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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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entscheidet. Gilt es den absoluten Werth eines Kunstwerks,
so wird höchst wahrscheinlich der geringe und verfehlte Künstler
zuversichtlicher, als der Kenner, rein technische Mängel oder
Vorzüge zu beurtheilen wissen. Gilt es hingegen den allge-
meinen Eindruck, den ein Kunstwerk bewirkt, die Originali-
tät, die Epoche, die Schule, den Meister, so glaube ich be-
merkt zu haben, daß der Kunstfreund im Allgemeinen den
ersten mit ungleich mehr Unbefangenheit in sich aufnehme,
zur Beurtheilung der Originalität und Abkunft der Kunst-
werke im Allgemeinen mehr historische und kritische Bildung
hinzubringe, als der Künstler von Beruf inmitten gehäufter
mechanisch-technischer Arbeiten Zeit findet, sich zu eigen zu
machen.

Sehr oft ist, was Jünglinge zur Kunst hinüberzieht,
nicht sowohl der Beruf zur Production, als Lust und Freude
am Producirten, also eigentlich der Beruf zum Kunstfreunde
und Kenner. Ich läugne daher keinesweges, daß unter den
verfehlten Künstlern vortreffliche Kenner sich bilden können
und häufig bilden. Uebrigens zeigen vielfältige Erfahrungen,
daß nicht alle, seyen es mäßig gute oder ganz mißglückte Künst-
ler zu Kennern sich bilden. Es ist nicht lange, daß des hoch-
seeligen Königs von Bayern Majestät (doch nicht ohne
Zuziehung dazu berufener Künstler?) eine Copie, welche der
berühmte Guarena vor den Augen von ganz Venedig nach
einem Bildniß des Paris Bordone gemacht, für hohen Preis
als ein Original erstanden. Hunderte von Künstlern haben
es in der königl. Gallerie zu München gesehen und bewun-
dert; wenige haben gezweifelt. Freylich ist dieses Bild in
den Lasurparthieen gut nachgeahmt; in so weit ist ein vene-

entſcheidet. Gilt es den abſoluten Werth eines Kunſtwerks,
ſo wird hoͤchſt wahrſcheinlich der geringe und verfehlte Kuͤnſtler
zuverſichtlicher, als der Kenner, rein techniſche Maͤngel oder
Vorzuͤge zu beurtheilen wiſſen. Gilt es hingegen den allge-
meinen Eindruck, den ein Kunſtwerk bewirkt, die Originali-
taͤt, die Epoche, die Schule, den Meiſter, ſo glaube ich be-
merkt zu haben, daß der Kunſtfreund im Allgemeinen den
erſten mit ungleich mehr Unbefangenheit in ſich aufnehme,
zur Beurtheilung der Originalitaͤt und Abkunft der Kunſt-
werke im Allgemeinen mehr hiſtoriſche und kritiſche Bildung
hinzubringe, als der Kuͤnſtler von Beruf inmitten gehaͤufter
mechaniſch-techniſcher Arbeiten Zeit findet, ſich zu eigen zu
machen.

Sehr oft iſt, was Juͤnglinge zur Kunſt hinuͤberzieht,
nicht ſowohl der Beruf zur Production, als Luſt und Freude
am Producirten, alſo eigentlich der Beruf zum Kunſtfreunde
und Kenner. Ich laͤugne daher keinesweges, daß unter den
verfehlten Kuͤnſtlern vortreffliche Kenner ſich bilden koͤnnen
und haͤufig bilden. Uebrigens zeigen vielfaͤltige Erfahrungen,
daß nicht alle, ſeyen es maͤßig gute oder ganz mißgluͤckte Kuͤnſt-
ler zu Kennern ſich bilden. Es iſt nicht lange, daß des hoch-
ſeeligen Koͤnigs von Bayern Majeſtaͤt (doch nicht ohne
Zuziehung dazu berufener Kuͤnſtler?) eine Copie, welche der
beruͤhmte Guarena vor den Augen von ganz Venedig nach
einem Bildniß des Paris Bordone gemacht, fuͤr hohen Preis
als ein Original erſtanden. Hunderte von Kuͤnſtlern haben
es in der koͤnigl. Gallerie zu Muͤnchen geſehen und bewun-
dert; wenige haben gezweifelt. Freylich iſt dieſes Bild in
den Laſurparthieen gut nachgeahmt; in ſo weit iſt ein vene-

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[152/0174] entſcheidet. Gilt es den abſoluten Werth eines Kunſtwerks, ſo wird hoͤchſt wahrſcheinlich der geringe und verfehlte Kuͤnſtler zuverſichtlicher, als der Kenner, rein techniſche Maͤngel oder Vorzuͤge zu beurtheilen wiſſen. Gilt es hingegen den allge- meinen Eindruck, den ein Kunſtwerk bewirkt, die Originali- taͤt, die Epoche, die Schule, den Meiſter, ſo glaube ich be- merkt zu haben, daß der Kunſtfreund im Allgemeinen den erſten mit ungleich mehr Unbefangenheit in ſich aufnehme, zur Beurtheilung der Originalitaͤt und Abkunft der Kunſt- werke im Allgemeinen mehr hiſtoriſche und kritiſche Bildung hinzubringe, als der Kuͤnſtler von Beruf inmitten gehaͤufter mechaniſch-techniſcher Arbeiten Zeit findet, ſich zu eigen zu machen. Sehr oft iſt, was Juͤnglinge zur Kunſt hinuͤberzieht, nicht ſowohl der Beruf zur Production, als Luſt und Freude am Producirten, alſo eigentlich der Beruf zum Kunſtfreunde und Kenner. Ich laͤugne daher keinesweges, daß unter den verfehlten Kuͤnſtlern vortreffliche Kenner ſich bilden koͤnnen und haͤufig bilden. Uebrigens zeigen vielfaͤltige Erfahrungen, daß nicht alle, ſeyen es maͤßig gute oder ganz mißgluͤckte Kuͤnſt- ler zu Kennern ſich bilden. Es iſt nicht lange, daß des hoch- ſeeligen Koͤnigs von Bayern Majeſtaͤt (doch nicht ohne Zuziehung dazu berufener Kuͤnſtler?) eine Copie, welche der beruͤhmte Guarena vor den Augen von ganz Venedig nach einem Bildniß des Paris Bordone gemacht, fuͤr hohen Preis als ein Original erſtanden. Hunderte von Kuͤnſtlern haben es in der koͤnigl. Gallerie zu Muͤnchen geſehen und bewun- dert; wenige haben gezweifelt. Freylich iſt dieſes Bild in den Laſurparthieen gut nachgeahmt; in ſo weit iſt ein vene-

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/174>, abgerufen am 29.03.2024.