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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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stimmen können, daß irgend ein Werk Raphaels des Giulio
Hand verrathe. Wird man aber behaupten wollen, daß in
dem Bildniß des Hauses Altoviti irgend etwas sich zeige,
was mit der Eigenthümlichkeit des Giulio, wie sie lange nach
Raphaels Tode, nach allmähligem Erlöschen der Eindrücke
des Meisters auf den Schüler, sich gebildet hat, auf einige
Weise übereinstimme? gewiß nicht. Zudem verweiset das Co-
stüm, welches mit jenem der Bildnißfiguren im Heliodor zu-
sammenfällt, ferner das Lebensalter des dargestellten jungen
Mannes, von dem wir annehmen, es sey Raphael selbst, in
die Jahre 1511 bis 1513; aus so früher Zeit aber ist über
die Lebensumstände und die künstlerische Bildungsstufe des
Giulio durchaus nichts bekannt. Unter solchen Umständen
werden wir sicherer gehn, uns dem Vasari anzuschließen, nach
dessen Zeugniß das fragliche Bild nun schon seit Jahrhunder-
ten für Raphaels Arbeit gegolten hat. So leichtsinnig dieser
Schriftsteller rein historische Dinge behandelt, so selten irrt
sein Kennergefühl, unangesehen, daß er von dem Besitzer des
Bildes, dem Bindo Altoviti, welcher die erste Ausgabe der
Künstlerbiographieen noch erlebte, die näheren Umstände, oder
wenigstens doch vernommen haben konnte, aus welcher Hand
und unter welchem Namen es ihm zugekommen sey.

Die andere Meinung: das Gemälde sey nicht des Ra-
phael
eigenes, sondern des Bindo Altoviti Bildniß, ward
schon gelegentlich der Versetzung des Bildes von Florenz nach
München in Anregung gebracht, erhielt indeß erst neuerlich
durch eine Schrift Bedeutung, in welcher der Abbate Missiri
dem bekannten Künstler und Kenner, Hrn. Wikar, seine Feder
geliehen hat.

Viele Bildnisse erwähnt Vasari; bey allen bezeichnete er

ſtimmen koͤnnen, daß irgend ein Werk Raphaels des Giulio
Hand verrathe. Wird man aber behaupten wollen, daß in
dem Bildniß des Hauſes Altoviti irgend etwas ſich zeige,
was mit der Eigenthuͤmlichkeit des Giulio, wie ſie lange nach
Raphaels Tode, nach allmaͤhligem Erloͤſchen der Eindruͤcke
des Meiſters auf den Schuͤler, ſich gebildet hat, auf einige
Weiſe uͤbereinſtimme? gewiß nicht. Zudem verweiſet das Co-
ſtuͤm, welches mit jenem der Bildnißfiguren im Heliodor zu-
ſammenfaͤllt, ferner das Lebensalter des dargeſtellten jungen
Mannes, von dem wir annehmen, es ſey Raphael ſelbſt, in
die Jahre 1511 bis 1513; aus ſo fruͤher Zeit aber iſt uͤber
die Lebensumſtaͤnde und die kuͤnſtleriſche Bildungsſtufe des
Giulio durchaus nichts bekannt. Unter ſolchen Umſtaͤnden
werden wir ſicherer gehn, uns dem Vaſari anzuſchließen, nach
deſſen Zeugniß das fragliche Bild nun ſchon ſeit Jahrhunder-
ten fuͤr Raphaels Arbeit gegolten hat. So leichtſinnig dieſer
Schriftſteller rein hiſtoriſche Dinge behandelt, ſo ſelten irrt
ſein Kennergefuͤhl, unangeſehen, daß er von dem Beſitzer des
Bildes, dem Bindo Altoviti, welcher die erſte Ausgabe der
Kuͤnſtlerbiographieen noch erlebte, die naͤheren Umſtaͤnde, oder
wenigſtens doch vernommen haben konnte, aus welcher Hand
und unter welchem Namen es ihm zugekommen ſey.

Die andere Meinung: das Gemaͤlde ſey nicht des Ra-
phael
eigenes, ſondern des Bindo Altoviti Bildniß, ward
ſchon gelegentlich der Verſetzung des Bildes von Florenz nach
Muͤnchen in Anregung gebracht, erhielt indeß erſt neuerlich
durch eine Schrift Bedeutung, in welcher der Abbate Miſſiri
dem bekannten Kuͤnſtler und Kenner, Hrn. Wikar, ſeine Feder
geliehen hat.

Viele Bildniſſe erwaͤhnt Vaſari; bey allen bezeichnete er

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[110/0132] ſtimmen koͤnnen, daß irgend ein Werk Raphaels des Giulio Hand verrathe. Wird man aber behaupten wollen, daß in dem Bildniß des Hauſes Altoviti irgend etwas ſich zeige, was mit der Eigenthuͤmlichkeit des Giulio, wie ſie lange nach Raphaels Tode, nach allmaͤhligem Erloͤſchen der Eindruͤcke des Meiſters auf den Schuͤler, ſich gebildet hat, auf einige Weiſe uͤbereinſtimme? gewiß nicht. Zudem verweiſet das Co- ſtuͤm, welches mit jenem der Bildnißfiguren im Heliodor zu- ſammenfaͤllt, ferner das Lebensalter des dargeſtellten jungen Mannes, von dem wir annehmen, es ſey Raphael ſelbſt, in die Jahre 1511 bis 1513; aus ſo fruͤher Zeit aber iſt uͤber die Lebensumſtaͤnde und die kuͤnſtleriſche Bildungsſtufe des Giulio durchaus nichts bekannt. Unter ſolchen Umſtaͤnden werden wir ſicherer gehn, uns dem Vaſari anzuſchließen, nach deſſen Zeugniß das fragliche Bild nun ſchon ſeit Jahrhunder- ten fuͤr Raphaels Arbeit gegolten hat. So leichtſinnig dieſer Schriftſteller rein hiſtoriſche Dinge behandelt, ſo ſelten irrt ſein Kennergefuͤhl, unangeſehen, daß er von dem Beſitzer des Bildes, dem Bindo Altoviti, welcher die erſte Ausgabe der Kuͤnſtlerbiographieen noch erlebte, die naͤheren Umſtaͤnde, oder wenigſtens doch vernommen haben konnte, aus welcher Hand und unter welchem Namen es ihm zugekommen ſey. Die andere Meinung: das Gemaͤlde ſey nicht des Ra- phael eigenes, ſondern des Bindo Altoviti Bildniß, ward ſchon gelegentlich der Verſetzung des Bildes von Florenz nach Muͤnchen in Anregung gebracht, erhielt indeß erſt neuerlich durch eine Schrift Bedeutung, in welcher der Abbate Miſſiri dem bekannten Kuͤnſtler und Kenner, Hrn. Wikar, ſeine Feder geliehen hat. Viele Bildniſſe erwaͤhnt Vaſari; bey allen bezeichnete er

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/132>, abgerufen am 23.04.2024.