che da noi son chiamati Tedeschi
. — Dieſe traditionelle Benen-
nung iſt offenbar die ältere. — Gothiſch nannte man die deutſche Bau-
art nicht früher, als nachdem ſie (durch Brunelleſchi und andere) in
Verachtung gekommen, verdrängt worden war.
**) Daſ. Introduzione, dell’ arch. p. 26. nach den Worten: Ecci
un’ altro specie di lavori, che si chiamano Tedeschi
, die vollſtändige
Definition deſſen, was man noch immer gothiſche Architectur nennt,
und darauf: Questa maniera fu trovata da’ Gotthi, che per
aver ruinate le fabbriche antiche e morti gli architetti
(wie Ghiberti)
fecere dopo coloro che rimasero le fabbriche di questa maniera; li
quali girarono le volte di quarti acuti etc.
Vgl. proemio p. 76.
und vita d’Arnolfo, wo verſchiedene Werke des zwölften u. folgenden
Th. (nach unſerer Art zu reden, theils im vorgothiſchen, theils im
gothiſchen Style), als: fatte alla maniera de’ Gotthi bezeichnet wer-
den. Aus den folgenden Anm. erhellt, daß. Vaſ. ſchon unter Theodo-
dorich
eine bedingte Rückkehr zum Alterthume annahm. Wo iſt denn
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[167/0189] Vaſari, der Stifter der Geſchichte und Theorie neuerer Kunſt- beſtrebungen, an vielen Stellen ſeines Werkes von den Deutſchen erfinden und ſehr ſpaͤt nach Italien verbreiten. *) Hierin folgte er theils begruͤndeten Angaben, theils auch ei- genen Wahrnehmungen. An einigen anderen Stellen aber widerſpricht er ſich ſelbſt, indem er mit einer Vergeßlichkeit, welche uͤberhaupt ſeine eigenthuͤmliche Unart iſt, die Erfin- dung derſelben Bauart, deren Beyſpiele er bereits ganz rich- tig in das dreizehnte und ſpaͤtere Jahrhunderte verſetzt hatte, ohne alle hiſtoriſche Begruͤndung, gleich als wenn es laͤngſt ausgemacht waͤre, den Oſtgothen beymißt. **) *) S. Vasari, le vite etc. Giunti 1568. 4. vita d’Arnolfo di Lapo, und proemio delle vite, p. 77., wo, nach dem eilften Jahrhun- dert: ne’ garbi di quarti acuti, nel girare degli archi secondo l’uso degli stranieri di que’ tempi. — Er hatte von der Einwirkung deutſcher Architecten und Steinmetzen auf viele Bauwerke Italiens Kunde erlangt, welche ich, Thl. II. S. 142. f., um einige urkundlich bewährte Veyſpiele vermehrt habe. — Vasari proemio, p. 76.: Edi- fizj, che da noi son chiamati Tedeschi. — Dieſe traditionelle Benen- nung iſt offenbar die ältere. — Gothiſch nannte man die deutſche Bau- art nicht früher, als nachdem ſie (durch Brunelleſchi und andere) in Verachtung gekommen, verdrängt worden war. **) Daſ. Introduzione, dell’ arch. p. 26. nach den Worten: Ecci un’ altro specie di lavori, che si chiamano Tedeschi, die vollſtändige Definition deſſen, was man noch immer gothiſche Architectur nennt, und darauf: Questa maniera fu trovata da’ Gotthi, che per aver ruinate le fabbriche antiche e morti gli architetti (wie Ghiberti) fecere dopo coloro che rimasero le fabbriche di questa maniera; li quali girarono le volte di quarti acuti etc. Vgl. proemio p. 76. und vita d’Arnolfo, wo verſchiedene Werke des zwölften u. folgenden Th. (nach unſerer Art zu reden, theils im vorgothiſchen, theils im gothiſchen Style), als: fatte alla maniera de’ Gotthi bezeichnet wer- den. Aus den folgenden Anm. erhellt, daß. Vaſ. ſchon unter Theodo- dorich eine bedingte Rückkehr zum Alterthume annahm. Wo iſt denn

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/189>, abgerufen am 29.03.2024.