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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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malt haben. In jenen Halbrunden aber, welche er in den
Jahren 1513 und 1514 gemalt, dem Attila, der Befreyung
Petri, gelang es ihm zuerst, den allgemeinen Ton durchaus zu
beherrschen, die Erscheinung des Einzelnen mit dem Ganzen
völlig in Uebereinstimmung zu setzen, was bekanntlich in der
Malerey a fresco sehr schwierig ist, ungemein viel Erfahrung
und auf sie gegründete Methodik voraussetzt. Stehet nun in
dieser Beziehung unter den Mauergemälden Raphaels keines
den gedachten Halbrunden näher, als das Werk in la Pace,
zeigt dasselbe zugleich in der Beherrschung der Wendungen,
Stellungen und Formen der Figuren den Künstler auf der
größten Höhe seiner Meisterschaft: so wüßte ich nicht, wie
man, in Ermanglung aller anderen Zeugnisse, anstehen könne,
es in die ersten Jahre der Regierung Leo X. zu versetzen.

Vier Altargemälde entstanden damals ohne seine Mit-
wirkung, jedes in seiner Art das Herrlichste der Kunst Ra-
phaels
, der Kunst überhaupt: die Madonna mit dem Tobias,
die andere mit dem heil. Sixtus, die Kreuztragung, die Trans-
figuration.

Die Madonna del pez, wie die Spanier sie nennen,
seitdem sie die Kunstschätze des Escorial vermehrt, hat Ra-
phael
für die Kirche S. Domenico, in Neapel, gemalt. Sie
ward, nach einer Handzeichnung von Marcanton, nach dem
Bilde von Desnoyers gestochen, ihre Anordnung ist daher,
ungeachtet der Entlegenheit der Stelle, sehr bekannt. Die
florentinische Sammlung von Handzeichnungen in der Gallerie
der Uffizj zu Florenz enthält einen vollständigen Entwurf des
Bildes in Röthel, vielleicht die Zeichnung, nach welcher Mar-
canton
jenes vortreffliche Blatt gestochen hat.

Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts veranlaßte

malt haben. In jenen Halbrunden aber, welche er in den
Jahren 1513 und 1514 gemalt, dem Attila, der Befreyung
Petri, gelang es ihm zuerſt, den allgemeinen Ton durchaus zu
beherrſchen, die Erſcheinung des Einzelnen mit dem Ganzen
voͤllig in Uebereinſtimmung zu ſetzen, was bekanntlich in der
Malerey a fresco ſehr ſchwierig iſt, ungemein viel Erfahrung
und auf ſie gegruͤndete Methodik vorausſetzt. Stehet nun in
dieſer Beziehung unter den Mauergemaͤlden Raphaels keines
den gedachten Halbrunden naͤher, als das Werk in la Pace,
zeigt daſſelbe zugleich in der Beherrſchung der Wendungen,
Stellungen und Formen der Figuren den Kuͤnſtler auf der
groͤßten Hoͤhe ſeiner Meiſterſchaft: ſo wuͤßte ich nicht, wie
man, in Ermanglung aller anderen Zeugniſſe, anſtehen koͤnne,
es in die erſten Jahre der Regierung Leo X. zu verſetzen.

Vier Altargemaͤlde entſtanden damals ohne ſeine Mit-
wirkung, jedes in ſeiner Art das Herrlichſte der Kunſt Ra-
phaels
, der Kunſt uͤberhaupt: die Madonna mit dem Tobias,
die andere mit dem heil. Sixtus, die Kreuztragung, die Trans-
figuration.

Die Madonna del pez, wie die Spanier ſie nennen,
ſeitdem ſie die Kunſtſchaͤtze des Escorial vermehrt, hat Ra-
phael
fuͤr die Kirche S. Domenico, in Neapel, gemalt. Sie
ward, nach einer Handzeichnung von Marcanton, nach dem
Bilde von Desnoyers geſtochen, ihre Anordnung iſt daher,
ungeachtet der Entlegenheit der Stelle, ſehr bekannt. Die
florentiniſche Sammlung von Handzeichnungen in der Gallerie
der Uffizj zu Florenz enthaͤlt einen vollſtaͤndigen Entwurf des
Bildes in Roͤthel, vielleicht die Zeichnung, nach welcher Mar-
canton
jenes vortreffliche Blatt geſtochen hat.

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[127/0149] malt haben. In jenen Halbrunden aber, welche er in den Jahren 1513 und 1514 gemalt, dem Attila, der Befreyung Petri, gelang es ihm zuerſt, den allgemeinen Ton durchaus zu beherrſchen, die Erſcheinung des Einzelnen mit dem Ganzen voͤllig in Uebereinſtimmung zu ſetzen, was bekanntlich in der Malerey a fresco ſehr ſchwierig iſt, ungemein viel Erfahrung und auf ſie gegruͤndete Methodik vorausſetzt. Stehet nun in dieſer Beziehung unter den Mauergemaͤlden Raphaels keines den gedachten Halbrunden naͤher, als das Werk in la Pace, zeigt daſſelbe zugleich in der Beherrſchung der Wendungen, Stellungen und Formen der Figuren den Kuͤnſtler auf der groͤßten Hoͤhe ſeiner Meiſterſchaft: ſo wuͤßte ich nicht, wie man, in Ermanglung aller anderen Zeugniſſe, anſtehen koͤnne, es in die erſten Jahre der Regierung Leo X. zu verſetzen. Vier Altargemaͤlde entſtanden damals ohne ſeine Mit- wirkung, jedes in ſeiner Art das Herrlichſte der Kunſt Ra- phaels, der Kunſt uͤberhaupt: die Madonna mit dem Tobias, die andere mit dem heil. Sixtus, die Kreuztragung, die Trans- figuration. Die Madonna del pez, wie die Spanier ſie nennen, ſeitdem ſie die Kunſtſchaͤtze des Escorial vermehrt, hat Ra- phael fuͤr die Kirche S. Domenico, in Neapel, gemalt. Sie ward, nach einer Handzeichnung von Marcanton, nach dem Bilde von Desnoyers geſtochen, ihre Anordnung iſt daher, ungeachtet der Entlegenheit der Stelle, ſehr bekannt. Die florentiniſche Sammlung von Handzeichnungen in der Gallerie der Uffizj zu Florenz enthaͤlt einen vollſtaͤndigen Entwurf des Bildes in Roͤthel, vielleicht die Zeichnung, nach welcher Mar- canton jenes vortreffliche Blatt geſtochen hat. Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts veranlaßte

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/149>, abgerufen am 23.04.2024.