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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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der Pabst, nach der allgemeinen Richtung seines Geschmackes,
doch sich heimischer fühlen mußte, als in jenem, ward kein
einziges Kunstwerk auf dessen Kosten, in dessen Auftrag aus-
geführt. Das erheblichste und bekannteste ist die Geschichte
der Psyche an dem Spiegelgewölbe der gegen den Garten
gerichteten Loge in der Villa des reichen Augustin Chigi,
welche, nach späteren Besitzern, gegenwärtig die villa Farne-
sina
genannt wird. Marcanton und Caraglio haben einige
dieser schönen Erfindungen in Kupfer gestochen; das Ganze
hat Dorigny radirt *). Die Ausführung, in welcher schon
Vasari die gewohnte Lieblichkeit und Anmuth Raphaels ver-
mißte, fiel, nach demselben, großentheils seinen Gehülfen, be-
sonders dem Giulio, anheim. Vor etwa zwanzig Jahren habe
ich einige, in drey Kreiden fleißig gezeichnete Köpfe gesehen,
welche damals mir das Ansehn hatten, schöner zu seyn, als
deren malerische Ausführung **). Und dennoch gehörten sie
zu einer Gruppe, welche ihrer besseren Ausführung willen ge-
wöhnlich dem Meister beygemessen wird: den zürnenden Göt-
tinnen.

In der anstoßenden, gegen die Tiber gerichtete Loge, der-
selben, in welcher Chigi dem Pabste ein verschwenderisches
Gastmahl ausgerichtet, wo die Decke ganz von Baldassare
Peruzzi
ausgemalt ist, befindet sich jenes Bild, welches, seit
Vasari, für eine Darstellung der Galathea gehalten wird, viel-
leicht dem Künstler selbst nur unter diesem Namen geläufig

*) S. (Bellori) Delle immagini dipinte da Raffael d'Urbino,
nel palazzo Vaticano e nella Farnesina alla Lungara. Roma 1751.
**) Diese Zeichnungen befanden sich damals im Besitze des Malers,
Professor Abel, welcher später zu Wien verstorben ist.

der Pabſt, nach der allgemeinen Richtung ſeines Geſchmackes,
doch ſich heimiſcher fuͤhlen mußte, als in jenem, ward kein
einziges Kunſtwerk auf deſſen Koſten, in deſſen Auftrag aus-
gefuͤhrt. Das erheblichſte und bekannteſte iſt die Geſchichte
der Pſyche an dem Spiegelgewoͤlbe der gegen den Garten
gerichteten Loge in der Villa des reichen Auguſtin Chigi,
welche, nach ſpaͤteren Beſitzern, gegenwaͤrtig die villa Farne-
sina
genannt wird. Marcanton und Caraglio haben einige
dieſer ſchoͤnen Erfindungen in Kupfer geſtochen; das Ganze
hat Dorigny radirt *). Die Ausfuͤhrung, in welcher ſchon
Vaſari die gewohnte Lieblichkeit und Anmuth Raphaels ver-
mißte, fiel, nach demſelben, großentheils ſeinen Gehuͤlfen, be-
ſonders dem Giulio, anheim. Vor etwa zwanzig Jahren habe
ich einige, in drey Kreiden fleißig gezeichnete Koͤpfe geſehen,
welche damals mir das Anſehn hatten, ſchoͤner zu ſeyn, als
deren maleriſche Ausfuͤhrung **). Und dennoch gehoͤrten ſie
zu einer Gruppe, welche ihrer beſſeren Ausfuͤhrung willen ge-
woͤhnlich dem Meiſter beygemeſſen wird: den zuͤrnenden Goͤt-
tinnen.

In der anſtoßenden, gegen die Tiber gerichtete Loge, der-
ſelben, in welcher Chigi dem Pabſte ein verſchwenderiſches
Gaſtmahl ausgerichtet, wo die Decke ganz von Baldaſſare
Peruzzi
ausgemalt iſt, befindet ſich jenes Bild, welches, ſeit
Vaſari, fuͤr eine Darſtellung der Galathea gehalten wird, viel-
leicht dem Kuͤnſtler ſelbſt nur unter dieſem Namen gelaͤufig

*) S. (Bellori) Delle immagini dipinte da Raffael d’Urbino,
nel palazzo Vaticano e nella Farnesina alla Lungara. Roma 1751.
**) Dieſe Zeichnungen befanden ſich damals im Beſitze des Malers,
Profeſſor Abel, welcher ſpäter zu Wien verſtorben iſt.
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[140/0162] der Pabſt, nach der allgemeinen Richtung ſeines Geſchmackes, doch ſich heimiſcher fuͤhlen mußte, als in jenem, ward kein einziges Kunſtwerk auf deſſen Koſten, in deſſen Auftrag aus- gefuͤhrt. Das erheblichſte und bekannteſte iſt die Geſchichte der Pſyche an dem Spiegelgewoͤlbe der gegen den Garten gerichteten Loge in der Villa des reichen Auguſtin Chigi, welche, nach ſpaͤteren Beſitzern, gegenwaͤrtig die villa Farne- sina genannt wird. Marcanton und Caraglio haben einige dieſer ſchoͤnen Erfindungen in Kupfer geſtochen; das Ganze hat Dorigny radirt *). Die Ausfuͤhrung, in welcher ſchon Vaſari die gewohnte Lieblichkeit und Anmuth Raphaels ver- mißte, fiel, nach demſelben, großentheils ſeinen Gehuͤlfen, be- ſonders dem Giulio, anheim. Vor etwa zwanzig Jahren habe ich einige, in drey Kreiden fleißig gezeichnete Koͤpfe geſehen, welche damals mir das Anſehn hatten, ſchoͤner zu ſeyn, als deren maleriſche Ausfuͤhrung **). Und dennoch gehoͤrten ſie zu einer Gruppe, welche ihrer beſſeren Ausfuͤhrung willen ge- woͤhnlich dem Meiſter beygemeſſen wird: den zuͤrnenden Goͤt- tinnen. In der anſtoßenden, gegen die Tiber gerichtete Loge, der- ſelben, in welcher Chigi dem Pabſte ein verſchwenderiſches Gaſtmahl ausgerichtet, wo die Decke ganz von Baldaſſare Peruzzi ausgemalt iſt, befindet ſich jenes Bild, welches, ſeit Vaſari, fuͤr eine Darſtellung der Galathea gehalten wird, viel- leicht dem Kuͤnſtler ſelbſt nur unter dieſem Namen gelaͤufig *) S. (Bellori) Delle immagini dipinte da Raffael d’Urbino, nel palazzo Vaticano e nella Farnesina alla Lungara. Roma 1751. **) Dieſe Zeichnungen befanden ſich damals im Beſitze des Malers, Profeſſor Abel, welcher ſpäter zu Wien verſtorben iſt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/162>, abgerufen am 29.03.2024.