Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

gesetzten war die Säulenstellung hervorgegangen, da sie ur-
sprünglich bestimmt war, ein vorspringendes Dach zu unter-
stützen, abgeschlossene Räume von beschränktem Umfang durch
luftige Hallen zu umgeben, also nicht darauf angelegt, der
zunehmenden Ausdehnung der inneren Räume ins Unbegrenzte
nachzufolgen, noch der Zerstückelung der Stockwerke sich an-
zupassen. Da sie nun demungeachtet, als an sich selbst bey-
fällig, oder auch bloß als herkömmlich, in die Bauart der
späteren Römer überging, mußte sie häufig ihre eigentliche
Bestimmung, ihre wahre Stellung aufgeben, aufhören, ein
wesentliches Glied der Construction zu seyn, also zur nackten
Zierde herabsinken, was antike und moderne Kunstrichter miß-
billigt haben.

Der Uebergang zu dieser Umgestaltung der griechischen
Baukunst dürfte in Alexandria zu suchen seyn. In dieser
ersten übervölkerten Stadt griechischer Gründung ward, nach
alten Kunden, die Gewölbconstruction unter ähnlichen Um-
ständen bereits in Anwendung gebracht. Die Formlosigkeit
der alexandrinischen Trümmer erweckt die Vermuthung, daß
man hier, wie in Babylon, häufig lufttrockner Ziegel sich be-
dient habe; hieraus weiter zu schließen, wäre freylich gewagt.

Unstreitig nun offenbarten die alten griechischen Architec-
ten, bey Lösung ihrer doch meist höchst einfachen Aufgaben,
einen feineren Sinn für die Schönheit der Verhältnisse, als
jemals die römischen, wenn wir die Baukünstler des Reiches
der Cäsarn überhaupt römische nennen dürfen. Indeß wol-
len diese letzten nicht aus dem Gesichtspuncte der griechischen
Kunst beurtheilt seyn. In dieser wär Schönheit der Haupt-
zweck, das Practische aber so einfach, daß keine Schwierig-
keit, kein Hinderniß der Schönheit daraus entstehen konnte.

Bey

geſetzten war die Saͤulenſtellung hervorgegangen, da ſie ur-
ſpruͤnglich beſtimmt war, ein vorſpringendes Dach zu unter-
ſtuͤtzen, abgeſchloſſene Raͤume von beſchraͤnktem Umfang durch
luftige Hallen zu umgeben, alſo nicht darauf angelegt, der
zunehmenden Ausdehnung der inneren Raͤume ins Unbegrenzte
nachzufolgen, noch der Zerſtuͤckelung der Stockwerke ſich an-
zupaſſen. Da ſie nun demungeachtet, als an ſich ſelbſt bey-
faͤllig, oder auch bloß als herkoͤmmlich, in die Bauart der
ſpaͤteren Roͤmer uͤberging, mußte ſie haͤufig ihre eigentliche
Beſtimmung, ihre wahre Stellung aufgeben, aufhoͤren, ein
weſentliches Glied der Conſtruction zu ſeyn, alſo zur nackten
Zierde herabſinken, was antike und moderne Kunſtrichter miß-
billigt haben.

Der Uebergang zu dieſer Umgeſtaltung der griechiſchen
Baukunſt duͤrfte in Alexandria zu ſuchen ſeyn. In dieſer
erſten uͤbervoͤlkerten Stadt griechiſcher Gruͤndung ward, nach
alten Kunden, die Gewoͤlbconſtruction unter aͤhnlichen Um-
ſtaͤnden bereits in Anwendung gebracht. Die Formloſigkeit
der alexandriniſchen Truͤmmer erweckt die Vermuthung, daß
man hier, wie in Babylon, haͤufig lufttrockner Ziegel ſich be-
dient habe; hieraus weiter zu ſchließen, waͤre freylich gewagt.

Unſtreitig nun offenbarten die alten griechiſchen Architec-
ten, bey Loͤſung ihrer doch meiſt hoͤchſt einfachen Aufgaben,
einen feineren Sinn fuͤr die Schoͤnheit der Verhaͤltniſſe, als
jemals die roͤmiſchen, wenn wir die Baukuͤnſtler des Reiches
der Caͤſarn uͤberhaupt roͤmiſche nennen duͤrfen. Indeß wol-
len dieſe letzten nicht aus dem Geſichtspuncte der griechiſchen
Kunſt beurtheilt ſeyn. In dieſer waͤr Schoͤnheit der Haupt-
zweck, das Practiſche aber ſo einfach, daß keine Schwierig-
keit, kein Hinderniß der Schoͤnheit daraus entſtehen konnte.

Bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0182" n="160"/>
ge&#x017F;etzten war die Sa&#x0364;ulen&#x017F;tellung hervorgegangen, da &#x017F;ie ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;nglich be&#x017F;timmt war, ein vor&#x017F;pringendes Dach zu unter-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;tzen, abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Ra&#x0364;ume von be&#x017F;chra&#x0364;nktem Umfang durch<lb/>
luftige Hallen zu umgeben, al&#x017F;o nicht darauf angelegt, der<lb/>
zunehmenden Ausdehnung der inneren Ra&#x0364;ume ins Unbegrenzte<lb/>
nachzufolgen, noch der Zer&#x017F;tu&#x0364;ckelung der Stockwerke &#x017F;ich an-<lb/>
zupa&#x017F;&#x017F;en. Da &#x017F;ie nun demungeachtet, als an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t bey-<lb/>
fa&#x0364;llig, oder auch bloß als herko&#x0364;mmlich, in die Bauart der<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;teren Ro&#x0364;mer u&#x0364;berging, mußte &#x017F;ie ha&#x0364;ufig ihre eigentliche<lb/>
Be&#x017F;timmung, ihre wahre Stellung aufgeben, aufho&#x0364;ren, ein<lb/>
we&#x017F;entliches Glied der Con&#x017F;truction zu &#x017F;eyn, al&#x017F;o zur nackten<lb/>
Zierde herab&#x017F;inken, was antike und moderne Kun&#x017F;trichter miß-<lb/>
billigt haben.</p><lb/>
        <p>Der Uebergang zu die&#x017F;er Umge&#x017F;taltung der griechi&#x017F;chen<lb/>
Baukun&#x017F;t du&#x0364;rfte in <placeName>Alexandria</placeName> zu &#x017F;uchen &#x017F;eyn. In die&#x017F;er<lb/>
er&#x017F;ten u&#x0364;bervo&#x0364;lkerten Stadt griechi&#x017F;cher Gru&#x0364;ndung ward, nach<lb/>
alten Kunden, die Gewo&#x0364;lbcon&#x017F;truction unter a&#x0364;hnlichen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden bereits in Anwendung gebracht. Die Formlo&#x017F;igkeit<lb/>
der alexandrini&#x017F;chen Tru&#x0364;mmer erweckt die Vermuthung, daß<lb/>
man hier, wie in <placeName>Babylon</placeName>, ha&#x0364;ufig lufttrockner Ziegel &#x017F;ich be-<lb/>
dient habe; hieraus weiter zu &#x017F;chließen, wa&#x0364;re freylich gewagt.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;treitig nun offenbarten die alten griechi&#x017F;chen Architec-<lb/>
ten, bey Lo&#x0364;&#x017F;ung ihrer doch mei&#x017F;t ho&#x0364;ch&#x017F;t einfachen Aufgaben,<lb/>
einen feineren Sinn fu&#x0364;r die Scho&#x0364;nheit der Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, als<lb/>
jemals die ro&#x0364;mi&#x017F;chen, wenn wir die Bauku&#x0364;n&#x017F;tler des Reiches<lb/>
der Ca&#x0364;&#x017F;arn u&#x0364;berhaupt ro&#x0364;mi&#x017F;che nennen du&#x0364;rfen. Indeß wol-<lb/>
len die&#x017F;e letzten nicht aus dem Ge&#x017F;ichtspuncte der griechi&#x017F;chen<lb/>
Kun&#x017F;t beurtheilt &#x017F;eyn. In die&#x017F;er wa&#x0364;r Scho&#x0364;nheit der Haupt-<lb/>
zweck, das Practi&#x017F;che aber &#x017F;o einfach, daß keine Schwierig-<lb/>
keit, kein Hinderniß der Scho&#x0364;nheit daraus ent&#x017F;tehen konnte.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0182] geſetzten war die Saͤulenſtellung hervorgegangen, da ſie ur- ſpruͤnglich beſtimmt war, ein vorſpringendes Dach zu unter- ſtuͤtzen, abgeſchloſſene Raͤume von beſchraͤnktem Umfang durch luftige Hallen zu umgeben, alſo nicht darauf angelegt, der zunehmenden Ausdehnung der inneren Raͤume ins Unbegrenzte nachzufolgen, noch der Zerſtuͤckelung der Stockwerke ſich an- zupaſſen. Da ſie nun demungeachtet, als an ſich ſelbſt bey- faͤllig, oder auch bloß als herkoͤmmlich, in die Bauart der ſpaͤteren Roͤmer uͤberging, mußte ſie haͤufig ihre eigentliche Beſtimmung, ihre wahre Stellung aufgeben, aufhoͤren, ein weſentliches Glied der Conſtruction zu ſeyn, alſo zur nackten Zierde herabſinken, was antike und moderne Kunſtrichter miß- billigt haben. Der Uebergang zu dieſer Umgeſtaltung der griechiſchen Baukunſt duͤrfte in Alexandria zu ſuchen ſeyn. In dieſer erſten uͤbervoͤlkerten Stadt griechiſcher Gruͤndung ward, nach alten Kunden, die Gewoͤlbconſtruction unter aͤhnlichen Um- ſtaͤnden bereits in Anwendung gebracht. Die Formloſigkeit der alexandriniſchen Truͤmmer erweckt die Vermuthung, daß man hier, wie in Babylon, haͤufig lufttrockner Ziegel ſich be- dient habe; hieraus weiter zu ſchließen, waͤre freylich gewagt. Unſtreitig nun offenbarten die alten griechiſchen Architec- ten, bey Loͤſung ihrer doch meiſt hoͤchſt einfachen Aufgaben, einen feineren Sinn fuͤr die Schoͤnheit der Verhaͤltniſſe, als jemals die roͤmiſchen, wenn wir die Baukuͤnſtler des Reiches der Caͤſarn uͤberhaupt roͤmiſche nennen duͤrfen. Indeß wol- len dieſe letzten nicht aus dem Geſichtspuncte der griechiſchen Kunſt beurtheilt ſeyn. In dieſer waͤr Schoͤnheit der Haupt- zweck, das Practiſche aber ſo einfach, daß keine Schwierig- keit, kein Hinderniß der Schoͤnheit daraus entſtehen konnte. Bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/182
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/182>, abgerufen am 18.04.2024.