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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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dener Licht- und Formenspiele. Also hätten wir auch diese
Schwierigkeit beseitigt.

Daß Raphaels Haar blond gewesen, mit den Jahren
leicht zum Bräunlichen sich hingeneigt habe, erhellt aus einer
Folge von Bildnissen, welche man selten im Geiste zusammen-
stellt.

Das eine bietet uns, in der Libreria des Domes zu
Siena, die Darstellung der Canonisation der heil. Katharina
von Siena, in welcher unter dem Haufen, neben dem Pintu-
ricchio
, auch Raphael eine brennende Kerze hält. Diese Bild-
nisse scheinen nach leichten Andeutungen flüchtig auf die Mauer
gemalt zu seyn; mit dem Bildnisse des Pinturicchio in einer
Kappelle der Hauptkirche des Städtchens Spello verglichen,
erscheint das entsprechende in Siena sehr roh und flüchtig,
fast ganz aus der Erinnerung gemalt. Das Bildniß Ra-
phaels
ist nicht besser, nicht genauer nach dem Leben ausge-
führt, zeigt indeß, bey erheblicher Altersverschiedenheit, den
allgemeinen Charakter und die langen blonden Haare des
unsrigen. Sehr überraschte mich in dieser Beziehung ein ge-
malter Teller aus der Fabrik von Urbino, auf welchem ein
ganz ähnlicher, blonder Jüngling, von schöner, jugendlich
raphaelischer Zeichnung, auf einer Bank ein neben ihm sitzen-
des Mädchen umarmt hält; gegenüber eine andere Figur,
auf einer ähnlich verzierten schräg vorgezogenen Bank, beschäf-
tigt einen Teller zu bemalen; ihr zur Seite ein Schemel mit
den Werkzeugen und Farbennäpfen; das Ganze, ungewöhn-
lich, auf violettblauem Kobaltgrunde. Es giebt eine alte, spä-
ter ganz verworfene Tradition von einer Liebschaft Raphaels
mit der Tochter des Töpfers zu Urbino, welche durch diesen
Teller Bestand erhält. Denn es trifft auch das Costüm der

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dener Licht- und Formenſpiele. Alſo haͤtten wir auch dieſe
Schwierigkeit beſeitigt.

Daß Raphaels Haar blond geweſen, mit den Jahren
leicht zum Braͤunlichen ſich hingeneigt habe, erhellt aus einer
Folge von Bildniſſen, welche man ſelten im Geiſte zuſammen-
ſtellt.

Das eine bietet uns, in der Libreria des Domes zu
Siena, die Darſtellung der Canoniſation der heil. Katharina
von Siena, in welcher unter dem Haufen, neben dem Pintu-
ricchio
, auch Raphael eine brennende Kerze haͤlt. Dieſe Bild-
niſſe ſcheinen nach leichten Andeutungen fluͤchtig auf die Mauer
gemalt zu ſeyn; mit dem Bildniſſe des Pinturicchio in einer
Kappelle der Hauptkirche des Staͤdtchens Spello verglichen,
erſcheint das entſprechende in Siena ſehr roh und fluͤchtig,
faſt ganz aus der Erinnerung gemalt. Das Bildniß Ra-
phaels
iſt nicht beſſer, nicht genauer nach dem Leben ausge-
fuͤhrt, zeigt indeß, bey erheblicher Altersverſchiedenheit, den
allgemeinen Charakter und die langen blonden Haare des
unſrigen. Sehr uͤberraſchte mich in dieſer Beziehung ein ge-
malter Teller aus der Fabrik von Urbino, auf welchem ein
ganz aͤhnlicher, blonder Juͤngling, von ſchoͤner, jugendlich
raphaeliſcher Zeichnung, auf einer Bank ein neben ihm ſitzen-
des Maͤdchen umarmt haͤlt; gegenuͤber eine andere Figur,
auf einer aͤhnlich verzierten ſchraͤg vorgezogenen Bank, beſchaͤf-
tigt einen Teller zu bemalen; ihr zur Seite ein Schemel mit
den Werkzeugen und Farbennaͤpfen; das Ganze, ungewoͤhn-
lich, auf violettblauem Kobaltgrunde. Es giebt eine alte, ſpaͤ-
ter ganz verworfene Tradition von einer Liebſchaft Raphaels
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[113/0135] dener Licht- und Formenſpiele. Alſo haͤtten wir auch dieſe Schwierigkeit beſeitigt. Daß Raphaels Haar blond geweſen, mit den Jahren leicht zum Braͤunlichen ſich hingeneigt habe, erhellt aus einer Folge von Bildniſſen, welche man ſelten im Geiſte zuſammen- ſtellt. Das eine bietet uns, in der Libreria des Domes zu Siena, die Darſtellung der Canoniſation der heil. Katharina von Siena, in welcher unter dem Haufen, neben dem Pintu- ricchio, auch Raphael eine brennende Kerze haͤlt. Dieſe Bild- niſſe ſcheinen nach leichten Andeutungen fluͤchtig auf die Mauer gemalt zu ſeyn; mit dem Bildniſſe des Pinturicchio in einer Kappelle der Hauptkirche des Staͤdtchens Spello verglichen, erſcheint das entſprechende in Siena ſehr roh und fluͤchtig, faſt ganz aus der Erinnerung gemalt. Das Bildniß Ra- phaels iſt nicht beſſer, nicht genauer nach dem Leben ausge- fuͤhrt, zeigt indeß, bey erheblicher Altersverſchiedenheit, den allgemeinen Charakter und die langen blonden Haare des unſrigen. Sehr uͤberraſchte mich in dieſer Beziehung ein ge- malter Teller aus der Fabrik von Urbino, auf welchem ein ganz aͤhnlicher, blonder Juͤngling, von ſchoͤner, jugendlich raphaeliſcher Zeichnung, auf einer Bank ein neben ihm ſitzen- des Maͤdchen umarmt haͤlt; gegenuͤber eine andere Figur, auf einer aͤhnlich verzierten ſchraͤg vorgezogenen Bank, beſchaͤf- tigt einen Teller zu bemalen; ihr zur Seite ein Schemel mit den Werkzeugen und Farbennaͤpfen; das Ganze, ungewoͤhn- lich, auf violettblauem Kobaltgrunde. Es giebt eine alte, ſpaͤ- ter ganz verworfene Tradition von einer Liebſchaft Raphaels mit der Tochter des Toͤpfers zu Urbino, welche durch dieſen Teller Beſtand erhaͤlt. Denn es trifft auch das Coſtuͤm der III. 8

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/135>, abgerufen am 28.03.2024.