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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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ein ehrlicher Kampf, ein Kampf mit gleichen Waffen. Denn
in Ländern ohne Mittelpuncte der ersten Größe vermag der
Künstler der Publicität literärischer Organe nichts entgegen-
zusetzen, welche oft genug durch ein unmuthig, oder nur un-
bedachtsam hingeworfenes Wort gegen Personen, schulen,
Genossenschaften, Vorurtheile verbreiten, deren Folgen nicht
zu berechnen sind.

Durch diese Berücksichtigung wird aber in der Frage:
ob nur Künstler Kunstwerke zu beurtheilen wissen, durchaus
nichts verändert.

Was nun verstehet dieser alte Spruch unter dem Worte
Künstler? Große Meister? oder dehnt er es auch auf solche
aus, welche mit geringem, oder auch gar keinem Erfolg um
die Kunst sich bemüht haben?

Nehmen wir an, er verstehe: große Meister; wodurch
denn und worin würden diese besonders erfähigt seyn, die
künstlerischen Leistungen anderer gerecht und richtig zu beur-
theilen? Ob durch ihren Genius? oder vielmehr durch ihre
technischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Hülfskenntnisse?

Nehmen wir an, durch ihren Genius; so stellet sich dem
entgegen, daß große Künstler einer verflächenden Allgemein-
heit und Vielseitigkeit eben nur durch entschiedene Hingebung
in ihre Eigenthümlichkeit entgehen können, daß daher jene
Abgeschlossenheit, Einseitigkeit, harte Abstoßung alles ihnen
Fremdartigen und Entgegengesetzten entstehet, welche alle Künst-
ler von großem Naturell zu gegenseitigen Ungerechtigkeiten
zwingt. Also dürfte, auch ohne niedrige Beweggründe, welche
edler Seelen unwerth sind, in die Berechnung zu ziehn, für
Künstler und Kunstwerke wenig Aussicht auf eine reine, un-
bestochene Würdigung vorhanden seyn, gälte jener Ausspruch

ein ehrlicher Kampf, ein Kampf mit gleichen Waffen. Denn
in Laͤndern ohne Mittelpuncte der erſten Groͤße vermag der
Kuͤnſtler der Publicitaͤt literaͤriſcher Organe nichts entgegen-
zuſetzen, welche oft genug durch ein unmuthig, oder nur un-
bedachtſam hingeworfenes Wort gegen Perſonen, ſchulen,
Genoſſenſchaften, Vorurtheile verbreiten, deren Folgen nicht
zu berechnen ſind.

Durch dieſe Beruͤckſichtigung wird aber in der Frage:
ob nur Kuͤnſtler Kunſtwerke zu beurtheilen wiſſen, durchaus
nichts veraͤndert.

Was nun verſtehet dieſer alte Spruch unter dem Worte
Kuͤnſtler? Große Meiſter? oder dehnt er es auch auf ſolche
aus, welche mit geringem, oder auch gar keinem Erfolg um
die Kunſt ſich bemuͤht haben?

Nehmen wir an, er verſtehe: große Meiſter; wodurch
denn und worin wuͤrden dieſe beſonders erfaͤhigt ſeyn, die
kuͤnſtleriſchen Leiſtungen anderer gerecht und richtig zu beur-
theilen? Ob durch ihren Genius? oder vielmehr durch ihre
techniſchen Erfahrungen und wiſſenſchaftlichen Huͤlfskenntniſſe?

Nehmen wir an, durch ihren Genius; ſo ſtellet ſich dem
entgegen, daß große Kuͤnſtler einer verflaͤchenden Allgemein-
heit und Vielſeitigkeit eben nur durch entſchiedene Hingebung
in ihre Eigenthuͤmlichkeit entgehen koͤnnen, daß daher jene
Abgeſchloſſenheit, Einſeitigkeit, harte Abſtoßung alles ihnen
Fremdartigen und Entgegengeſetzten entſtehet, welche alle Kuͤnſt-
ler von großem Naturell zu gegenſeitigen Ungerechtigkeiten
zwingt. Alſo duͤrfte, auch ohne niedrige Beweggruͤnde, welche
edler Seelen unwerth ſind, in die Berechnung zu ziehn, fuͤr
Kuͤnſtler und Kunſtwerke wenig Ausſicht auf eine reine, un-
beſtochene Wuͤrdigung vorhanden ſeyn, gaͤlte jener Ausſpruch

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[149/0171] ein ehrlicher Kampf, ein Kampf mit gleichen Waffen. Denn in Laͤndern ohne Mittelpuncte der erſten Groͤße vermag der Kuͤnſtler der Publicitaͤt literaͤriſcher Organe nichts entgegen- zuſetzen, welche oft genug durch ein unmuthig, oder nur un- bedachtſam hingeworfenes Wort gegen Perſonen, ſchulen, Genoſſenſchaften, Vorurtheile verbreiten, deren Folgen nicht zu berechnen ſind. Durch dieſe Beruͤckſichtigung wird aber in der Frage: ob nur Kuͤnſtler Kunſtwerke zu beurtheilen wiſſen, durchaus nichts veraͤndert. Was nun verſtehet dieſer alte Spruch unter dem Worte Kuͤnſtler? Große Meiſter? oder dehnt er es auch auf ſolche aus, welche mit geringem, oder auch gar keinem Erfolg um die Kunſt ſich bemuͤht haben? Nehmen wir an, er verſtehe: große Meiſter; wodurch denn und worin wuͤrden dieſe beſonders erfaͤhigt ſeyn, die kuͤnſtleriſchen Leiſtungen anderer gerecht und richtig zu beur- theilen? Ob durch ihren Genius? oder vielmehr durch ihre techniſchen Erfahrungen und wiſſenſchaftlichen Huͤlfskenntniſſe? Nehmen wir an, durch ihren Genius; ſo ſtellet ſich dem entgegen, daß große Kuͤnſtler einer verflaͤchenden Allgemein- heit und Vielſeitigkeit eben nur durch entſchiedene Hingebung in ihre Eigenthuͤmlichkeit entgehen koͤnnen, daß daher jene Abgeſchloſſenheit, Einſeitigkeit, harte Abſtoßung alles ihnen Fremdartigen und Entgegengeſetzten entſtehet, welche alle Kuͤnſt- ler von großem Naturell zu gegenſeitigen Ungerechtigkeiten zwingt. Alſo duͤrfte, auch ohne niedrige Beweggruͤnde, welche edler Seelen unwerth ſind, in die Berechnung zu ziehn, fuͤr Kuͤnſtler und Kunſtwerke wenig Ausſicht auf eine reine, un- beſtochene Wuͤrdigung vorhanden ſeyn, gaͤlte jener Ausſpruch

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/171>, abgerufen am 28.03.2024.