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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Noch mehr vernachlässigte Raphael die vier Darstellun-
gen im Zimmer des Incendio del Borgo. Ihre Ausführung
ist unstreitig seinen Schülern größtentheils beyzumessen; doch
habe ich ein Blatt mit Figuren aus der Bestrafung der See-
räuber gesehn, welche schon in ihrem ersten flüchtigen Ent-
wurfe ohne Sorgfalt gezeichnet waren. Ernstlicher freylich
durchdachte Raphael seine Aufgabe in den berühmten Cartons
von Hamptoncourt; in diesen vortrefflichen Compositionen ist
auch der feine Sinn für die Anforderungen des Stoffes (der
gewirkten Arbeit) beachtenswerth; es ist nicht zufällig, daß er
dabey des Masaccio und Filippino sich erinnert, das Massige
eben hier mehr, als an anderen Stellen, gesucht hat. Doch,
mit Ausnahme jener beiden ersten Halbrundungen der Stan-
zen, malte er für diesen Pabst nur ein einziges sorgsam und
liebevoll beendigtes Werk, das Bildniß Leo X. mit den Car-
dinälen de' Rossi und de' Medici, auf welches wir zurückkom-
men werden.

In diesem Bildnisse, wie in den zwey Halbrunden der
Stanzen, ward der Persönlichkeit des Pabstes geschmeichelt;
in den vaticanischen Logen, in jenem anderen Zimmer dessel-
ben Palastes, huldigte Raphael dem Geschmacke seines Gön-
ners an abwechselnden Thier- und Pflanzenformen, an seiner
Menagerie *), seinen Gärten; die überaus kostbaren Tapeten
(für 70000 Scudi wurden sie, nach Vasari, gewirkt) waren,
was den Pabst angeht, eine Schöpfung seiner Prachtliebe.
Doch nicht allein diese Seitenbeziehungen, auch die Vernach-

*) Vasari, P. c. p. 82. -- Fece una sala -- e per Giovanni da
Udine
-- fece fare in cio tutti quegli animali, che papa Leone aveva,
il Cameleonte etc.

Noch mehr vernachlaͤſſigte Raphael die vier Darſtellun-
gen im Zimmer des Incendio del Borgo. Ihre Ausfuͤhrung
iſt unſtreitig ſeinen Schuͤlern groͤßtentheils beyzumeſſen; doch
habe ich ein Blatt mit Figuren aus der Beſtrafung der See-
raͤuber geſehn, welche ſchon in ihrem erſten fluͤchtigen Ent-
wurfe ohne Sorgfalt gezeichnet waren. Ernſtlicher freylich
durchdachte Raphael ſeine Aufgabe in den beruͤhmten Cartons
von Hamptoncourt; in dieſen vortrefflichen Compoſitionen iſt
auch der feine Sinn fuͤr die Anforderungen des Stoffes (der
gewirkten Arbeit) beachtenswerth; es iſt nicht zufaͤllig, daß er
dabey des Maſaccio und Filippino ſich erinnert, das Maſſige
eben hier mehr, als an anderen Stellen, geſucht hat. Doch,
mit Ausnahme jener beiden erſten Halbrundungen der Stan-
zen, malte er fuͤr dieſen Pabſt nur ein einziges ſorgſam und
liebevoll beendigtes Werk, das Bildniß Leo X. mit den Car-
dinaͤlen de’ Roſſi und de’ Medici, auf welches wir zuruͤckkom-
men werden.

In dieſem Bildniſſe, wie in den zwey Halbrunden der
Stanzen, ward der Perſoͤnlichkeit des Pabſtes geſchmeichelt;
in den vaticaniſchen Logen, in jenem anderen Zimmer deſſel-
ben Palaſtes, huldigte Raphael dem Geſchmacke ſeines Goͤn-
ners an abwechſelnden Thier- und Pflanzenformen, an ſeiner
Menagerie *), ſeinen Gaͤrten; die uͤberaus koſtbaren Tapeten
(fuͤr 70000 Scudi wurden ſie, nach Vaſari, gewirkt) waren,
was den Pabſt angeht, eine Schoͤpfung ſeiner Prachtliebe.
Doch nicht allein dieſe Seitenbeziehungen, auch die Vernach-

*) Vasari, P. c. p. 82. — Fece una sala — e per Giovanni da
Udine
— fece fare in ciò tutti quegli animali, che papa Leone aveva,
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[125/0147] Noch mehr vernachlaͤſſigte Raphael die vier Darſtellun- gen im Zimmer des Incendio del Borgo. Ihre Ausfuͤhrung iſt unſtreitig ſeinen Schuͤlern groͤßtentheils beyzumeſſen; doch habe ich ein Blatt mit Figuren aus der Beſtrafung der See- raͤuber geſehn, welche ſchon in ihrem erſten fluͤchtigen Ent- wurfe ohne Sorgfalt gezeichnet waren. Ernſtlicher freylich durchdachte Raphael ſeine Aufgabe in den beruͤhmten Cartons von Hamptoncourt; in dieſen vortrefflichen Compoſitionen iſt auch der feine Sinn fuͤr die Anforderungen des Stoffes (der gewirkten Arbeit) beachtenswerth; es iſt nicht zufaͤllig, daß er dabey des Maſaccio und Filippino ſich erinnert, das Maſſige eben hier mehr, als an anderen Stellen, geſucht hat. Doch, mit Ausnahme jener beiden erſten Halbrundungen der Stan- zen, malte er fuͤr dieſen Pabſt nur ein einziges ſorgſam und liebevoll beendigtes Werk, das Bildniß Leo X. mit den Car- dinaͤlen de’ Roſſi und de’ Medici, auf welches wir zuruͤckkom- men werden. In dieſem Bildniſſe, wie in den zwey Halbrunden der Stanzen, ward der Perſoͤnlichkeit des Pabſtes geſchmeichelt; in den vaticaniſchen Logen, in jenem anderen Zimmer deſſel- ben Palaſtes, huldigte Raphael dem Geſchmacke ſeines Goͤn- ners an abwechſelnden Thier- und Pflanzenformen, an ſeiner Menagerie *), ſeinen Gaͤrten; die uͤberaus koſtbaren Tapeten (fuͤr 70000 Scudi wurden ſie, nach Vaſari, gewirkt) waren, was den Pabſt angeht, eine Schoͤpfung ſeiner Prachtliebe. Doch nicht allein dieſe Seitenbeziehungen, auch die Vernach- *) Vasari, P. c. p. 82. — Fece una sala — e per Giovanni da Udine — fece fare in ciò tutti quegli animali, che papa Leone aveva, il Cameleonte etc.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/147>, abgerufen am 29.03.2024.