Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Die nördlichen Völker, für deren Abkömmlinge wir gelten,
bauten ihre Wohnungen, selbst ihre Befestigungen, aus Holz
und vergänglichen Materialien. Die Unsicherheit der Nieder-
lassungen, oder die specifische Wärme und leichtere Bearbei-
tung des Holzes, welche in den nördlichen Gegenden diesen
Stoff noch immer in Gunst erhält, erklärt, daß sie nicht frü-
her, als in späten, schon historischen Zeiten, den Vortheilen
einer dauerhaften Baukunst Aufmerksamkeit zugewendet haben.
Hingegen reicht die Erfindung, in dichten, minder vergäng-
lichen Stoffen zu bauen, im Orient und in den Gegenden
des Mittelmeeres weit über die Grenzen der deutlichen Ge-
schichte hinaus, weßhalb man seit alter Zeit oftmals durch
künstliche Conjecturen ihren Ursprung hat erklären wollen.

Geschichtlich ist in dieser Beziehung nur so viel: daß
man nicht alsobald alle denkbare Vortheile der Construction
aufgefunden und in Anwendung gebracht. Denn es blieb
unzweifelhaft den alten Indern und Aegyptern die Möglich-
keit der Vertheilung und Ablenkung des Druckes durch Ge-
wölbe und Bogen eine lange Zeit verborgen, in welcher sie
ihre wundervollen Anlagen ganz auf Mächtigkeit und Stärke
des Gesteines begründeten. Hingegen mag die Bewältigung


Die noͤrdlichen Voͤlker, fuͤr deren Abkoͤmmlinge wir gelten,
bauten ihre Wohnungen, ſelbſt ihre Befeſtigungen, aus Holz
und vergaͤnglichen Materialien. Die Unſicherheit der Nieder-
laſſungen, oder die ſpecifiſche Waͤrme und leichtere Bearbei-
tung des Holzes, welche in den noͤrdlichen Gegenden dieſen
Stoff noch immer in Gunſt erhaͤlt, erklaͤrt, daß ſie nicht fruͤ-
her, als in ſpaͤten, ſchon hiſtoriſchen Zeiten, den Vortheilen
einer dauerhaften Baukunſt Aufmerkſamkeit zugewendet haben.
Hingegen reicht die Erfindung, in dichten, minder vergaͤng-
lichen Stoffen zu bauen, im Orient und in den Gegenden
des Mittelmeeres weit uͤber die Grenzen der deutlichen Ge-
ſchichte hinaus, weßhalb man ſeit alter Zeit oftmals durch
kuͤnſtliche Conjecturen ihren Urſprung hat erklaͤren wollen.

Geſchichtlich iſt in dieſer Beziehung nur ſo viel: daß
man nicht alſobald alle denkbare Vortheile der Conſtruction
aufgefunden und in Anwendung gebracht. Denn es blieb
unzweifelhaft den alten Indern und Aegyptern die Moͤglich-
keit der Vertheilung und Ablenkung des Druckes durch Ge-
woͤlbe und Bogen eine lange Zeit verborgen, in welcher ſie
ihre wundervollen Anlagen ganz auf Maͤchtigkeit und Staͤrke
des Geſteines begruͤndeten. Hingegen mag die Bewaͤltigung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0179" n="[157]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie no&#x0364;rdlichen Vo&#x0364;lker, fu&#x0364;r deren Abko&#x0364;mmlinge wir gelten,<lb/>
bauten ihre Wohnungen, &#x017F;elb&#x017F;t ihre Befe&#x017F;tigungen, aus Holz<lb/>
und verga&#x0364;nglichen Materialien. Die Un&#x017F;icherheit der Nieder-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ungen, oder die &#x017F;pecifi&#x017F;che Wa&#x0364;rme und leichtere Bearbei-<lb/>
tung des Holzes, welche in den no&#x0364;rdlichen Gegenden die&#x017F;en<lb/>
Stoff noch immer in Gun&#x017F;t erha&#x0364;lt, erkla&#x0364;rt, daß &#x017F;ie nicht fru&#x0364;-<lb/>
her, als in &#x017F;pa&#x0364;ten, &#x017F;chon hi&#x017F;tori&#x017F;chen Zeiten, den Vortheilen<lb/>
einer dauerhaften Baukun&#x017F;t Aufmerk&#x017F;amkeit zugewendet haben.<lb/>
Hingegen reicht die Erfindung, in dichten, minder verga&#x0364;ng-<lb/>
lichen Stoffen zu bauen, im <placeName>Orient</placeName> und in den Gegenden<lb/>
des Mittelmeeres weit u&#x0364;ber die Grenzen der deutlichen Ge-<lb/>
&#x017F;chichte hinaus, weßhalb man &#x017F;eit alter Zeit oftmals durch<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tliche Conjecturen ihren Ur&#x017F;prung hat erkla&#x0364;ren wollen.</p><lb/>
        <p>Ge&#x017F;chichtlich i&#x017F;t in die&#x017F;er Beziehung nur &#x017F;o viel: daß<lb/>
man nicht al&#x017F;obald alle denkbare Vortheile der Con&#x017F;truction<lb/>
aufgefunden und in Anwendung gebracht. Denn es blieb<lb/>
unzweifelhaft den alten Indern und Aegyptern die Mo&#x0364;glich-<lb/>
keit der Vertheilung und Ablenkung des Druckes durch Ge-<lb/>
wo&#x0364;lbe und Bogen eine lange Zeit verborgen, in welcher &#x017F;ie<lb/>
ihre wundervollen Anlagen ganz auf Ma&#x0364;chtigkeit und Sta&#x0364;rke<lb/>
des Ge&#x017F;teines begru&#x0364;ndeten. Hingegen mag die Bewa&#x0364;ltigung<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[157]/0179] Die noͤrdlichen Voͤlker, fuͤr deren Abkoͤmmlinge wir gelten, bauten ihre Wohnungen, ſelbſt ihre Befeſtigungen, aus Holz und vergaͤnglichen Materialien. Die Unſicherheit der Nieder- laſſungen, oder die ſpecifiſche Waͤrme und leichtere Bearbei- tung des Holzes, welche in den noͤrdlichen Gegenden dieſen Stoff noch immer in Gunſt erhaͤlt, erklaͤrt, daß ſie nicht fruͤ- her, als in ſpaͤten, ſchon hiſtoriſchen Zeiten, den Vortheilen einer dauerhaften Baukunſt Aufmerkſamkeit zugewendet haben. Hingegen reicht die Erfindung, in dichten, minder vergaͤng- lichen Stoffen zu bauen, im Orient und in den Gegenden des Mittelmeeres weit uͤber die Grenzen der deutlichen Ge- ſchichte hinaus, weßhalb man ſeit alter Zeit oftmals durch kuͤnſtliche Conjecturen ihren Urſprung hat erklaͤren wollen. Geſchichtlich iſt in dieſer Beziehung nur ſo viel: daß man nicht alſobald alle denkbare Vortheile der Conſtruction aufgefunden und in Anwendung gebracht. Denn es blieb unzweifelhaft den alten Indern und Aegyptern die Moͤglich- keit der Vertheilung und Ablenkung des Druckes durch Ge- woͤlbe und Bogen eine lange Zeit verborgen, in welcher ſie ihre wundervollen Anlagen ganz auf Maͤchtigkeit und Staͤrke des Geſteines begruͤndeten. Hingegen mag die Bewaͤltigung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/179
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. [157]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/179>, abgerufen am 29.03.2024.